Norderstedt. Die Stadt will ihre hauptamtliche Wachabteilung aufstocken. Die Aspiranten müssen viele Voraussetzungen erfüllen
Das Gespräch am Vormittag hat gerade erst begonnen, als im feuerwehrtechnischen Zentrum an der Stormarnstraße der Gong ertönt. Norderstedts Gemeindewehrführer Fabian Wachtel blickt auf seinen Pieper. „Ich muss los.“ Kurz darauf schrillt die Sirene, die hauptamtliche Wachabteilung rückt aus zu einem Gebäude in Glashütte. Nur wenige Augenblicke vergehen von der Alarmierung bis zu dem Moment, an dem das Löschfahrzeug in Bewegung ist. Als Wachtel eine knappe Dreiviertelstunde später zurück ist, gibt er Entwarnung. „Druckschwankungen in einer Sprinkleranlage“, sagt er. Routine also. Doch Fälle wie dieser verdeutlichen die Bedeutung der hauptamtlichen Wachabteilung, die nun aufgestockt werden soll, sodass nicht wie bisher stets sechs Personen, sondern künftig acht Feuerwehrleute vor Ort sind.
Die „HAW“, wie sie intern bloß genannt, ist ein Sonderfall, nur Brunsbüttel hat in Schleswig-Holstein eine vergleichbare Abteilung. Wer hier tätig ist, ist zugleich Mitarbeiter der Stadt und dort als Beschäftigter im öffentlichen Dienst dem Amt für Feuerwehr, Rettungsdienst und Katastrophenschutz zugeteilt. „Die Anfänge gab es schon 1972“, sagt Amtsleiter Joachim Seyferth, „aber in anderer Konstellation, es waren in erster Linie Melde- und Gerätewarte.“ Wenn es einen Einsatz gab, rückten diese eben mit aus. „Irgendwann sind wir zu der Erkenntnis gekommen, zumindest für tagsüber eine hauptamtliche Wachabteilung zu bekommen.“ Es ging darum, die ehrenamtlichen Wehren zu entlasten bei „kleinen Sachen“, so Seyferth. „Türöffnungen oder Verkehrsunfälle, bei denen Betriebsstoffe auslaufen.“ Unterstützt wird die HAW durch eine Rathauswehr. Den „Joker“, sagt der Amtsleiter. Dabei handelt es sich um derzeit elf Verwaltungsmitarbeiter, die privat in anderen Wehren aktiv sind, etwa in Kisdorf oder Groß Niendorf. Sie haben im Rathauskeller Spinde, werden bei Bedarf freigestellt.
Im Bewusstsein der Bevölkerung verankert ist allerdings die klassische freiwillige Feuerwehr. Deren Mitglieder arbeiten ganz regulär – und wenn es einmal brennt, brechen sie sofort auf, lassen den Job ruhen und eilen zur Wache. Das Problem heutzutage: Oftmals ist schon die Hälfte der achtminütigen Hilfsfrist verstrichen, ehe alle Kameraden eingetroffen sind. Da ist es praktischer, eine stets verfügbare Truppe in zentraler Lage zu haben, die binnen Sekunden bereit ist. Von Montag bis Freitag ist die Wachabteilung besetzt, immer ab 7 Uhr, viermal bis 16 Uhr, einmal bis 12 Uhr. „Hier an der Stormarnstraße gibt es verschiedene Dienste. Primär die Feuerwehreinsätze, aber auch Verwaltungstätigkeiten oder Werkstattdienst“, so Fabian Wachtel.
Mit einer Stellenausschreibung suchte die Stadt bis gestern nach neuen Mitarbeitern für die HAW. Die Anforderungen sind hoch. „Man bewirbt sich auf einen anspruchsvollen und verantwortungsvollen Job“, sagt Joachim Seyferth. „Es gehören viel Idealismus und viel Engagement dazu, das ist kein Job von der Stange. Wir wissen nie, was uns an einem Tag erwartet. Die Feuerwehrleute werden mit Dingen konfrontiert, die nicht jedermanns Sache sind.“ Wer sich in Norderstedt bewerben möchte, muss viel Fachwissen mitbringen. „Man muss eine abgeschlossene Berufsausbildung haben. Jemand direkt von der Schule nützt uns nichts.“ Dazu nötig: eine abgeschlossene Ausbildung zum Truppmann oder zur Truppfrau, eine weitere zum Tragen einer Atemschutzausrüstung, mindestens zwei Jahre Einsatzerfahrung bei einer freiwilligen Feuerwehr, möglichst eine abgeschlossene Ausbildung zum Rettungssanitäter und ein Führerschein der Klasse C/CE.
Eine Berufswehr ist aus Sicht der Fachleute nicht nötig
Die körperliche Verfassung muss sowieso einwandfrei sein. Überprüft wird das mittels eines Sporttests – erst danach gibt es ein Vorstellungsgespräch. Zwischen Männern und Frauen wird nicht unterschieden. „Der Sporttest ist für beide Seiten gleich. Das Feuer ist es ja auch“, so Seyferth. „Wer mit einer 17 Kilogramm schweren Atemschutzausrüstung in den sechsten Stock laufen muss, muss eine gewisse Fitness mitbringen.“
Oftmals sind Bewerber zuvor bereits ehrenamtlich in einer Wehr gewesen. So wie Jan-Niklas Perrey, der seit zwei Jahren in der HAW ist. „Mit zehn Jahren war ich bei der Jugendwehr, mit 18 Jahren im Einsatz. Eigentlich war das seit der Kindergartenzeit mein Wunsch – so wie andere eben Polizist werden wollen.“ Trotzdem machte der 25 Jahre alte Uetersener zunächst eine Lehre zum technischen Zeichner. Ein Beruf, der ihm irgendwann zu langweilig war. „Ich wollte etwas draußen erleben.“
Norderstedt ist ein komplexes Einsatzfeld. Eine stetig wachsende Kommune, der Verkehr nimmt zu, immer mehr Unternehmen siedeln sich an. Ab 80.000 Einwohner ist gesetzlich in Schleswig-Holstein eigentlich eine Berufswehr Pflicht. Die Stadt prüft, sich von dieser Vorgabe befreien zu lassen und den Status quo beizubehalten. Joachim Seyferth: „Solange der Brandschutz sichergestellt ist, gibt es keinen Grund, davon abzuweichen.“ Und er bekräftigt: „Es wäre ein Trugschluss zu glauben, dass eine Berufswehr ohne eine freiwillige Feuerwehr funktionieren würde.“