Kreis Segeberg. Mähmaschinen gefährden auf Wiesen Jungtiere, die hilflos und kaum sichtbar im Gras liegen.

Gegen eine Mähmaschine haben die Kitze keine Chance. Binnen Sekunden reißen die großen Maschinen die Jungtiere der Rehe in Stücke. Meistens sterben die Tiere, andere müssen von ihrem Leiden erlöst werden. Jäger Olaf Weddern aus Kleinkummerfeld wird nie den Anblick des kleinen Rehs vergessen, das im Frühjahr 2017 auf einer Koppel neben seinem Haus blutend auf dem Boden kauerte. Die Maschine hatte dem Tier alle vier Läufe abgerissen. Weddern musste das Kitz erschießen. „Das tut auch einem Jäger weh“, sagt er.

Heute ist er seltener mit seiner Waffe auf den Wiesen unterwegs. Für den 48-Jährigen und seine Kameraden vom neugegründeten Verein Wildtierrettung Segeberger Heide beginnt jetzt die Drohnensaison. Aus der Luft spüren die Männer mit Wärmebildkameras die Tiere auf und retten sie vor den Maschinen.

Vier Jäger arbeiten aktiv in dem Verein mit. Die anderen Mitglieder unterstützen ihre ehrenamtliche Arbeit, die grundsätzlich sehr früh am Morgen beginnt. Meistens melden sich die Bauern kurzfristig am Abend, bevor sie mähen wollen. Gegen 4 Uhr steht ein Drei-Mann-Team auf der Wiese. Dann ist es kühl, das warme Kitz hebt sich auf dem Monitor deutlich vom Boden ab.

Hat der Läufer das Tier gefunden, wirft er einen Casher darüber

Einer der Jäger lenkt die Drohne, der zweite hat den Monitor mit den Kamerabildern im Blick. Der dritte Mann ist der Läufer, der per Funkgerät dorthin gelotst wird, wo das Kitz allein im Gras kauert. Hat der Läufer das Tier gefunden, wirft er einen Casher darüber und trägt es in einer kleinen Kiste möglichst in der Nähe des Muttertieres zu einer geschützten Stelle an einem Knick.

„Möglichst niemals anfassen!“, lautet dabei die Regel. Darum trägt der Läufer Handschuhe. Riecht die Ricke, dass Menschen oder Tiere ihr Kitz berührt haben, verstößt sie es. „Das ist das Todesurteil“, sagt Olaf Weddern.

Dass die Tiere Gerüche annehmen, ist der eine Grund, warum man die Kitze nicht mit gut ausgebildeten Hunden aufscheuchen könnte. Der andere Grund: Kitze haben keinen Eigengeruch, selbst Hunde wären mit der Suche überfordert. Auch das menschliche Auge kann kaum die gut getarnten und regungslosen Jungtiere sehen. „Man tritt fast drauf und sieht sie trotzdem nicht“, sagt Weddern.

Inzwischen kennen die meisten Bauern die Wildtierretter

Insgesamt 11.000 Euro haben die Vorbereitungen gekostet, bevor Weddern, Jäger Frank Zabel aus Hartenholm und ihre Vereinsfreunde zum ersten Mal zur Kitzrettung ausrückten. 2000 Euro kostete die Drohne, 7000 Euro die Kamera. Hinzu kamen Kosten für Lehrgänge. Ein Mitglied des Vereins hat die Summe vorgestreckt, über Vereinsmittel soll er sie zurückerhalten.

Weddern, Zabel und die anderen Mitglieder suchen weitere Unterstützer, sie werben bei Landwirten für ihren Beitrag zum Tierschutz und arbeiten mit dem Landesjagdverband zusammen. Und das mit Erfolg, denn immer mehr Bauern melden sich beim Verein und bitten um Unterstützung bei der Rettung von Tieren. Dafür sind die Landwirte, die mähen, verantwortlich. Gerichte haben bereits Geldstrafen von mehreren Tausend Euro verhängt, wenn Bauern rücksichtslos auf ihren Wiesen Kitze und andere Tiere mit Mähdreschern niedergemetzelt haben.

Inzwischen haben die meisten Bauern in der Region das Flugblatt des Vereins erhalten. Das Honorar der Kitzretter besteht meistens aus Benzingeld, Kaffee und Brötchen.

Im Mai und Juni sollten Hunde grundsätzlich angeleint werden

Die Jäger aus der Segeberger Heide gehören zu den acht Drohnenteams in Schleswig-Holstein, die Kitze und manchmal auch Bodenbrüter wie Lerchen oder Kiebitze retten. Ihre Gelege landen zumeist in Brutmaschinen.

Auch jeder Hundebesitzer kann dazu beitragen, Kitze zu retten, sagt Frank Zabel. Im Mai und Juni sollten die Tiere grundsätzlich angeleint werden. Schon jetzt wissen er und Weddern, dass die Retter in diesem Jahr ausgelastet sein werden. Nach dem heißen Sommer 2018 brauchen die Bauern viel Futter für ihr Vieh und haben mehr Gras als üblich gesät, das im Frühjahr gemäht wird. Vor einem Jahr haben die Männer 58 Kitze gerettet. Sie sind sicher, dass es in diesem Jahr deutlich mehr sein werden.

Möglichst niemalsanfassen. Das ist das Todesurteil.