Bad Bramstedt. Der weltberühmte Modezar verbrachte 14 Jahre seines Lebens in der Rolandstadt. Dort wird nun über ein angemessenes Andenken diskutiert.

Als Karl Otto Lagerfeld ein Jahr alt ist, zieht er mit seiner Familie von Hamburg auf das fast 500 Hektar große Gut Bissenmoor bei Bad Bramstedt. 14 Jahre seines Lebens verbringt der Modezar in einem weiß getünchten Herrenhaus mit Veranda, Eingangshalle und Turmzimmer. Während die Nachbarskinder draußen im Matsch spielen, blättert der junge Lagerfeld Modezeitschriften in seinem Zimmer durch. Er liebt es zu zeichnen, näht seinen Puppen Kleider. „Ich finde mich stinknormal, aber ich weiß vielleicht nicht, was normal ist“, sagte Lagerfeld später in einem seiner vielen Interviews.

Vor wenigen Tagen ist der weltberühmte Modeschöpfer im Alter von 85 Jahren in der Nähe von Paris verstorben. Obwohl Lagerfeld selten positiv über seine Kindheit auf dem Land gesprochen hat, denkt man in Bad Bramstedt noch oft an ihn. Gerade in den Tagen nach seinem Tod. Am Mittwochabend hat die FDP-Fraktion im Ausschuss für Finanzen, Wirtschaft und Tourismus die Frage zur Diskussion gestellt, wie und ob überhaupt der Kurort Karl Lagerfeld gedenken sollte.

„Er war zweifelsfrei eine herausragende Persönlichkeit. Es gibt nur eine begrenzte Anzahl an Deutschen, die weltweit so bekannt sind wie Karl Lagerfeld“, sagt FDP-Fraktionsvorsitzender Helmer Krane. Deswegen müsse die Stadt natürlich über ein Andenken diskutieren. „Es stellt allerdings eine Herausforderung dar, eine angemessene Würdigung zu finden“, sagt Krane weiter. Denn: Lagerfeld sei nicht nur ein legendärer Modeschöpfer gewesen, sondern auch ein Mensch, der immer wieder für Irritation gesorgt habe.

Die letzte große Diskussion über Lagerfeldstraße gab es 2001

Von seiner Vergangenheit in Bad Bramstedt hat Lagerfeld sich in der Öffentlichkeit lange distanziert. Er konnte sich weder mit der Kurstadt noch mit Deutschland identifizieren. Dafür aber mit Hamburg. Er sagte einmal: „Ich bin Hanseat, kein Deutscher.“

Noch vor Jahren pflegte Lagerfeld zu spötteln, wenn er auf seine Jugend in der holsteinischen Provinz angesprochen wurde. In der ARD-Sendung „Menschen bei Maischberger“ beschimpfte er gar seinen einstigen Schulkameraden Karl Wagner als „grauenhaften Lustgreis“. Doch jüngst waren mildere Töne von Lagerfeld zu hören. Er habe eine „wahnsinnig glückliche“ Kindheit in Hamburg und Bad Bramstedt verlebt, sagte er einer Tageszeitung.

Die Fraktionen haben nun Zeit, sich Gedanken über ein mögliches Denkmal zu machen. Die letzte große Diskussion zu Karl Lagerfeld gab es übrigens 2001 in der Stadt. Schon damals wagte die Politik einen Anlauf, eine Straße im Bissenmoor nach dem Designer, der von 1983 bis zu seinem Tod das Modehaus Chanel leitete, zu benennen. Der Vorschlag bekam keine Mehrheit – auch viele Bürger sprachen sich gegen ein Denkmal aus. „Heute könnten die Zeichen dafür besser stehen“, meint Helmer Krane.

Stefan Brumm (CDU) schlägt Karl-Lagerfeld-Musical vor

Eine einheitliche Meinung gibt es in der CDU noch nicht. Fraktionsvorsitzender Stefan Brumm befürwortet allerdings die Idee, eine Straße nach Lagerfeld zu benennen. „Es sollte aber keine Umbenennung sein, sondern die Benennung einer neuen Straße – vielleicht in der Nähe seines alten Elternhauses“, sagt Brumm. Und der Christdemokrat geht noch einen Schritt weiter: „Ich könnte mir ebenfalls gut vorstellen, dass ein Karl-Lagerfeld-Musical in unserem kleinen Theater aufgeführt wird.“

Ein altes Klassenfoto, datiert auf Mai 1948, zeigt den 14 Jahre alten Karl Lagerfeld (vordere Reihe, 3. von links) mit Schlips und Siegelring.
Ein altes Klassenfoto, datiert auf Mai 1948, zeigt den 14 Jahre alten Karl Lagerfeld (vordere Reihe, 3. von links) mit Schlips und Siegelring. © HA

Aus Brumms Sicht spräche auch nichts gegen eine Ausstellung, die Lagerfelds Wirken und sein Leben in Bad Bramstedt beschreibt. „Auch wenn er seine Jugendzeit in der Kurstadt kritisch gesehen hat, muss sie am Ende doch so positiv für ihn gewesen sein, dass er hier die Grundlage für seine Weltkarriere geschaffen hat“, sagt Stefan Brumm.

1939 kehrte Lagerfeld mit seiner Familie zurück nach Hamburg. Als weite Teile der Hansestadt während des Zweiten Weltkriegs durch Bombardierungen zerstört wurden, zogen die Lagerfelds erneut auf das Gut Bissenmoor. Der junge Karl besuchte in Bad Bramstedt die Jürgen-Fuhlendorf-Schule, verließ sie allerdings vorzeitig. 1949 ging es endgültig zurück in die Großstadt an der Elbe. Sein Vater, Otto Lagerfeld, verdiente als Kondensmilch-Fabrikant bei „Glücksklee“ Millionen. Mit seiner Mutter Elisabeth wagte Karl Lagerfeld vier Jahre später den Sprung nach Paris, holte seinen Abschluss nach und startete eine einzigartige Karriere als Modemacher.

Herrenhaus auf Gut Bissenmoor längst abgerissen

Bad Bramstedts neue Bürgermeisterin Verena Jeske hat sich noch nicht zu einem Lagerfeld-Andenken in der Stadt geäußert. Die Junge Union Hamburg (JU) forderte bereits an seinem Sterbetag, dass möglichst bald in der Hansestadt, seinem Geburtsort, ein Platz in „zentraler, angemessener Lage“ nach Lagerfeld benannt wird. Ein entsprechender Antrag wurde auf dem Parteitag der JU verabschiedet. Das Problem: In Hamburg gilt die Regel, dass erst zwei Jahre nach dem Tod eines Prominenten die Benennung einer Straße oder eines Platzes nach ihm möglich ist.

Das eindrucksvolle Herrenhaus auf Gut Bissenmoor wurde längst abgerissen. Heute liegt ein nobler Golfclub in der Nähe. Aber: Vielleicht erinnert bald ein Andenken an den kleinen Karl, der an diesem Ort seinen Puppen so gern Kleider nähte und stundenlang Modezeitschriften durchblätterte.