Es ist kein Zufall, dass diese Bäume in Schleswig-Holstein massenweise gepflanzt wurden: Sie waren das Symbol für Zusammengehörigkeit

Eichen mit zwei Stämmen gibt es in Norderstedt nicht mehr. Aber in Hen­stedt-Ulzburg auf dem Gelände des alten Feuerwehrhauses in Götzberg und in Wakendorf II mitten im Ort an der Kreuzung Naher Straße/Wilstedter Straße/Henstedter Straße stehen Doppeleichen, deren Stämme im unteren Teil zusammengewachsen sind, aber eine gemeinsame Krone bilden. Diese Eichen werden heute kaum noch beachtet – und nur wenige kennen das Geheimnis dahinter: Die Eichen sind ein fester Bestandteil der schleswig-holsteinischen Geschichte. In vielen Ortswappen und -flaggen tauchen sie auf – im Kreis Segeberg zum Beispiel im Ortswappen der Gemeinde Itzstedt.

Es ist kein Zufall, dass diese Bäume im vorletzten Jahrhundert in Schleswig-Holstein massenweise gepflanzt wurden: Sie waren das Symbol für die Zusammengehörigkeit der Herzogtümer Schleswig und Holstein. In der siebten Strophe des Schleswig-Holstein-Liedes heißt es:

„Teures Land, du Doppeleiche,
unter einer Krone Dach,
stehe fest und nimmer weiche,
wie der Feind auch dräuen mag!
Schleswig-Holstein, stammverwandt,
wanke nicht, mein Vaterland!“


Der Barmstedter Advokat und Staatsanwalt Matthias Friedrich Chemnitz hat diesen Text 1844 geschrieben. Seine Hymne hatte ursprünglich den Titel „Wanke nicht, mein Vaterland“, wurde später jedoch als „Schleswig-Holstein meerumschlungen“ bekannt. Die Melodie stammt von Carl Gottlieb Bellmann (1772–1862), dem Kantor des St.-Johannis-Klosters vor Schleswig.

Hintergrund dieser doppelten Eichen sind die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Dänisch- und Deutschgesinnten im 19. Jahrhundert. Die Doppeleiche wurde in diesem Zusammenhang zu einem Symbol für das deutsche Beharren auf den Vertrag von Ripen von 1460, wonach Schleswig und Holstein „up ewig ungedeelt“ bleiben sollten. Das Zusammenwachsen zweier Eichenstämme, die eine gemeinsame Krone bilden, spielte auf diese Passage des Vertrags an. So wie eine Doppeleiche nicht ohne Schaden getrennt werden kann, sollte Schleswig-Holstein nur als ungeteiltes Ganzes bestehen können. Dem standen allerdings Bestrebungen dänischer Liberaler entgegen, Schleswig als dänisches Lehen unter Abgabe von Holstein in einem zukünftigen dänischen Nationalstaat zu integrieren.

Am 24. März 1898 jährte sich der Beginn des ersten Schleswig-Holsteinischen Krieges zum fünfzigsten Mal. Aus diesem Anlass wurden Hunderte von Doppeleichen gepflanzt, um den nationalen Gedanken in Schleswig-Holstein zu pflegen. Von dem landestypischen Motiv Schleswig-Holsteins ist häufig nur noch der Name geblieben: Es gibt Gasthäuser, Vereine und Bushaltestellen unter der Bezeichnung Doppeleiche. Aber etwa 100 „echte“ Doppeleichen aus dem 19. Jahrhundert stehen in Schleswig-Holstein tatsächlich noch.

Wer die schleswig-holsteinische Geschichte kennt, weiß, dass erst am 6. Juli 1920 ein Übertragungsvertrag in Paris geschlossen wurde, der das nördliche Schleswig Dänemark zusprach und den südlichen Teil Deutschland.

Die eiserne Gedenktafel lagert vermutlich im Stadtmuseum

In Norderstedt gab es mindestens eine Doppeleiche – und zwar im Schulstieg im Bereich der Müllerstraße im Ortsteil Glashütte. Am Rand des früheren Schulhofs nördlich der Volksschule Glashütte wies eine eiserne Gedenktafel, die an den sich gabelnden Stämmen befestigt war und später mit ihnen verwuchs, auf die Pflanzung im Jahre 1898 hin. Irgendwann in den 1980er-Jahren wurde der Baum gefällt – so wie damals viele Bäume im Bereich Müllerstraße. Die eiserne Gedenktafel wurde in einer alten Garage aufbewahrt und wäre vermutlich auf dem Sperrmüll gelandet, wenn nicht Birgit Delfs und Regina Lemburg von der Betreuungseinrichtung an der Grundschule Glashütte auf sie aufmerksam geworden wären. Der Norderstedter Fotograf und Heimatforscher Wolfgang Zachau hatte sie darauf hingewiesen, dass die Tafel irgendwo lagern musste. Er hatte in seinem Archiv noch Original-Fotos von der Doppeleiche mit der eingewachsenen Gedenktafel.

Da das Norderstedter Stadtmuseum großes Interesse an diesem historischen Fund bekundete, wurde die Gedenktafel am 6. April 2010 von 36 Kindern der Betreuungseinrichtung dem damaligen Leiter des Stadtmuseums, Manfred von Essen, überreicht. Zu sehen war die Tafel im Museum bisher allerdings noch nicht.

Außer in Henstedt-Ulzburg und Wakendorf II stehen Doppeleichen im Kreis Segeberg heute noch hinter dem Roland auf dem Bleeck in Bad Bramstedt, in Bornhöved, in Itzstedt, Sievershütten und Heidmühlen. Die Doppeleiche in Wakendorf II scheint sogar einzigartig zu sein: Im Frühjahr wachsen die Blätter zunächst auf dem linken Teil der Baumkrone, später auf dem rechten. 1950 erschien darüber ein Artikel in der „Segeberger Zeitung“, den der Hen­stedt-Ulzburger Archivar Volkmar Zelck aufbewahrt. Darin wird das Geheimnis des kleinen „Naturwunders“ gelüftet: Links wurde eine Stil- oder Sommereiche gepflanzt, rechts eine Stein- oder Wintereiche, die später Blätter bekommt und sie auch später verliert.

An der Ecke Hamburger Straße/Lindenstraße in Henstedt-Ulzburg, auf dem Gelände der Kreuzkirche, steht ebenfalls noch eine Doppeleiche, die heute allerdings nicht mehr als solche zu erkennen ist: Die Stämme sind im Laufe der Jahrzehnte so zusammengewachsen, dass sie einen gemeinsamen Stamm bilden. Und das wäre ja vermutlich auch ganz im Sinne der fünf Kriegsveteranen, die diese Doppeleiche am 24. März 1898 gepflanzt haben: Schleswig-Holstein, vereint und „up ewig ungedeelt...“