Norderstedt. Politiker der WiN fordert ein Gesamtkonzept für Norderstedts Zukunft. Fokus liege zu sehr auf dem Bauen, das gefährde Lebensqualität.

Den Bau von Wohnungen zurückfahren – das fordert die Fraktion von Wir in Norderstedt (WiN) und setzt damit einen deutlichen Kontrapunkt. Bauen, bauen, bauen, das fordert Bundesbauminister Horst Seehofer genauso wie Landräte und Bürgermeister in den Städten und Gemeinden. Nur so sei der Mangel an Wohnraum, vor allem an bezahlbaren Wohnungen, zu lindern.

Auch Norderstedt steht unter Druck. Die Zahl der Sozialwohnungen sinkt, die Mieten sind hoch, der Zuzug hält an, kurz: Die Stadt wächst, 86.000 Einwohner nennt OB Elke Christina Roeder als wahrscheinliche Wachstumsgröße für die nächsten Jahre. Sie hat das lokale Bündnis für Wohnen ins Leben gerufen. Die Linke fordert eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft, die SPD kann sich mit dieser Idee durchaus anfreunden. Und mitten ins Bemühen, die Zahl der Wohnungen zu erhöhen, platzt nun die WiN mit ihrem Moratorium zum zurückhaltenden Bau von Wohnungen. „Wir brauchen ein Entwicklungskonzept für Norderstedt, das bedingungsloses Wachstum verhindert und steuernd eingreift“, sagt Joachim Welk von der WiN, der den Antrag in der Ausschusssitzung am Donnerstag, 6. Juni, ab 18.15 Uhr im Rathaus vorstellt.

„Seit der Stadtgründung 1970 ist die Stadt rasant gewachsen, aber nicht ausgeglichen in allen Bereichen“, sagt Welk. Die Infrastruktur hinke dem Wachstum hinterher. Verstopfte Straßen mit täglichen Staus wie auf dem Straßenzug Niendorfer Straße/Friedrichsgaber Weg seien ein Beleg dafür. Kitas, Bus- und Bahnverkehr, Schulen und Sportplätze hätten mit dem Wachstum der Bevölkerung nicht standgehalten.

Rege Bautätigkeit widerspricht den Nachhaltigkeitszielen

Welk sieht einen Widerspruch zwischen der intensiven Bautätigkeit auf der einen und dem Ziel Norderstedts, Vorreiter auf dem Weg zu einer nachhaltigen Stadt zu sein. Der WiN-Politiker erinnert an die Norderstedter Leitziele für die Stadtentwicklung, die ökologische, wirtschaftliche und soziale Aspekte gleichermaßen berücksichtigt. Dazu zählt das Bekenntnis zur gesunden Stadt genauso wie das Leitbild von der Stadt im Grünen und der Anspruch, dass Norderstedt bis 2040 klimaneutral werden will, also nur so viel CO2 in die Luft pustet, wie auch in der Stadt gebunden wird. Doch diese Ziele seien durch die Konzentration auf den Wohnungsbau in den Hintergrund gerückt. „Wir brauchen aber ein Gesamtkonzept. Wo soll der ÖPNV verbessert, wo Grünflächen erhalten oder geschaffen, wo Kitas und Schulen gebaut werden? Finden wir keine Antworten, besteht die Gefahr, dass die Lebensqualität sinkt“, sagt Welk.

Der WiN ist besonders die urbane Verdichtung in Garstedt ein Dorn im Auge. Drei große Bauprojekte gehen allein auf die Initiative von Plambeck zurück – die Norderstedter Wohnungsgesellschaft hat ihren Sitz im ältesten Norderstedter Stadtteil und will sich einen neuen Firmensitz bauen. Der „Plambeck-Campus“ direkt am Kreisel mit Ochsenzoller Straße und Berliner Allee soll ein Innovations-, Nachhaltigkeits- und Sozialzentrum für Norderstedt werden.

Neben dem Herold-Center, wo die Berliner Allee in die Straße Kohfurth übergeht, plant das Unternehmen das Wohnquartier Kohfurth. 200 Wohnungen, 30 Prozent gefördert, in vier großen Gebäudeteilen mit vier- bis fünf Stockwerken, dazu ein achtstöckiger Solitär zur Straße hin. Noch ein wenig größer ist das Projekt „Garstedter Tor“, das Plambeck am Ende der Kohfurth, Ecke Stettiner Straße plant. In acht viergeschossigen Gebäudeteilen sollen etwa 230 Wohneinheiten entstehen. Es gibt auch nicht nur Plambeck-Projekte. In der Nachbarschaft des künftigen „Garstedter Tors“ sollen die „Kösliner Terrassen“ gebaut werden, ein neues Quartier mit 264 Wohnungen.

Verstopfte Straßen können mehr Verkehr nicht verkraften

Angesichts der rund 700 für Garstedt geplanten Wohnungen schüttelt WiN-Fraktionschef Reimer Rathje nur den Kopf: „Wie sollen die Straßen, die jetzt schon dicht sind, den zusätzlichen Verkehr aufnehmen? Wir planen jede Menge neuen Wohnraum und schaffen es nicht mal, an der Berliner Allee auf jeder Straßenseite einen Fuß- und Radweg anzulegen.“ Private Investoren realisierten Wohnungsbauprojekte zügig, die öffentliche Verwaltung halte da nicht Schritt. So setze die Norderstedter Wohnungsbaugesellschaft Adlershorst das Großprojekt am Harksheider Markt zügig um, doch der Neubau des Schulzentrums Süd sei über das Planungsstadium noch nicht hinausgekommen. Deswegen brauche die Stadt eine Denkpause.