Lemkenhafen/Fehmarn. Rundgang im geschlossenen Jugendlandheim der Stadt Norderstedt auf Fehmarn: Ein Sanierung der veralteten Räume ist dringend nötig.

Die Brise macht die Ostsee kabbelig an diesem Nachmittag. Über das aufgewühlte Wasser hinweg sieht man die Insel Warder grau am Horizont zwischen Festland und Fehmarn liegen, etwa 500 Meter vom Ufer beim Jugendlandheim in Lemkenhafen entfernt. „Die Insel gehört auch Norderstedt“, sagt Jürgen Lange. „Also zumindest der Mittelteil.“ Das weiß bestimmt kaum ein Norderstedter, dass zur Stadt auch ein Stück Insel in der Ostsee gehört. Aber es gibt ja auch immer mehr, die nicht wissen, dass Norderstedt überhaupt ein Jugendlandheim auf Fehmarn besitzt – zu dem das Stückchen Insel gehört.

Lange ist der Vorsitzende eines Vereins, der in Auflösung begriffen ist. Nach fast 60 Jahren. So lange sorgen die ehrenamtlichen Norderstedter für den reibungslosen Betrieb des Heimes im Auftrag der Stadt. Jetzt hat der Verein gekündigt. Weil er sich von der Politik in Norderstedt nicht gut behandelt fühlt. Denn die will nicht so, wie es Lange und seine Mitstreiter gerne hätten. Und weil der Streit schwelt, steht im Jugendlandheim Lemkenhafen jetzt alles still. Das Personal hat gekündigt, der Betrieb ist unmöglich. Für dieses Jahr wurden knapp 5000 Übernachtungen storniert. Langes Vereinstelefon klingelt unablässig. Am anderen Ende Jugendgruppenleiter, die enttäuscht nachfragen, warum es nichts wird mit der Jugendfreizeit am „Nordertown Beach“.

Lange führt durch das leer stehende Rotklinkerhaus von 1890. Im Erdgeschoss riecht es so, wie die Einrichtung des Hauses wirkt: muffig. „Das ist alles unzeitgemäß, 60er-Jahre-Standard“, sagt Lange. Viel abgestoßenes dunkles Holz, abgenutzte Stockbetten, fleckige Teppichböden, veraltete Waschräume und Duschen auf den Gängen. Ein vom Verein und der Stadt Norderstedt engagierter Architekt hat den alten Kasten im Herzen Lemkenhafens unter die Lupe genommen. Die Substanz sei gut, bis auf ein paar Feuchteschäden im Keller. Deswegen schlägt er vor, das Heim zu entkernen. Alles müsse raus – bis auf die gerade modernisierte Großküche. Am Ende hätte das Jugendlandheim feuersichere Treppenhäuser und in Erd-, Ober- und Dachgeschoss je einen zentralen Gang, von dem aus alle 86 Betten in modernen, hellen und teilweise barrierefreien Zimmern mit zwei, vier, sechs oder acht Betten erschlossen werden.

In der detaillierten Kostenschätzung werden 1,4 Millionen Euro für alle Arbeiten veranschlagt. „Und dann könnten wir als Verein weiterhin kostengünstige Ferien für Jugendgruppen, Vereine und sozial schwache Familien anbieten – in einmaliger Lage direkt am Meer“, sagt Lange. Schüler zahlen in Lemkenhafen 30 Euro pro Nacht mit Vollpension, Einzelpersonen 39 Euro, wenn sie mit elf Freunden kommen pro Kopf nur 37,50 Euro.

Die Politik bezweifelt, ob das Heim saniert werden kann

Die politische Mehrheit im zuständigen Jugendhilfeausschuss würde gerne ein Heim in dieser Form weiterbetreiben, betont die Ausschussvorsitzende Petra Müller-Schönemann (CDU). Doch man misstraue der Kostenschätzung für die Sanierung und befürchte „Unwägbarkeiten“. Zu was das führen könne, sehe man ja bei der ,Gorch Fock’, sagt Müller-Schönemann. Auf Basis von Befürchtungen hat sich der Ausschuss also entschlossen, das Heim lieber komplett abreißen und kalkuliert neu bauen zu wollen. Was allerdings nur infrage kommt, wenn ein Betreiber mit einem schlüssigen Konzept gefunden wird, der die Einrichtung möglichst ganzjährig und kostendeckend führt. Da der Verein sein Konzept mit der Sanierung verknüpft, müsse man sich auch nach anderen Betreibern umschauen – der Verein sei aber trotzdem eingeladen, ein Neubau-Konzept zu entwickeln.

Für Lange sind diese Aussagen wie ein Schlag ins Gesicht all jener Norderstedter, die sich fast sechs Jahrzehnte lang für die Stadt Norderstedt in Lemkenhafen engagiert haben. Der langjährige SPD-Fraktionschef und Stadtplanungsexperte kann nicht fassen, dass die Politik der exakten Kostenschätzung eines Architekten für die Sanierung misstraut und stattdessen mit Mehrheit das finanzielle Abenteuer eines Neubaus eingehen möchte. Nach Schätzung des Architekten soll der 2,5 Millionen kosten – zu was solche Angaben führen, kann man ja bei der Elbphilharmonie sehen. „Außerdem kann die Stadt ja ein Konzept vorgeben. Ob aber ein privater Betreiber das so umsetzt, steht in den Sternen. Der will Geld verdienen und macht das nicht so günstig wie ein Verein.“ Dieser hatte es bisher geschafft, das Heim etwa 7,5 Monate im Jahr mit bis zu 8000 Übernachtungen auszulasten. Im Winter wurden die Betriebs- und Personalkosten mit 59.500 Euro bezuschusst.

Was nun geschieht, ist offen. Am Ende könnte sich auch ein Neubau als zu kostspielig herausstellen. Dann bliebe der Stadt Norderstedt vielleicht nur noch der Verkauf des ganzen Areals. Und das wäre dann das komplette Aus für eine Norderstedter Institution auf Fehmarn – und die Stadt besäße auch kein Stückchen Insel mehr.