Lübeck/Norderstedt. Die Autodiebe – die unter anderem in Norderstedt Pkw stahlen – bekamen ein milderes Urteil, weil sie die Taten gestanden.

Nun also doch: Während am ersten Verhandlungstag vor dem Landgericht in Lübeck ein Deal zwischen den Richtern und den beiden wegen gewerbsmäßigen Diebstahls angeklagten Männern nicht zustande kam, einigten sich nun beide Seiten auf einen Handel – Geständnis gegen ein milderes Urteil.

Das milde Urteil sprach der Vorsitzende Richter der III. Großen Strafkammer dann auch am dritten Prozesstag: Der 32 Jahre alte Artur T. muss wegen Diebstahls von 36 Autos für vier Jahre und neun Monate in Haft. Er war bereits einschlägig wegen schweren Diebstahls vorbestraft, saß auch im Gefängnis. Zudem war er zum Zeitpunkt der Taten auf Bewährung auf freiem Fuß.

Der Wert der Autos sowie die Schäden belaufen sich auf 840.000 Euro

Sein Komplize, der 37 Jahre alte Grzegorz K., kommt für zwei Jahre und drei Monate ins Gefängnis. Er war für die Justiz ebenfalls kein Unbekannter und wegen Diebstahls vorbestraft. Ihm werden elf Taten zur Last gelegt.

Neben der Haftstrafe werden von den Männern 72.000 Euro eingezogen. Das entspricht jedoch nur einem kleinen Teil des Schadens, den die Männer zwischen September 2017 und Juli 2018 in Norderstedt, verschiedenen Orten im Kreis Stormarn sowie in Hamburg angerichtet haben. Der Wert der Autos sowie die Schäden, die bei Diebstahlsversuchen entstanden, belaufen sich laut Staatsanwaltschaft auf 840.000 Euro. „Das waren Taten wie am Fließband“, sagte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer und nannte beispielhaft ein Wochenende, an dem die Männer fünf Autos stahlen.

Dass die Taten professionell organisiert waren, geht insbesondere aus der Überwachung der Handys der Autodiebe hervor. Nachdem die Ermittler Artur T. auf die Schliche gekommen waren, hörten sie ab Mai 2018 alle seine Gespräche ab, später auch die von Grzegorz K. „Sie benutzten Codewörter wie Jokis für Kuriere“, sagt ein 54 Jahre alter Ermittler aus Lübeck. Den Beamten wurde schnell klar, dass sich die Männer aus Polen auf den Diebstahl hochwertiger Autos der Marken Ford und Mazda spezialisiert hatten.

30 Sekunden benötigten die Täter, um ein Auto zu kacken

Zunächst ging T. allein auf Beutezug und arbeitete immer nach dem gleichen Muster. Erst einmal wurde das Schloss an den Autos gewaltsam geöffnet. Danach bediente sich der Dieb moderner Technik. Mit einem sogenannten OBD-Tool „lernte“ er Schlüsselrohlinge an. Werkstätten benutzen solche Geräte, um einen Ersatzschlüssel zu programmieren. „Das ganze dauert nur 30 Sekunden“, sagte der Polizist und fügte in seiner Aussage vor Gericht hinzu, dass jeder solche Spezialgeräte für rund 6500 Euro im Internet bestellen könne. Die Schlüsselrohlinge habe sich T. in Polen besorgt.

Ab Mai 2018 stieg auch Grzegorz K. in das Geschäft ein. Autos wurden gestohlen, in Wohngebieten geparkt und dort von Kurieren abgeholt. Damit der Diebstahl zunächst nicht auffiel, benutzten die Kriminellen Kennzeichendubletten. Sie ließen Autos desselben Modells und gleicher Farbe ausspähen, dann Nummernschilder für ein gestohlenes Auto prägen. „Ein Auto im Wert von 30.000 Euro haben wir für 2000 bis 3000 Euro verkauft“, räumte T. in seinem Geständnis ein.

Eine Überführung nach Polen verhinderte die Polizei. Im Juni 2018 wollten die Beamten zwei Fahrzeuge auf der Autobahn Richtung Polen stoppen. Doch die Fahrer gaben Gas. „Noch während der Verfolgungsfahrt telefonierte der Kurier mit T., der Anweisungen gab“, so der Ermittler. Einem gelang damals die Flucht, der andere wurde festgenommen. Für ihn organisierte T. kurz darauf einen Rechtsanwalt und bezahlt diesen. „Das Codewort für Rechtsanwalt war Papagei“, erinnerte sich der Beamte.

Weil sein Großvater krank ist, wollte einer der Angeklagten seine Strafe später antreten

Im Juli wurden auch Grzegorz K. und Artur T. festgenommen. Die Beamten gingen zu diesem Zeitpunkt von 15 Taten aus. Doch bei der Durchsuchung der Hamburger Wohnung von T. fanden die Ermittler weitere Schlüsselrohlinge und das OBD-Tool. Darauf waren alle Fahrgestellnummern gespeichert, für die Schlüssel programmiert wurden. „Der Hersteller in Bulgarien hat die Daten für uns ausgelesen“, berichtete der Ermittler.

Damit war die Beweislast so schwer, dass beide Angeklagten den Deal mit dem Gericht bevorzugten. Grzegorz K. bat das Gericht zudem, ihn von der Haft für mindestens einen Monat zu verschonen. Sein Großvater sei sehr krank, und er wolle ihn noch einmal besuchen. Doch die Richter ließen sich darauf nicht ein: „Dafür waren sie in der Vergangenheit zu mobil.“