Ellerau. Initiative spricht von Etappensieg. Anwohner müssen keine Gartenfläche abgeben. Bürgermeister zweifelt an effektiver Streckennutzung.
Für überschäumenden Jubel reichte die Nachricht nicht, aber doch für eine gute Portion Freude: „Wir haben zumindest einen Teilerfolg errungen“, sagte Markus Spiering, Vorsitzender Bürgerinitiative (BI) Bahnstraße in Ellerau. Fünf Jahre haben er und seine Mitstreiter gegen das zweite Gleis für die S-Bahn 21 gekämpft, das nun wohl auch endgültig vom Tisch ist.
Die zusätzlichen Schienen sollten auf rund 300 Metern Länge quasi durch ihre Gärten am Hamburger Weg verlaufen, rund 30 Anlieger hätten sich von drei bis vier Meter Grundstück verabschieden müssen – um das zu verhindern hatten sich Spiering und Co. zusammengeschlossen. „Wir haben nie lautstark Krawall gemacht, sondern immer sachlich argumentiert. Vielleicht hat diese Art des Protestes auch zum jetzigen Ergebnis beigetragen“, sagt der BI-Vorsitzende.
Am gestrigen Donnerstag verkündete das Abendblatt, das die Länder Schleswig-Holstein und Hamburg wohl auf den zweigleisigen Ausbau der künftigen S-Bahn-Strecke auf dem sensible Teilstück in Ellerau verzichten werden. Die bisherige AKN-Strecke soll elektrifiziert, eigentlich durchgängig zweigleisig ausgebaut und ins Hamburger S-Bahn-Netz integriert werden. Ziel ist, dass die S-Bahn von Aumühle bis Kaltenkirchen durchfährt. Bisher müssen die Pendler in Eidelstedt von der AKN in die S-Bahn umsteigen.
Anwohner fordern Akku-Züge statt Elektrifizierung
Nun haben nach Abendblatt-Informationen des renommierten Verkehrsplanungsunternehmens SMA mit Hauptsitz in Zürich festgestellt, dass der Nahverkehr auch mit der Elektrifizierung des eingleisigen Streckenstücks verbessert und mehr Pendler zum Umstieg vom Auto auf die Bahn animiert werden könnten. Dafür reiche es, dass das Umsteigen in Eidelstedt künftig entfallen wird.
Mit dem Etappensieg ist die Arbeit der BI Bahnstraße aber noch nicht beendet: „Uns macht auch die Elektrifizierung Sorgen“, sagt BI-Chef Spiering. Nach seiner Kenntnis müssten für die Strommasten Bäume und Büsche weichen, beispielsweise ein Baum auf dem Nachbargrundstück. Es sei auch möglich, dass die Masten für die Oberleitung nun in die Gärten gestellt werden, da es keine Fläche zwischen zwei Gleisen gibt. Mitglieder der Ellerauer BI haben mit Henstedt-Ulzburgern und Bönningstedtern einen Arbeitskreis gebildet – auch in den beiden anderen Gemeinden regt sich Widerstand gegen die Elektrifizierung. „Unser Favorit sind Akku-Züge“, sagt Spiering. Batteriebetriebene Züge werden zurzeit getestet. „Und nun kommt es auf zwei oder drei Jahre auch nicht mehr an, bis die S 21 tatsächlich vom Hauptbahnhof bis Kaltenkirchen durchfährt. Da kann man auch noch warten, bis die Akkutechnik serienreif ist“, sagt der Vorsitzende der Anwohner-Initiative.
Kaltenkirchens Bürgermeister Hanno Krause reagiert empört auf die neue Diskussion über die S-Bahn, die er für ein Infrastrukturprojekt für ganz Schleswig-Holstein hält. „Ich habe dafür kein Verständnis“, sagte er. Die S-Bahn müsse selbst dann kommen, wenn die Kosten-Nutzen-Rechnung ungünstig ausfalle.
In Zukunft immer mehr Menschen, die die Bahn brauchen
In Zukunft werde es in der Region mehr denn je auf den Öffentlichen Personennahverkehr ankommen. Die Zahl der Nutzer steige, die Orte wachsen zusammen, immer mehr Menschen wollen im Umland wohnen. „Es werden immer mehr Menschen kommen, die brauchen die Bahn“, sagte Krause. Ziel müsse es sein, immer mehr Fahrgäste in immer kürzerer Zeit zu transportieren.
Eingleisige Abschnitte können dieses Ziel nach Krauses Ansicht gefährden. Eine effektive Nutzung der Strecke sei nur sinnvoll, wenn sie durchgehend zweigleisig ausgebaut werde. Eine schnelle und moderne Schienenverbindung ohne Diesel sorge für mehr Lebensqualität und nutze der Wirtschaft. „Auch die Unternehmen fordern das“, sagt Krause und erinnert daran, dass ein Standortkriterium bei der Ansiedlung von Jungheinrich in Kaltenkirchen der nahegelegene Bahnhof Kaltenkirchen-Süd gewesen sei.
30-Minuten-Takt müsse her, besser noch 20-Minuten Takt
Krause rief die Fachleute im Kieler Verkehrsministerium und der Hamburger Wirtschaftsbehörde dazu auf, konsequent für die S 21 einzutreten. Es gehe jetzt nicht mehr darum, das Projekt infrage zu stellen, sondern umzusetzen. Davon werde auch die Region nördlich von Kaltenkirchen profitieren, die derzeit außerhalb des Berufsverkehrs nur im Ein-Stunden-Takt von der AKN bedient werde. „Das ist nicht mehr zeitgemäß“, sagt Krause. Der 30-Minuten-Takt müsse her, besser noch der 20-Minuten-Takt.
Die Bürgermeister von Quickborn und Ellerau wollten sich zum wahrscheinlichen Verzicht auf das zweite Gleis nicht äußern. „Ich wurde noch nicht offiziell informiert“, sagt Quickborns Verwaltungschef Thomas Köppl. Auch sein Ellerauer Kollege Ralf Martens will sich erst ein detailliertes Bild von der neuen Planungssituation machen.