Elmshorn. Wer die Notrufnummern 110 oder 112 wählt, landet jetzt in einem neuen 27,4 Millionen-Euro-Bau in Elmshorn mit modernster Technik.

Nach drei Jahren Bauzeit wird die neue Rettungsleitstelle für Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei in Elmshorn Anfang Juli ihren Betrieb aufnehmen. Dann wird von dort aus in der Agnes-Karll-Allee für die Sicherheit für fast einer Million Menschen in den vier Kreisen Pinneberg, Segeberg, Steinburg und Dithmarschen gesorgt. Das Abendblatt durfte vorab einen Blick in den dreigeschossigen Neubau werfen, in den der Kreis Pinneberg 27,4 Millionen Euro samt Technik investiert hat.

Die neue Leitstelle von außen
Die neue Leitstelle von außen © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Die 110 Mitarbeiter der kreisübergreifenden Leitstelle werden hier mit der modernsten Technik in drei Arbeitsschichten die 250.000 jährlich einlaufenden Notrufe bearbeiten und alle Einsätze der Rettungskräfte organisieren. Wer die Polizei unter dem Nutruf 110 anruft, weil er einen Einbruch melden oder eine Ruhestörung anzeigen will, wird künftig von den 60 Mitarbeitern der Polizeidirektion Bad Segeberg bedient. Die Rettungswagen der Rettungsdienstkooperation in Schleswig-Holstein, die von Heide bis Pinneberg mit dem Feuerwehrnotruf 112 zu erreichen ist, um Unfallopfer von der Straße oder den Herzinfarkt-Patienten von zu Hause so schnell wie möglich in das nächste Krankenhaus zu bringen, werden hier ebenfalls koordiniert. Wie die reinen Krankentransporte, die unter der Rufnummer 04121/192 22 zu erreichen sind.

„Nach fünf Jahren Planung kann es jetzt mal fertig werden“, sagt Stephan Bandlow, der für den Kreis Pinneberg in der neuen Leitstelle-West zuständig ist. Letzte Malerarbeiten werden zurzeit noch in dem Gebäude mit seinen 60 Räumen auf 4126 Quadratmetern Nutzfläche vorgenommen. Die aufwendige Technik, die allein 5,4 Millionen Euro kostet, für den Digitalfunk, Datenbank und das Alarmsystem sind bereits angeschlossen, betont Michael von Malottki, der für die Polizei in der Leitstelle verantwortlich ist. Eine Anlaufphase oder gar einen Fehlstart können sich die Behörden nicht leisten. Dafür steht hier zu viel auf dem Spiel, jede Verzögerung kann lebensgefährlich sein.

Bei großen Lagen tagt hier der Führungsstab des Katastrophenschutzes unter Leitung des Landrats
Bei großen Lagen tagt hier der Führungsstab des Katastrophenschutzes unter Leitung des Landrats © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Darum ist in der nun modernsten Rettungsleitstelle in Schleswig-Holstein auf alles geachtet worden. Die großen hellen Räume sind lichtdurchflutet. Die Arbeitsplätze mit jeweils fünf kleineren und einem großen Bildschirm sind nach den neuesten ergonomischen Erkenntnissen eingebaut worden. Die Tische sind höhenverstellbar. Klima und Lüftung sind so eingestellt, dass es zu keiner Zugluft kommt. Sensoren regeln die künstliche Beleuchtung je nach Einfall des Sonnenlichts, das von oben und von vorn kommt. „Auch bei uns herrscht ein Fachkräftemangel“, sagt Bandlow. Seine Leitstelle konkurriere um die nötige Anzahl an Disponenten mit den anderen sieben Leitstellen im Land. „Da muss der Arbeitsplatz schon attraktiv sein.“

Doch das wichtigste Neue ist wohl die Möglichkeit des gegenseitigen Austauschs zur Beratung zwischen Polizei, Feuerwehr und Rettungskräften, wie sie in der alten Leitstelle so nicht gegeben war. Vor allem bei schweren Lagen wie zum Beispiel der Gasexplosion vor vier Jahren in Itzehoe oder den Starkregenfällen vor einigen Wochen in Quickborn, als die Leitstelle 350 Anrufe in der Stunde erhielt, können jetzt viel besser und in aller Ruhe bearbeitet und koordiniert werden. Erst im Nachhinein zeige sich oft, dass eine bessere Absprache zwischen den Institutionen Zeit gespart und die Einsätze viel besser koordiniert hätte, erklärt von Malottki.

Völlig neu ist darum auch ein eigens dafür hergerichteter Lage-Raum mit vier Arbeitsplätzen und einer Kameraüberwachung, bei dem die Disponenten ihre Arbeit beurteilen, gemeinsam besprechen und so optimieren können. Es komme vor, dass bestimmte Informationen zu spät weitergegeben würden, der Informationsfluss verbessert werden könnte, erklärt Bandlow. Das soll jetzt mit Hilfe des neuen Schulungsraumes zum Wohle der Sicherheit der Bevölkerung in vier Kreisen geschehen.

So wird das Projekt finanziert

Investor und Eigentümer der neuen Kooperativen Rettungsleitstelle West ist der Kreis Pinneberg. Er hat die 22 Millionen Euro für das Gebäude in Elmshorn und 5,4 Millionen Euro für die Technik investiert. Die bisherige Leitstelle wies erhebliche Baumängel auf.

Finanziert wird die Investition durch die verschiedenen Aufgaben, die sie erfüllt. So tragen die Krankenkassen etwa 60 Prozent der Kosten für alle Rettungsdiensteinsätze in den Kreisen Pinneberg, Steinburg, Dithmarschen und Rendsburg-Eckernförde.

Die verbleibenden 40 Prozent des kommunalen Teils teilen sich zu jeweils 25 Prozent die Kreise Steinburg und Dithmarschen und zur Hälfte der Kreis Pinneberg. Das Land wiederum finanziert den Teil der Polizei, die auch ihre Räume mieten muss.

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In Katastrophenlagen, wenn der Elbdeich bricht oder radioaktive Strahlung aus einem Atomreaktor austritt, kann jetzt in aller Schnelle und mit hochmodernster Kommunikationstechnik der Führungsstab zusammentreten. Sogar für die Kommunikation mit Geiselnehmern und die Beobachtung der sozialen Medien sind eigens Räume geschaffen worden.

Letzte Pinselstriche vor der Einweihung
Letzte Pinselstriche vor der Einweihung © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Die für solche Lagen in Frage kommenden 40 Polizeibeamten, die aus den Dienststellen hierher abgezogen würden, wüssten schon jetzt, welche Telefondurchwahl, E-Mailadresse oder Faxnummer sie hätten, sagt von Malottki. Für den Kreis Pinneberg „eine Art Quantensprung“, so Kreissprecher Oliver Carstens. „Noch vor wenigen Jahren hätten wir dafür erst Rechner und Telefone im Kreishaus installieren und aufbauen müssen“. Die alte Leitstelle, die nur 300 Meter Luftlinie entfernt an der Wittenberger Straße liegt, entsprach längst nicht mehr den technischen Anforderungen und platzte aus allen Nähten. Zur Sicherheit wird aber dort noch nicht alles abgebaut, damit bei einem Ausfall auf die alte Technik zurückgegriffen werden kann.