Kreis Segeberg. Berufungsprozess: Ein 72-jähriger Autofahrer soll während der Fahrt über die Autobahn 7 bei Bad Bramstedt WhatsApp genutzt haben.

Zum zweiten Mal steht ein 72 Jahre alter Rentner wegen fahrlässiger Tötung im Straßenverkehr vor Gericht. Die Staatswaltschaft wirft dem Mann vor, auf der Autobahn 7 bei Bad Bramstedt ein vorausfahrendes Auto übersehen zu haben, weil er eine Whats­App-Nachricht auf seinem Handy eintippte. Es kam zur Kollision. Die 34 Jahre alte Fahrerin starb, ihr acht Monate alter Sohn überlebte schwer verletzt.

Der Prozess findet diesmal vor dem Landgericht Kiel statt. In einem ersten Verfahren hatte das Amtsgericht Neumünster den 72-Jährigen am 12. Juni 2018 freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft teilte die Rechtsauffassung des Richters jedoch nicht und legte Berufung gegen das Urteil ein.

Rettungshubschrauber landete auf der Autobahn 7

Laut Anklageschrift war der Mann am 18. Januar 2017 mit seinem Auto auf der Autobahn 7 in Richtung Hamburg auf der linken Fahrspur unterwegs gewesen, als das Unglück in Höhe Bad Bramstedt geschah.

Bei einer Geschwindigkeit von 124 km/h soll er einen Transporter überholt haben und dabei auf seinem Smartphone WhatsApp genutzt haben. Die Staatsanwaltschaft geht davon, dass der Mann während des Überholmanövers eine Nachricht für einen Gruppenchat getippt hat. Dabei ist er nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft so ablenkt gewesen, dass er beim Einscheren auf den rechten Fahrstreifen das Fahrzeug der 34-jährigen Frau übersah, die dort mit Tempo 50 bis 60 fuhr. Auf dem Beifahrersitz saß ihr acht Monate alter Sohn.

Ungebremst sei der Wagen des Mannes gegen das Heck gefahren. So lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. „Durch die Kollision soll der Wagen weggeschleudert und in einem Graben gelandet sein“, teilte die Anklagebehörde mit. „Die Wucht des Aufpralles war so stark, dass sich das Heck des Fahrzeuges bis zur Lehne des Fahrersitzes eindrückte.“

An der Unfallstelle waren mehrere Rettungswagen, ein Notarzt und ein Notarztteam eines Rettungshubschraubers im Einsatz. Die Polizei sperrte die Autobahn während der Bergungs- und Rettungsarbeiten.

Dabei zog sich die Fahrerin lebensgefährliche Verletzungen zu und starb in einem Krankenhaus. Ihr Sohn überstand die Kollision mit Prellungen am Kopf und einem Gurthämatom. Der gelbe Kleinwagen der Frau und das zweite Fahrzeug wurden bei dem Zusammenprall zerstört

Der Richter am Amtsgericht Neumünster hatte es als erwiesen angesehen, dass der damals 71-Jährige kurz vor dem Unfall den Nachrichtendienst WhatsApp auf seinem Handy benutzt hatte und dann mit seinem Fahrzeug gegen das Auto der 34-Jährigen prallte. Nach Ansicht des Schöffengerichts wäre der Unfall aber auch ohne die Ablenkung durch WhatsApp zustande gekommen. Die 34-Jährige sei mitschuldig an dem Unfall, weil sie mit etwa Tempo 60 viel zu langsam auf die Autobahn gefahren sei. Sie hatte ihr Auto zu diesem Zeitpunkt von der Standspur zurück auf die Autobahn gelenkt. Die Reaktionszeit sei zu kurz gewesen. Beide Fahrzeuge hatten laut Gutachten ihren Geradeauskurs noch nicht wieder erreicht und prallten mit einem Winkel von zwölf Grad aufeinander.

Der Ehemann der Toten trat als Nebenkläger auf

Mit dem Urteil folgte das Gericht dem Plädoyer der Verteidigung. Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer eine Strafe von einem Jahr und sechs Monaten Haft sowie ein Bußgeld in Höhe von 5000 Euro und den Entzug der Fahrerlaubnis für ein Jahr gefordert. „Der Angeklagte hatte seinen Blick beim Überholvorgang nicht dort, wo er hingehörte“, hatte der Staatsanwalt gesagt. Der Ehemann der Toten war Nebenkläger in dem Verfahren. Der Angeklagte berief sich vor Gericht auf Erinnerungslücken. Der neue Prozess beginnt heute um 10.30 Uhr. Das Landgericht hat einen Fortsetzungstermin (21. Mai) angesetzt.

Die Polizei geht davon aus, dass jeder siebte bis zehnte Unfall auf Ablenkungen durch das Smartphone oder andere elektronische Geräte wie dem Navi zurückzuführen ist. Bei schweren Unfällen gehört es inzwischen zur Routine, Handys zu beschlagnahmen und auszulesen. Damit wollen sie Ermittler feststellen, ob das Gerät in den Sekunden vor dem Unfall benutzt wurde und der Fahrer möglicherweise abgelenkt, sodass es zum Unfall kam.