Bad Bramstedt. Ermittlungen gegen Bramstedter Schlachthof gehen weiter. Gewerkschaften fordern bessere Arbeits- und Wohnbedingungen für Arbeiter.
Mühsam versuchen die Tierschützer, den Kühen auf ihrem letzten Weg noch ein paar Streicheleinheiten mitzugeben. Die Hände erwischen mit Mühe die Schnauzen, die sich durch die Lüftungen des Viehanhängers schieben. „Wenn die Tiere alt werden, müssen sie doch geschlachtet werden“, sagt der ältere Mann am Steuer des Gespanns, das kurz vor dem Tor des Rinderschlachthofs in Bad Bramstedt steht. „So ist das nun mal.“
Das sehen die Tierschützer ganz anders. Alle vier Wochen treffen sich Mitglieder von Animal Save vor dem Schlachthof des Vion-Konzerns zu einer Mahnwache. Meist sind es 20 bis 30 Frauen und einige wenige Männer, die sich mit Transparenten und Plakaten in der Nähe des Tores aufstellen und versuchen, mit den Fahrern der Transporte ins Gespräch zu kommen.
„Wir möchten Abschied nehmen von den Tieren“, sagt eine Teilnehmerin. „Sie sind uns nicht egal.“ Einige Tierschützer sprechen von Folter in der industriellen Massentierhaltung. Zwei bis vier Stunden nehmen sich die Teilnehmer meistens Zeit. Hier sind alle Veganer.
„Die meisten Fahrer fahren vorbei“, sagt Maren Esser, die zu den Initiatoren des friedlichen Protests gehört. „Die, die anhalten, sind sehr freundlich.“ Sie dokumentiert die Aktion außerdem für soziale Medien. Hamburg Animal Save hat inzwischen bei Facebook 1000 Follower, im weltweiten Netzwerk Save Movement sind es 164.000.
Staatsanwalt ermittelt gegen Veterinär des Kreises
Der alte Herr fährt weiter zum Tor und wird dort seine Kühe ausladen. Ihm folgt ein Lastzug mit lauter Rindern an Bord. „Wir kommen wieder“, versprechen die Teilnehmer der Aktion, die aufmerksam die Berichte über den Bramstedter Schlachthof verfolgen.
Noch immer sind die Ermittlungen der Kieler Staatsanwaltschaft wegen Tierquälereien und Ekelfleisch in dem Unternehmen im nördlichen Gewerbegebiet nicht beendet. Die Ermittlungen begannen 2014 mit einer Großrazzia im Schlachthof. In mehreren Fällen sollen Rinder ohne ausreichende Betäubung geschlachtet worden sein. Kühe sollen unter starken Schmerzen gelitten haben, weil sie nicht rechtzeitig gemolken wurden. Außerdem soll Vion gegen Hygienevorschriften verstoßen haben. Nach der Razzia legten die Behörden den Betrieb für Wochen still.
Im Dezember verhängte das Amtsgericht Kiel wegen dieser Vorwürfe eine Geldbuße gegen das Unternehmen in Höhe von 160.000 Euro. Gemeinsam mit dem Landeskriminalamt hatte die Staatsanwaltschaft auch gegen zwei Amtsveterinäre des Kreises Segeberg ermittelt, die die Zustände in dem Betrieb geduldet haben sollen.
Mit einer der Beschuldigten hat die Staatsanwaltschaft bereits eine Einigung erzielt. Sie hat eine Geldauflage in Höhe von 3000 Euro gezahlt. Damit ist das Verfahren eingestellt. Die Tierärztin muss weder einen Prozess befürchten, noch gilt sie als vorbestraft. Mit der Auflage ersparen sich die Justiz und die Frau einen aufwendigen Prozess mit einer detaillierten Beweisaufnahme. Ob ihr beschuldigter Kollege ein ähnliches Verfahren akzeptieren wird, ist noch offen.
Auch die Gewerkschaften und die Landesregierung beschäftigen sich mit dem Bramstedter Schlachthof. Dabei geht es um die Mitarbeiter, bei denen es sich vielfach um Subunternehmer aus Bulgarien und Rumänien handelt. „Berichte über die unzulängliche und nicht hinnehmbare Situation von Beschäftigten in Werkverträgen der Fleischindustrie reißen seit Jahren nicht ab“, heißt es in einer vor Kurzem beschlossenen Abschlusserklärung einer Initiativenkonferenz zur Situation der Beschäftigten in der Fleischindustrie. Unterzeichner sind der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten und der kirchliche Dienstin der Arbeitswelt der evangelischen Kirche. Die Konferenz in Elmshorn forderte eine Eindämmung von Werkverträgen in der Schlachtindustrie. Nach DGB-Angaben gehören nur 15 bis 40 Prozent der im Schlachthof Beschäftigten zum Stammpersonal.
„Viel zu lange Arbeitszeiten, ausbleibende Lohnzahlungen, schwere Arbeit, miese Unterkünfte – all diese Stichworte beschreiben nur unzureichend die teils katastrophalen Arbeits- und Lebenssituationen von Arbeitnehmern mitten unter uns“, sagt die Vorsitzende des DGB-Bezirks Nordwest, Susanne Uhl, über die Situation in den Fleischbetrieben des Landes.
Unterkünfte von Arbeitern wegen Kakerlaken geräumt
Auch die Unterbringung der Arbeiter in primitiven Wohnunterkünften wird immer wieder kritisiert. Erst vor wenigen Monaten musste eine Unterkunft von Bramstedter Vion-Mitarbeitern in Wrist (Kreis Steinburg) wegen Kakerlakenbefalls geräumt werden.
Im Juni hat sich auch der Kieler Landtag mit den Schlachtbetrieben in Schleswig-Holstein beschäftigt und festgestellt: „Zumindest nach außen zeigen sich die Betreiber und Werkvertragsnehmer grundsätzlich kooperativ gegenüber den Behörden. Festgestellte Mängel werden bereitwillig beseitigt. Allerdings entsteht insbesondere bei den größeren Betrieben der Eindruck, dass sich die Beseitigung bestehender Mängel nachteilig auf die Beschäftigten auswirkt.“
In der Drucksache des Landestages werden Beispiele genannt, dass beanstandete Unterkünfte durch andere, jedoch teurere ersetzt werden. Auch der Landtags bezeichnet die Beschäftigung der Arbeiter mit Werkverträgen als problematisch.