Norderstedt . Fitness-Boxen hat sich zur Trendsportart entwickelt – Abendblatt-Reporterin Bianca Bödeker hat es beim 1. SC Norderstedt ausprobiert.

„Das wird anstrengend“, weiß meine Freundin Franziska (51) aus Erfahrung zu berichten. Um mich im gleichen Atemzug zu ermuntern: „Du schaffst das, hast dich doch immer gut durchs Leben geboxt.“ Mit ihren Worten in meinen Ohren melde ich mich an beim 1. SC Norderstedt und mache mich auf in die Sporthalle des Coppernicus-Gymnasiums zum Selbstversuch „Fitness-Boxen“. Mit dabei sind Trainingsklamotten, Wasserflasche und jede Menge Respekt. Unter der Regie von Trainer Jawad Qaderi (27) schwingen wir heute Abend in kleiner Runde die Fäuste. Wir, das sind außer mir noch zwei Teenager – rund 40 Jahre jünger als ich...

Fitness-Boxen, das ist Boxen ohne Gegner. Gekämpft wird gegen Sandsack und Schlagpolster. „Fitness-Boxen hat sich vor allem in den vergangenen zwei bis drei Jahren zum Trendsport entwickelt, der in Fitness-Studios und in Vereinen sowohl für Männer und Frauen angeboten wird“, sagt Manfred Dörrbecker, Pressesprecher des rund 82.000 Mitglieder (darunter mehr als 21.000 Frauen!) zählenden Deutschen Boxsport-Verbandes in Kassel. Es gehe nicht darum, jemanden zu verprügeln oder ihm wehzutun, sondern die eigene körperliche Fitness zu verbessern und sich gleichzeitig auszupowern. Weiterer Vorteil: Der Körper werde nicht nur auf Fitnessbasis, sondern auch mental trainiert. Manfred Dörrbecker betont: „Man lernt, seinen Trainingspartner zu respektieren und stärkt gleichzeitig das eigene Selbstbewusstsein.“

Na, dann mal los! Wir starten mit der Aufwärmphase: zweimal fünf Minuten Seilspringen. Aus dem Handy des Trainers pushen uns coole Beats. Während der in einem Megatempo und leicht wie eine Feder hüpft, bin ich eher gemächlich unterwegs. Und zügig aus der Puste. Da kommen die 60 Sekunden Pause zwischendurch gerade recht. Atemlos stürze ich mich auf die Bank und trinke erst mal einen Schluck Wasser. Weiter geht’s mit Lockerungsübungen auf der Stelle. Ich hüpfe und mache „Jumping Jacks“, die vielen auch als „Hampelmänner“ bekannt sein dürften. Nun ja: „Bella figura“ sieht sicherlich anders aus...

Die Vorteile des Fitness-Boxens

1. Das Schlagen gehört zwar zum Training, aber nur auf Schlagpolster, Pratzen und Sandsäcke. Dadurch lernt man Schnelligkeit, Ausdauer und Präzision, ohne dabei andere zu verletzen. Der Trainingspartner hält die Pratze – Schlagkombinationen, Schattenboxen und Schnelligkeitstraining sind die Trainingselemente.

2. Die Fitness verbessert sich grundlegend. Angefangen von leichten Intensitäten, kann das Training weiter gesteigert werden. Dabei wird mit unterschiedlichen Utensilien gearbeitet. Von Medizinbällen bis hin zum Springseil wird alles benutzt. Je nach aktuellem Leistungsstand lassen sich die Einheiten individuell gestalten.

3. Persönlichkeitsentwicklung: Der Körper wird nicht nur auf Fitnessbasis trainiert, sondern auch mental. Man lernt, seinen Trainingspartner zu respektieren und stärkt gleichzeitig das eigene Selbstbewusstsein. Das ist auch im Alltag oder für den Beruf wichtig. (Quelle: Deutscher Box-Verband e.V.)

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Im Partnertraining arbeiten wir jetzt an den technischen Grundlagen, bevor es mit den Boxhandschuhen um Konditionsaufbau und an die Pratzen geht. Pratzen, das sind große Handschuhe mit großen Polstern auf der Handfläche, die der eine Trainingspartner hält, während sich der andere „auspowert“. Und dabei Schnelligkeit, Ausdauer und Präzision lernt, ohne sein Gegenüber zu verletzen. Na, da hau ich doch mal ‘nen Schlag rein: Linke Gerade, rechte Gerade, rechts, links, Seitwärtshaken, Aufwärtshaken...

Koordination von Beinen, Hüfte und Armen ist wichtig

„Auf die Beinarbeit achten und Deckung halten“, sagt Jawad. Und nicht so zaghaft! Fester! „Sehr gut“, lobt er mich schließlich. Ein Lob, das motiviert: Meine Hemmung vor dem Zuschlagen lässt nach, mein Mut nimmt zu. Mit immer mehr Power schlage ich in die Pratzen und arbeite mich vor zum perfekten Punch (Schlag). Schnell merke ich: Um den richtigen Treffer zu erzielen, reicht es nicht aus, nur die komplette Muskelkraft einzusetzen. Auch die Koordination von Beinen, Hüfte und Armen muss stimmen. Ich blicke rüber zu den zwei Nachwuchs-Klitschkos und denke: Die machen das gut. Die machen das wohl schon länger. Jawohl! „Du brauchst zwei bis drei Monate regelmäßiges Training, um richtig reinzukommen“, sagt Jawad, der seit 14 Jahren boxt und seit einem Jahr Boxtraining beim 1. SC Norderstedt gibt.

Rund 70 Minuten liegen hinter mir. 70 Minuten, in denen ich mich nicht nur auspowern, sondern auch mal kräftig Dampf ablassen und Stress abbauen konnte. Ich bin zwar erschöpft, doch auch irgendwie entspannt. Fitness-Boxen gefällt mir. Es macht meinen Kopf frei. Während ich abschließend noch einige Runden auf den Sandsack eindresche, kämpfe ich Schlag für Schlag nun auch gegen meinen inneren Schweinehund. Klares Signal: Mein Körper hat genug. Das „Cool down“ auf der Matte mit Situps zur Kräftigung der Bauchmuskulatur samt Dehnungsübungen kommt mir zum Abschluss des Trainings da gerade recht.

Mein Fazit nach dem Selbstversuch: Fitness-Boxen macht Spaß. Ein effektives Ganzkörper-Workout, um in Form zu kommen. Es trainiert Ausdauer, Schnelligkeit und Beweglichkeit. Baut Stress ab und Muskeln auf. Macht den Kopf frei! Absolut geeignet auch für „Menschen in der Mitte des Lebens“. Und: Gibt es etwas Schöneres, als mal wieder nachhaltig seinen Körper zu spüren? Oder anders gefragt: Was sind schon drei Tage massiver Muskelkater...?

Trainingstermine und weitere Infos zum Angebot: www.1-sc-norderstedt.de, allgemeine Infos: www.box-sport-verband.de