Bad Bramstedt. Nachdem sich der 32-Jährige aus Bad Bramstedt am 18. März mit mehreren Freunden traf, fehlt jede Spur von ihm. Die Kripo ermittelt.
Seit Wochen bangen die Familie und Freunde um den 32 Jahre alten Baris Karabulut aus Bad Bramstedt, der seit dem 18. März vermisst wird. Seine Eltern fürchten, dass ihr Sohn Opfer einer Entführung geworden ist. „Er würde mich nie allein lassen“, sagt seine Mutter Sonja. Sie sitzt mit ihrem Mann Battal im Wohnzimmer in einem Bramstedter Mehrfamilienhaus und hat Fotos von Baris vor sich liegen.
Die Segeberger Kriminalpolizei hat ihre Fahndung intensiviert und gemeinsam mit Spezialisten für Schwerkriminalität aus Kiel eine Ermittlungsgruppe gegründet, um das Schicksal des Vermissten aufzuklären. Auch die Kriminalisten schließen eine Straftat nicht aus. Dass Karabulut freiwillig untergetaucht ist oder sich etwas angetan hat, halten die Ermittler inzwischen für unwahrscheinlich. Eine Entführung bezeichnen sie als Hypothese, ohne dass dafür konkrete Anhaltspunkte vorlägen.
„Baris geht nicht ans Telefon!“ Besorgt meldete sich am 18. März die Freundin des 32-Jährigen aus Seevetal in Bad Bramstedt bei Sonja und Battal Karabulut. Seit zehn Jahren lebt ihr Sohn bei der jungen Frau. Seine Mutter erzählt, ihr Sohn habe sich täglich mehrfach bei ihr gemeldet und sie oft besucht. „Wir waren mehr als Mutter und Sohn“, sagt sie. „Das war etwas sehr Besonderes.“
Karabulut arbeitete nicht und war polizeilich bekannt
Inzwischen kann die Kripo rekonstruieren, wo sich Karabulut am 18. März aufhielt. Er war viel mit dem Auto, einem schwarzen VW Golf IV (SE-EQ 284), unterwegs: Um 9.05 Uhr verließ er die Wohnung seiner Freundin in Seevetal. Um 13.08 Uhr traf er sich mit einem Jugendfreund bei Penny in Bad Segeberg, um 13.40 Uhr mit einem weiteren Freund, den die Polizei „A“ nennt. Weitere Stationen waren 14.23 Uhr Norderstedt, dort begegnete Karabulut einem Freund aus Hamburg. Um 15.30 Uhr traf er sich erneut in Bad Segeberg mit dem Jugendfreund, um 15.40 Uhr kam er in der Kreisstadt zum zweiten Mal mit „A“ zusammen. Dann endet die Rekonstruktion, Karabuluts Spur verschwindet.
Warum er die Freunde traf, was er mit ihnen besprach und welche Rolle sie bei seinem Verschwinden spielen – darüber schweigt die Kripo. Karabulut ging keiner festen Arbeit nach und war polizeilich bekannt. „Er handelte mit allem“, sagt seine Mutter. „Im- und Export“, ergänzt eine Freundin der Familie, die im Wohnzimmer bei den Eltern sitzt.
Dass es dabei um kriminelle Geschäfte ging, glaubt Vater Battal nicht. „Der Junge ist zufrieden, sauber und anständig“, sagt der gelernte Polsterer und Sattler, der seit Jahrzehnten bei einer Bramstedter Firma beschäftigt ist. Der Mann ist nervös, steht immer wieder auf und geht durch die Wohnung. „Ich kann nicht abschalten“, sagt er.
Auf die Frage, warum sein Sohn nicht gearbeitet habe, sagt der Vater: „Er war schwer krank und hatte Depressionen.“ Ein Polizeisprecher sagt, die Ermittler klärten derzeit, welche Einnahmequellen Karabulut hatte.
Immer wieder versuchten die Freundin und die Familie, Baris Karabulut am 18. März zu erreichen – ohne Erfolg. In der Nacht zum 19. März gelingt es seiner Freundin, das Handy zu orten. Das Signal kommt vom Ufer des See des kleinen Dorfes Nehms bei Bad Segeberg. Die junge Frau macht sich in der Dunkelheit auf den Weg und findet an der Badestelle den schwarzen VW, doch von ihrem Freund keine Spur. Im Handschuhfach liegt Baris’ Handy. Es ist eingeschaltet. Sie ruft die Polizei. Auf dem Handy finden Ermittler mehr als 2300 Kontakte, die Karabulut hat.
