Kreis Segeberg. Bundesverwaltungsgericht stoppt den Weiterbau der Autobahn 20. Wirtschaft und Bürgermeister sind verärgert über die Entscheidung.

Der Stopp für den Weiterbau der Autobahn 20 ist ein schwerer Schlag für die Wirtschaft im Norden und die Entwicklung in der Region. „Unsere Unternehmer warten seit Jahren darauf, dass es eine Alternative zum Nadelöhr Elbtunnel und Elbbrücken gibt“, sagt Alexander Luckow, Sprecher des Arbeitgeberverbands Nord, der 400 Unternehmen in Norddeutschland vertritt.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte für den rund 20 Kilometer langen Abschnitt zwischen Wittenborn und der Autobahn 7 einen Baustopp verhängt. Die Richter rügten ein unzureichendes Wassergutachten und Fehler beim Artenschutz. So könne das Bauprojekt das Leben der Fledermäuse in der Kalkberghöhle gefährden, auch die Schleiereule müsse geschützt werden. Diese Kritik müssen die A-20-Planer jetzt ausräumen und nachbessern.

Luckow fordert ein schlankeres Planungsrecht nach französischem Vorbild. Nur so hätten Projekte mit einer Tragweite wie die A 20 die Chance, in einem akzeptablen Zeitraum realisiert zu werden. Weniger Hürden bei der Planung solcher Großprojekte verlangt auch der Unternehmensverband Unterelbe-Westküste.

Zeitnaher Bau bringt wirtschaftliche Effekte

Das Gericht bemängelte, dass beim Fledermausschutz nachteilige Folgen nicht von vornherein auszuschließen seien. Obwohl alle Zahlen und Beobachtungen der Planungsbehörde zeigten, dass die Fledermaus andere Flugrouten bevorzuge und die A 20 sie nicht tangiere, gebe es diesen Vorbehalt. „Solange die A 20 erst dann gebaut werden kann, wenn für jedes Lebewesen auf diesem Planten nachteilige Auswirkungen vorher durch Gutachten ausgeschlossen werden müssen, wird die A 20 nie realisiert“, sagt Ken Blöcker, Geschäftsführer des Unternehmensverbands. Für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen an der Westküste und Unterelbe bleibe die A 20 das zentrale Zukunftsprojekt.

Mit großem Bedauern reagiert die IHK Schleswig-Holstein auf das Urteil. „Das ist nicht das, was Wirtschaft und Menschen in Schleswig-Holstein dringend benötigen“, sagt IHK-Präsidentin Friederike C. Kühn. Der Richterspruch habe die Lösung der angespannten Verkehrslage im Großraum Bad Segeberg weiter verschoben. Die A 20 sei von herausragender Bedeutung für die Wirtschaft und die Menschen im Norden, aber nur ihr zeitnaher Bau werde Investitionen in Beschäftigung und neue Standorte und somit positive wirtschaftliche Effekte bringen.

„Diese Nachricht ist für uns eine weitere herbe Enttäuschung“, sagt Segebergs Bürgermeister Dieter Schönfeld. Die Segeberger litten unter dem Durchgangsverkehr, die Bundesstraße 206, die durch die Stadt führt, sei völlig überlastet, die Bewohner seien von Staus mit Lärm und Abgasen genervt. „Wir hoffen, dass die Planungsfehler jetzt schnell beseitigt werden, denn wir brauchen die Autobahn mit der Südumfahrung der Stadt dringend“, sagt der Verwaltungschef.

Schon vor Jahren hätten die Experten vom Fledermauszentrum Noctalis am Kalkberg sich mit den Folgen des Autobahnbaus für die Tiere beschäftigt und Vorschläge gemacht, wie die schnelle Ost-West-Verbindung gebaut werden kann, ohne das Leben der 20.000 Flieger in der Kalkberghöhle, einem der größten deutschen Winterschlafquartiere, zu gefährden. „Doch unseren Sachverstand wollte niemand hören“, sagt Schönfeld.

„Das ist eine sehr ärgerliche never ending Story“, lautet der Kommentar von Segebergs Landrat Jan Peter Schröder. Seit mehr als zehn Jahren bekomme er zu hören, dass nun die nächsten Abschnitte der A 20 gebaut würden. Der Baustopp habe negative Folgen vor allem für den strukturschwachen Nordosten des Kreises. Dort warteten die Gemeinden auf die Autobahn, eine gute Verkehrsanbindung bringe Gewerbe und damit Steuereinnahmen in die Region. Das Leipziger Urteil wirke sich auch nachteilig auf den Tourismus aus.

„Ich werde wahrscheinlich zu spät kommen. Die Straße ist voll, und vor mir fahren drei Lkw, die ich nicht überholen kann“ – Hans-Jürgen Kütbach erlebte am gestrigen Morgen auf der Bundesstraße 206 live, was das Warten auf die Autobahn bedeutet. Auch Bramstedts Bürgermeister hat darauf gesetzt, dass der nächste Abschnitt zügig gebaut wird – die Stadt würde doppelt profitieren, läge sie doch am Autobahnkreuz A 20/A 7 und wäre höchst attraktiv für weitere Unternehmen. „Viele Menschen sind hierher gezogen, weil sie auf die schnelle Verbindung gesetzt haben“, sagt der Verwaltungschef.

Kütbach appelliert an die Verantwortlichen, nochmals über die Trasse nachzudenken. Schon vor Jahren habe Bad Bramstedt eine andere als die jetzige Variante favorisiert: von der A 20 auf die A 7, dort ein Stück nach Süden und erst bei Lentföhrden Richtung Westen. „Damit wäre der Verkehr näher an Hamburg dran. Doch die Trasse hätte dann über das für den Flughafen Kaltenkirchen vorgesehene und inzwischen geschützte Gelände geführt, was nicht gewollt war.“ Der jetzige Verlauf bringe einen gravierenden Nachteil für die Bramstedter: An der A 20 sollen Windräder gebaut werden – und zwar nach dem Motto: Die Autobahn bringe ohnehin schon Lärm mit sich, da seien die Windkraftanlagen nicht mehr so schlimm. Der Standort grenze aber unmittelbar an das Wohngebiet Bissenmoor.

Schwieriger, gegen Stromleitung zu kämpfen

Für Henstedt-Ulzburg verschärft sich durch das Gerichtsurteil ein Dilemma. Seit Jahren kämpft die Gemeinde – im Verbund auch mit Bürgern des ebenso betroffenen Kisdorferwohld – erbittert gegen den Bau einer 380-Kilovolt-Stromtrasse („Ostküstenleitung“), die im Bereich der Pinnauwiesen den Ort unterirdisch als Erdkabel queren soll. Eine Klage gegen einen Planfeststellungsbeschluss vor dem Bundesverwaltungsgericht wird in Erwägung gezogen. Das Problem: Mutmaßlicher Kern der Argumentation ist, dass die Stromtrasse entlang der A 20 gebaut werden müsse, da so die Emissionen in der Region gebündelt würden.

Der Netzbetreiber Tennet bekam vor einigen Monaten vom Land die Vorgabe, diese Option noch einmal zu untersuchen. Grundsätzlich hält das Unternehmen aber bislang an einem Korridor durch Henstedt-Ulzburg fest – und steht unter Zeitdruck, das Infrastrukturvorhaben realisieren zu müssen. In diesem Sinne wäre es für die Gemeinde hilfreicher gewesen, die A-20-Planung würde so schnell wie möglich vorangebracht.