Boostedt/Kiel. 21-jähriger Somalier aus der Flüchtlingsunterkunft in Boostedt steht wegen versuchten Mordes an einem Landsmann (32) vor Gericht.

Und wieder Boostedt: Der letzte Prozess um eine Messerstecherei in der Flüchtlingsunterkunft im Kreis Segeberg ist noch nicht abgeschlossen, da verhandelt das Kieler Landgericht eine weitere Eskalation der Gewalt in der ehemaligen Kaserne.

Seit gestern muss sich ein 21-jähriger Somalier wegen versuchten Mordes vor der Jugendstrafkammer verantworten. Der Angeklagte räumte ein, mit einem spitzen Gegenstand auf einen Landsmann eingestochen zu haben.

Der Staatsanwalt wirft dem seit mindestens vier Jahren in Deutschland lebenden Ostafrikaner vor, in der Nacht zum 3. Oktober 2018 versucht zu haben, einen 32 Jahre alten Mitbewohner der Unterkunft heimtückisch zu töten. Der Tat seien gegenseitige Provokationen vorausgegangen, die „erkennbar nicht ernstlich gemeint“ gewesen seien.

So habe sich der Angeklagte über den „Bierbauch“ des späteren Opfers lustig gemacht. Beide hätten zunächst gelacht. Dann aber habe der Angeklagte ein als Waffe mitgeführtes Metallstück aus der Tasche gezogen und den älteren Landsmann damit im Gesicht verletzt.

Durch die Stiche wurde die Magenwand perforiert

Der zur Tatzeit Heranwachsende habe das flüchtende Opfer verfolgt, zu Fall gebracht und auf seinen Rücken und Oberbauch eingestochen. Dabei sei die Magenwand perforiert worden – eine lebensgefährliche Verletzung, so der Staatsanwalt. Der Angeklagte will vom späteren Opfer zuvor immer wieder drangsaliert und beleidigt worden sein – wegen seiner Neigung, seine Probleme in Alkohol zu ertränken. Aber auch wegen seiner Angehörigkeit zu einem angeblich minderwertigen Clan.

„Er hat meine Herkunft und meine Familie beleidigt“, sagt der Angeklagte. Weil er zweimal in der Psychiatrie in Rickling behandelt worden sei, habe der andere ihn für verrückt erklärt. „Wenn das deine Mutter wüsste, würde sie sich umbringen“, habe er gesagt. Als der Ältere damit geprahlt habe, in der somalischen Hauptstadt Mogadischu vier Frauen seines Clans vergewaltigt zu haben, habe er ihn angespuckt, sagt der 21-Jährige. Dann sei die Sache eskaliert: „Er schlug mir sein Handy an die Wange, ich schlug mit Fäusten zurück.“

Während des Gerangels sei ein Zeuge aufgetaucht. „Ohne Einblick in die Vorgeschichte hat er mir sofort die Schuld an dem Streit gegeben“, sagt der Angeklagte. „Immer machst du Probleme“, habe der Zeuge ihm vorgeworfen. „Da habe ich meine Waffe rausgeholt“, erklärt der 21-Jährige.

Angeklagter wirkte bei Festnahme entspannt

„Ich war sehr wütend und betrunken und habe die Kontrolle verloren.“ Den anfangs nur leicht im Gesicht verletzten Gegner habe er verfolgt, um zu verhindern, dass er sich bewaffne. Dabei seien sie beide gestürzt. „Dann habe ich Stechbewegungen gemacht, um ihm Angst zu machen.“ Niemals habe er jemanden umbringen wollen. Doch ein Zeuge will gehört haben, wie der Angeklagte mit den Worten „Ich schwöre, ich töte dich!“ hinter dem Opfer herlief.

Ein Beamter der Polizeistation stand nur 50 Meter vom Tatort weg, als das stark blutende Opfer gegen 23.30 Uhr langsam auf ihn zuging. „Er nannte sofort den Namen des Beschuldigten.“ Wenig später wurde der Angeklagte festgenommen. „Er wirkte entspannt“, berichtet der Beamte. „Die Dramatik und Schwere der Verletzung waren ihm offenbar nicht klar.“ Ein Alkohol-Test beim Angeklagten ergab 0,0 Promille. Bei seiner Waffe soll es sich um den Träger einer Gardinenstange gehandelt haben.

Die Kammer hat vier weitere Verhandlungstage angesetzt. Das Urteil soll Anfang April verkündet werden.