Henstedt-Ulzburg. Der Henstedt-Ulzburger Maler Albert Christoph Reck will zurück nach Südafrika. Und sucht eine Bleibe für seine 3000 Bilder.

Das hat er ja nun gar nicht gern: Eine Frau hat seinen Bildern einen Malstil wie den eines Horst Janssen attestiert. „Sehen meine Bilder etwa aus wie von Janssen?“, fragt Albert Christoph Reck empört. Er hat Horst Janssen gut gekannt, er war sein Kommilitone. Und auch der von Vicco von Bülow alias Loriot. Damals, von 1949 bis 1951 in der Landeskunstschule Hamburg, in der Klasse Alfred Mahlaus. Horst Janssen und Loriot leben nicht mehr. Albert Christoph Reck feiert am heutigen Mittwoch seinen 96. Geburtstag. Mit seinen Töchtern, Söhnen und Enkelkindern. Und seiner Ehefrau Maria-Louise.

„Schon Oskar Kokoschka sagte in Salzburg zu mir, die musst du festhalten“, erinnert sich Albert Reck und schaut seine jetzt 83 Jahre alte Ehefrau immer noch verliebt von der Seite an. Modell hat sie ihm gestanden, mit dem damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss hat sie im Casino Baden-Baden geplaudert, Papst Paul Johannes hat sie mit dem dortigen Bischof Nglowo im südafrikanischen Swasiland empfangen, sie war und ist seine Seele. Der Maler ist ein wandelndes Geschichtsbuch, und auf jeder Seite stehen illustre Namen des vorigen Jahrhunderts, sind spannende Erlebnisse verzeichnet.

Das Bild „Sie segelten zum Nordmeer, zu der Insel des Gelben“ malte Albert Christoph Reck in den 50er-Jahren
Das Bild „Sie segelten zum Nordmeer, zu der Insel des Gelben“ malte Albert Christoph Reck in den 50er-Jahren © Heike Linde-Lembke | Heike Linde-Lembke

1954 hat er seine große Liebe geheiratet, sieben Kinder hat das Paar. 1958 zogen die Recks nach Harksheide, heute ein Norderstedter Stadtteil. Er stellte in der Hamburger Kunsthalle aus, dann bauten sie 1961 in Henstedt-Ulzburg ein Haus, Tochter Genoveva wurde geboren, die heute mit einer Archivarin sein umfangreiches Werk von mehr als 3000 Bildern listet. Im Gespräch ist eine Dauer-Ausstellung auf Schloss Gottorf vor Schleswig.

Doch in den 60er-Jahren wurde ihm, der in Krappnitz in Oberschlesien, heute Polen, geboren wurde, das Dorf vor Hamburg zu eng, und die Mit-Studenten gingen ihm mit ihrem Geltungsbedürfnis reichlich auf die Nerven. Er ging. Ein Schiffsreise-Stipendium des Kulturkreises des Bunds der deutschen Industrie, BDI, ermöglichte den Recks 1962 die Fahrt nach Südafrika. Zeitgleich wurde Sohn Bernhard Valentin geboren. Dieses faszinierende Land an der Spitze des Schwarzen Kontinents ließ ihn nie mehr los. Bis heute nicht. 1963 zog die junge Familie ganz nach Südafrika, wo Tochter Maria-Anna Alexandra zur Welt kam.

„Ich bin in Südafrika ein Nativ geworden, ein Einheimischer, das werde ich hier nie wieder“, sagt Albert Reck. In Swasiland in Südafrika wurde die Reck-Familie liebevoll aufgenommen, als „alle anderen Weißen nach dem Ende der Apartheit aus dem Land geworfen wurden“, sagt Reck.

40 Jahre später kehrte die Familie nach Hamburg zurück, 2006 überließ ihm der Hamburger Senat ein Atelier im Künstlerhaus Sootbörn in Niendorf, 2012 zog er mit seiner Ehefrau wieder nach Henstedt-Ulzburg. Zwar war sein eigenes Haus inzwischen verkauft, doch er fand am Quellenweg eines zur Miete. Vor einem Jahr aber meldete die Besitzerin Eigenbedarf an, die Recks zogen vorübergehend ins Kloster Nütschau, bis ihre Wohnung in einer Niendorfer Senioren-Residenz bezugsfertig war.

Doch das reglementierte Leben in dieser Residenz behagt dem freien Reck-Geist gar nicht, gleichwohl er in zehn Minuten in seinem Atelier am Sootbörn ist. Zu Fuß wohlgemerkt.

Auch zur Alsterquelle wanderte er gern mit seiner Ehefrau. Er nahm die wechselnden Landschaften während der Jahreszeiten mit den Augen auf, setzte sie im Atelier auf der Leinwand ebenso um wie viele andere Motive der Alsterregion.

Reck ist nie einem Plauderstündchen mit seinem Kollegen Ahmadjan Amini aus Afghanistan abgeneigt
Reck ist nie einem Plauderstündchen mit seinem Kollegen Ahmadjan Amini aus Afghanistan abgeneigt © Heike Linde-Lembke | Heike Linde-Lembke

„Doch Henstedt-Ulzburg hat mich nicht anerkannt, ich bin dort wieder ausgerissen, wie ich in den 60er-Jahren aus Deutschland ausgerissen bin, und ich will jetzt auch wieder aus diesem Land ausreißen, heim nach Südafrika“, sagt Albert Reck. Swasiland heißt sein Sehnsuchtsort. Dort baute er mit seiner Ehefrau ein Kunstzentrum auf. Maria-Louise Reck ist Webmeisterin und gründete eine Weberschule.

„Hier muss ich immer Theater spielen. Dort sind wir anerkannt, dort empfängt man uns mit Freude“, sagt Reck. Und: „Wo ich jetzt wohne, halte ich es nur aus dank meiner Frau. Ich dachte, ich könnte hier wieder ankommen, doch hier gibt es keine Einheit, keinen Respekt, und deshalb will ich wieder mit meiner Frau und Familie auswandern.“ Denn seine Familie müsse um ihn sein: „Ich bin ein Familienmensch, wenn meine Familie nicht um mich ist, mache ich nur noch traurige Sachen.“

Seine deutschen Heimaten haben ihn stets enttäuscht. In Henstedt-Ulzburg war ein Reck-Museum geplant für seine Werke, aber die Gemeinde lehnte ab – Angst vor den Folgekosten.

Bestand hat indes noch die Reck-Stiftung für sein umfangreiches Oeuvre. Doch dem Reck-Werk geht es ebenso wie vielen Werknachlässen – es besteht kaum Nachfrage. Ende des Jahres will er sein Atelier im Künstlerhaus Sootbörn aufgrund der Feuchtigkeit in den Räumen verlassen, und sucht nicht nur für sich und seine Ehefrau, sondern auch für seine 3000 Bilder eine neue Heimat. „Am liebsten alle nach Swasiland“, sagt Tochter Genoveva Reck-Thomas.

„In Swasiland will ich wieder Albert Christoph Reck werden“, sagt der Künstler. Dort würde das ganze Dorf auf ihn warten. Auch sein Sohn Bernhard und seine Tochter Renata.

Viele Auszeichnungen hat er entgegen genommen, hat seine Werke in aller Welt ausgestellt. Nur in seiner Heimat Henstedt-Ulzburg blieb er fremd.