Norderstedt. Zu der ersten „Fridays for Future“-Demonstration in Norderstedt kommen mehr als 500 Schüler, um für eine bessere Klimapolitik zu protestieren.

„Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr unsere Zukunft klaut!“, brüllt Jan Ohe in sein Megafon. Mehr als 500 Schüler stimmen mit ein. Sie halten Plakate in die Luft, blasen in Trillerpfeifen. An einem Freitagmorgen um 8.30 Uhr sitzen die Jugendlichen normalerweise in der Schule. Dieses Mal nicht. Sie haben sich zu der ersten „Fridays for Future“-Demonstration in Norderstedt auf dem Rathausmarkt versammelt – und schwänzen für den Klimaschutz.

Edzard Müller (81) war schon bei zwei Klimademos dabei.
Edzard Müller (81) war schon bei zwei Klimademos dabei. © Luka Simon | Luka Simon

„Wir haben keine Wahl. Wir werden weiter kämpfen, bis die Politik handelt“, sagt Jan. Der 16-Jährige verpasst gerade eine Doppelstunde Mathe. „Ich bekomme zwar unentschuldigte Fehlstunden aufgeschrieben. Aber das ist es mir wert.“ Das Lessing-Gymnasium greift hart durch. Nur wenige Klassenkameraden von Jan unterstützen deswegen die weltweite Protestaktion. Ähnlich handhabt es das Gymnasium Alstertal in Hamburg. Dennoch: „Es ist wichtiger, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen, als in den Unterricht zu gehen“, sagt Martha Gerts, die mit mehreren Hamburger Schülern in Norderstedt mitmarschiert. Sie betont: „Ich würde auch am Wochenende demonstrieren.“

Jan Ohe hat die Proteste in Norderstedt organisiert.
Jan Ohe hat die Proteste in Norderstedt organisiert. © Luka Simon | Luka Simon

Andere Schulen gehen lockerer mit den Protesten um, die immer freitags auf der ganzen Welt stattfinden. „Wir wurden nur darum gebeten, den versäumten Unterrichtsstoff nachzuarbeiten“, sagt Denise Pingel (18) von der Willy-Brandt-Schule Norderstedt. Bei der Kundgebung auf dem Rathausplatz hört auch Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder zu. „Ich finde es gut, dass sich junge Leute engagieren und auf die Straße gehen. Man muss für seine Ideen kämpfen“, sagt sie. Dennoch haben die Demonstrationen und das damit verbundene Schulschwänzen heftige Debatten in Deutschland ausgelöst. Roeder will zwar keine klare Stellung beziehen, vergleicht „Fridays for Future“ aber mit Tarifverhandlungen: „Angestellte streiken ja auch während ihrer Arbeitszeit.“

Drei Stunden haben die Schülerinnen an Plakaten gebastelt.
Drei Stunden haben die Schülerinnen an Plakaten gebastelt. © Luka Simon | Luka Simon

Vom Rathaus aus marschieren die Schüler begleitet von der Polizei die Ulzburger Straße herunter, biegen in die Ochsenzoller Straße ein und versammeln sich erneut auf einer Wiese im Willy-Brandt-Park. Auf dem Weg stehen zahlreiche Anwohner an den Fenstern und beobachten den rund 350 Meter langen Protestzug. „Die Politik wirft uns immer vor, unpolitisch zu sein. Jetzt setzen wir ein Zeichen – und trotzdem wird mehr über das Schwänzen diskutiert als über das, worum es eigentlich geht“, ärgert sich Marlin Neetzke (16). Die Norderstedterin hat gemeinsam mit Freundinnen drei Stunden an ihrem Plakat gebastelt. Es hat die Form eines Mülleimers, auf dem ein Spruch von Greta Thunberg steht. Die 16 Jahre alte Schwedin, die mit ihrer Rede bei der UN-Klimakonferenz weltberühmt geworden ist, hat „Fridays for Future“ ins Leben gerufen und ist inzwischen so etwas wie das Idol der jungen Generation geworden.

Doch nicht nur Jugendliche demonstrieren für den Klimawandel – unter die Schüler hat sich auch der 81 Jahre alte Edzard Müller aus Eppendorf gemischt. „Die Umweltzerstörung ist weit fortgeschritten. Wir Älteren haben viel zu lange geschlafen“, sagt er. Der Rentner trägt ebenfalls ein Plakat bei sich. Darauf steht: „Opa liebt den ‚Fridays for Future‘“. Zahlreiche Schüler fotografieren Müller mit ihren Smartphones und sagen ihm, „wie cool“ sie es finden, dass er dabei ist.

Nach rund zwei Stunden löst sich die Demonstration auf. Einige Schüler gehen zurück in den Unterricht. Bei der Abschlussrede im Park schaut auch Norderstedts Stadtpräsidentin Kathrin Oehme auf dem Fahrrad vorbei. Sie sagt: „Wir in der Politik kennen das Problem – aber wir sind zu langsam. Das beschämt mich. Aber die jungen Leute machen einem Hoffnung für die Zukunft.“