Unklar ist, warum der 32-Jährige nach Nehms fuhr
Der Vater hat sich wieder an den Wohnzimmertisch gesetzt. Warum sein Sohn so viele Kontakte hatte, und warum er nach Nehms gefahren ist, kann sich der Vater nicht erklären. „Er kannte den See nicht“, sagt er. Seine Kollegen hätten gesagt: Mach dir keine Sorgen, der kommt wieder. Doch daran glaubt Battal Karabulut nicht mehr: „Er wurde entführt, vielleicht ermordet.“ Lösegeld habe niemand gefordert, sagt der Vater.
Vielleicht wollte Baris etwas anstellen oder habe etwas gesehen, das er nicht sehen durfte, spekuliert seine Mutter. Auf die Fragen, warum sie das glaube und ob ihr Sohn gefährliche Freunde gehabt habe, antwortet sie nicht. Sie sagt nur: „Ich habe ihm oft gesagt: Fliege nicht schneller als dein Schutzengel.“
Der Tag vor dem 18. März war ein Sonntag. Wie fast immer traf sich Baris Karabulut mit seinen Eltern zum Essen. Auch seine Freundin war dabei, sie gingen nachmittags in ein Steakhaus in Neumünster. „Er war sehr lebendig und wirkte nicht bedrückt“, sagt Sonja Karabulut. Um 21 Uhr verabschiedeten sich Mutter und Sohn in Bad Bramstedt. Er nahm sie in den Arm. „Dann dreht er sich noch einmal um und sagt tschüs. Das war’s, seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen“, sagt sie.
Die Suchaktionen der Polizei bleiben erfolglos
Am 18. März haben beide noch zweimal miteinander telefoniert. „Du bist fleißig Mama. Wir sehen uns später.“ Das waren seine Worte am Handy um 15.30 Uhr. Danach habe sie ihn nie wieder gesprochen, sagt Sonja Karabulut. Ihr Sohn hielt sich zu diesem Zeitpunkt in Bad Segeberg auf.
24. März am Nehmser See: Die Taucher der Polizei packen ihre Utensilien zusammen. Intensiv haben sie in den Tagen zuvor das Gewässer abgesucht und nach Spuren des Vermissten gesucht, jedoch ohne Erfolg. Am 9. April verfolgt die Polizei eine weitere Spur. Beamte sperren östlich von Bad Bramstedt die Bundesstraße 206, damit Suchhunde ungestört eingesetzt werden können. Doch auch diese Aktion verläuft ohne Erfolg.
Auch Freunde suchen nach dem Vermissten, berichtet die Freundin der Familie am Wohnzimmertisch. In ganz Schleswig-Holstein hätten sie nach Baris Ausschau gehalten. Bei Facebook entsteht eine Seite mit dem Namen „Findet Baris“. Regionale Zeitungen und türkische Medien berichten über den Vermisstenfall. Die Polizei bittet die Bevölkerung um Hinweise. Eine Frau will den Vermissten in Chemnitz in einem Bus gesehen haben, doch die Nachforschungen führen zu keinem Ergebnis.
Die Polizei habe die Familie gebeten, eine Belohnung für Hinweise auszusetzen, sagt Battal Karabulut. Doch er habe kein Geld. Nur zwei Wohnungen in der Türkei, fügt seine Frau hinzu. Doch die wolle sie nicht verkaufen. Die Seite „Findet Baris“ wurde inzwischen abgeschaltet. Warum, ist unklar.
Die Polizei hat auch einen Zusammenhang mit einem Vermisstenfall Karabulut aus Dillingen in Bayern geprüft. Kadir Karabulut war professionell aktiv in der Pokerszene, soll an illegalen Praktiken in Utrecht beteiligt gewesen sein und ist seit 2013 verschwunden. Seinen schwarzen Audi fand die Polizei bei Augsburg. Doch an Verbindungen zwischen den Fällen Baris und Kadir Karabulut glaubt die Segeberger Kripo nicht.
„Es gibt keine neuen, aktuelleren Erkenntnisse über den Verbleib des Vermissten. Die Person bleibt verschwunden“, sagt Polizeisprecher Dirk Scheele.