Der Kuhhirte Gerd Gieseler litt im Juni 1681 an Fieber. Als er aus einer Quelle Wasser trank, verschwand das Fieber.
Ein harmloser Kuhhirte schaffte vor 337 Jahren per Zufall die Grundlage für eine der größten Spezialkliniken Europas: Hätte Gerd Gieseler im Juni 1681 kein Fieber gehabt und nicht aus gerade dieser Quelle getrunken, wäre aus Bad Bramstedt vermutlich nie der bekannte Kurort geworden – und niemals wären dort so viele Krankheiten gelindert oder geheilt worden.
Jenem Gerd Gieseler hat die Stadt Bad Bramstedt also den jetzigen Bekanntheitsgrad zu verdanken. Gedankt hat es ihm niemand: Der Name ist in den Jahrhunderten in Vergessenheit geraten, aber es gibt eine Chronik, in der die zufällige „Heldentat“ des jungen Mannes festgehalten wurde.
Der 18 Jahre alte Sohn des Bauern Bartelt Gieseler hütete auf dem Karkenmoor in Richtung Bimöhlen die Kühe seines Vaters, als er einen Fieberanfall bekam, sich ermattet unter eine Eiche setzte, um sich zu erholen und dabei nur wenige Meter weiter, am Fuße des Baumes, eine munter vor sich hin sprudelnde Quelle entdeckte. Gerd hielt seinen Hut auf, stillte seinen Durst und stellte schnell fest, dass Fieber und Mattigkeit schwanden.
Nach dem Trinken verschwand das Fieber
Das war kein großes Ereignis, also sprach er nicht darüber. Erst als die Frau des Nachbarn ebenfalls unter Fieber litt, erinnerte er sich und empfahl ihr, von dem Quellwasser zu trinken – auch sie wurde sofort gesund. Das sprach sich herum, denn die gute Frau Hambeck war viel gesprächiger als der junge Gerd.
Der Chronik nach sind „über 800 Lahme, Krüppel oder Blinde gekommen und von ihren Leiden genesen“. Es wird erzählt, sie sollen ihre überflüssigen Krücken in den Baum gehängt haben. Für die Heilkraft der Quelle gibt es übrigens heute noch einen Hinweis in Bad Bramstedt: Ein Altarleuchter in der Maria-Magdalenen-Kirche trägt die Inschrift „Anno 1681... ist Larenz Jessen, Kön.-Prov. Verwalter in Glückstadt, durch Gebrauch des Wassers von Quartan befreiet; verehret diese Leuchter zum Gedächtnis.“ Als Quartan wurde eine Fieberkrankheit bezeichnet.
Nach dieser ersten Begeisterung verlor die Quelle zunächst ihre Anziehungskraft. Erst 80 Jahre später, 1761, gab es ein erneutes Aufblühen. Jetzt beschäftigten sich auch Wissenschaftler und Behörden mit dem Phänomen des Heilwassers. Es wurde untersucht und eine Brunnenordnung erlassen, um den Andrang zu regulieren.
Über 800 Lahme und Blinde wurden geheilt
Aber erst 1810 stellte der Hamburger Baumeister Hübner den Antrag, am Ort eine Brunnenanstalt zu errichten. Inzwischen jedoch ging es nicht mehr nur um die Quelle auf dem Karkenmoor, sondern um neu entdeckte Quellen an der Lentföhrdener Aue, hinter der Hambrücke und auf einer Flur mit dem Namen Holenförd. Diese neuen Quellen befanden sich alle dort, wo heute das neue Kurhaus steht.
Aber so weit ist es 1810 noch nicht. Ob der von Baumeister Hübner empfohlene Brunnen jemals gebaut wurde oder nicht, lässt sich heute nicht mehr feststellen.
Der nächste Entwicklungsschritt ist 1879 festgehalten. Fast 200 Jahre nach Gerd Gieselers wundersamen Heilung erwirbt Bauer Matthias Heesch an der Osterau eine Wiese, die nach einer Überschwemmung plötzlich ganz in weiß gehüllt ist. Ein befreundeter Arzt erkannte, dass diese Färbung etwas mit dem Salzgehalt zu tun haben musste und empfahl, dort Bäder zu verabreichen. Der geschäftstüchtige Landwirt Heesch baute also einen Bretterverschlag und verabreichte kalte Solebäder.
Jetzt nahm die Sache endgültig Schwung auf. Neue Bohrungen, weitere Gebäude, Patienten kamen und wurden wirksam behandelt, sodass Linderung oder sogar Heilung eintraten. Bald bekam Matthias Heesch Konkurrenz, weil auch die Nachbarn ahnten, dass hier ein großes Geschäft in der Luft lag. 1911 entstand Behnckes Sol- und Moorbad.
1929 wurde das erste Kurhaus in Bad Bramstedt errichtet
Beide Bäder, Heesch und Behncke, wurden 1918 von Hamburger Interessenten gekauft, die auch gleich das Gelände der Sparkasse am Kurpark und den Rühgerpark mit erwarben. Der Kurbetrieb kam derart in Schwung, dass 1929 der Bau eines großzügigen Kurhauses in Angriff genommen wurde. Die Ortspolitiker hatten den Landesversicherungsanstalten den Kaiser-Wilhelm-Wald hinter der Hambrücke schlauerweise als kostenloses Baugelände angeboten. Ein kluger Schachzug, wie sich später herausstellte.
Wenige Jahre später wurde das „Kurhaus an den Auen“ erbaut und 1936 mit der Rheumaheilstätte verbunden. Heute ist daraus ein großer und moderner Komplex geworden, in dem jährlich Tausende von Patienten behandelt werden. Hätte Gerd Gieseler vor 337 Jahren nicht seinen fiebrigen Schwächeanfall gehabt und Matthias Heesch 200 Jahre später nicht per Zufall Salz an den Grashalmen seiner Wiese entdeckt – wer weiß, wie Bad Bramstedt heute aussehen würde...