Norderstedt. Kinderschutzbericht des Amtes für 2018 zeigt, dass die Öffentlichkeit besser hinschaut: Über 160 Meldungen wurden registriert.
Eines will Ulrike Bülter gleich zu Beginn des Gesprächs klarstellen: „Wir sind nicht das böse Jugendamt. Wir sind die Guten.“ Seit fast zwei Jahren leitet sie die Behörde in Norderstedt. Sie habe oft den Eindruck, dass das Jugendamt ein schlechtes Image habe. „Dabei wollen wir den Familien nicht ihre Kinder wegnehmen, sondern sie in ihren Problemen unterstützen“, sagt Bülter. Dieses Ziel ist auch in dem aktuellen Kinderschutzbericht der Stadt erkennbar.
Die Polizei meldet die meisten Fälle, gefolgt von den Verwandten
Laut dem Bericht sind im vergangenen Jahr insgesamt 161 Meldungen über Kindeswohlgefährdungen beim Norderstedter Jugendamt eingegangen. Die Meldungen kamen am häufigsten von der Polizei (61), aber auch von Verwandten der betroffenen Kinder (23), von Nachbarn (16), anderen Behörden (13) oder von den Eltern (13) und in zwei Fällen sogar von den Kindern selbst.
Zum Vergleich: 2017 erreichten das Jugendamt noch 126 Meldungen – 35 weniger als im Folgejahr. Das macht einen erheblichen Anstieg von mehr als 21 Prozent aus. Ulrike Bülter vermutet zwei wesentliche Gründe hinter der Erhöhung. „Zum einen ist das Jugendamt sehr gut aufgestellt, weil es mit freien Trägern der Kinder- und Jugendhilfe gut zusammenarbeitet“, sagt sie. Man bekomme mehr mit, weil eine höhere Sensibilität herrsche. „Und zum anderen sind viele junge Familien nach Norderstedt gezogen.“ Die erhöhte Aufmerksamkeit und die vielen Meldungen sind also eine gute Nachricht. Denn in den weitaus wenigstens Fällen steckte hinter den 161 Meldungen auch eine gravierende Gefährdung für das Kind. Nur sechs Kinder wurden aufgrund der Hinweise aus ihren Familien herausgenommen. Ein niedriger Wert, so Bülter.
Das Ziel sei es immer, die Inobhutnahme zu verhindern.
Der amtliche Kinderschutz soll immer dann greifen, wenn Kinder nicht ihrem Alter entsprechend behandelt werden, wenn sie Übergriffen und der Ausbeutung ausgesetzt sind, wenn sie Verwahrlosung, Krankheit oder Armutsfolgen erfahren. Der Begriff ist nur schwer zu präzisieren. „Wir arbeiten hart dafür, dass eine Inobhutnahme nicht nötig wird. Meistens gelingt es uns“, sagt Bülter.
Aber eben nicht immer. 2018 wurden unabhängig von den Meldungen 44 Kinder nach Prüfung des Jugendamt ihren Eltern entzogen. Fast die Hälfte davon war unter 14 Jahre alt. Im Vorjahr waren es 43 Kinder.
Die Kleinsten sind gleichzeitig auch die Hilflosesten
Kleinkinder sind besonders häufig von einer Gefährdung betroffen. Sie sind noch am hilflosesten. Ulrike Bülter: „Das Gute ist allerdings, dass sie frühzeitig in Institutionen wie Kitas und Schulen eingebunden sind, die Vorfälle bei uns melden.“ In Norderstedt sei das Jugendamt jedenfalls sehr gut vernetzt, betont die Leiterin. „Außerdem leben wir in einer gutbürgerlichen Stadt.“
Erhält das Jugendamt eine Gefährdungsmeldung, führen zwei Fachkräfte eine Einschätzung des Risikos durch. Sie erfolgt im Team, damit die Wertung eines Falls nicht von der Einschätzung nur eines Mitarbeiters abhängt. Erst daraufhin wird entschieden, welche Maßnahmen eingeleitet werden. Die endgültige Inobhutnahme bestimmt zudem nicht das Jugendamt, sondern muss von einem Familiengericht veranlasst werden. Eines der größten Probleme ist die bestehende Hemmschwelle zum Jugendamt. „Diese muss erst einmal abgebaut werden. Dann nehmen die Familien gern unsere Hilfe an“, sagt Bülter.