Bad Segeberg. Gangsterin Christine Neubauer feierte nach der Karl-May-Premiere mit Freund José Campos. Auch das WM-Spiel gegen Schweden war ein Thema
Vor wenigen Minuten noch hat sie sich im Sand gewälzt und mit der Pistole um sich geschossen. Kurz nach Mitternacht aber steht sie im modischen Kleid auf der Veranda des Saloons und nimmt Glückwünsche entgegen: Christine Neubauer feiert frisch und adrett in ihren 56. Geburtstag hinein. Von der körperlichen Anstrengung, die sie als fiese Judith Silberstein bei der Premiere der Karl-May-Spiele in dem Stück „Winnetou und das Geheimnis der Felsenburg“ vollbringen muss, keine Spur mehr. Lebensgefährte José Campos nimmt sie in die Arme, Karl-May-Geschäftsführerin Ute Thienel überreicht eine Geburtstagstorte und ein Fotoporträt, das die Darstellerin in Westernkleidung zeigt.
Dann stellt sie sich, ganz Profi, für die Fotografen in Positur und lässt sich trotz des Andrangs nicht aus der Ruhe bringen. Ihr Portugiesischer Wasserhund Gismo, den José Campos mit zur Premierenfeier gebracht hat, sitzt derweil ruhig unter der Bank und wartet, bis Frauchen sich zu ihm und den anderen Geburtstagsgästen setzt.
Als Gaststar hat Christine Neubauer alle in Erstaunen versetzt: Die vielfach ausgezeichnete TV-Schauspielerin prügelt, schießt, flucht, reitet, wälzt sich im Sand und küsst mal diesen, mal jenen Westernhelden, agiert mit vollem körperlichen Einsatz, wobei sie bis zum Ende der Vorführung keine Ermüdungserscheinungen zeigt.
„Das war schon eine tolle Leistung“, muss auch Landrat Jan Peter Schröder zugeben, der sich bei der Premierenfeier mit Fleisch vom Grill stärkt. Tatsächlich hat es in der Segeberge Karl-May-Geschichte bisher wohl keine Darstellerin gegeben, von der so viel Action gefordert wurde. Als hintertriebene Gangsterin kann sich Schauspielerin Christine Neubauer dabei noch nicht einmal über die Gunst des Publikums freuen. Trotzdem bekommt sie natürlich viel Applaus.
Während es Christine Neubauer, die auch abseits der Bühne oder der Kamera die große Geste beherrscht, gewohnt ist, im Mittelpunkt zu stehen, ist der zweite Gaststar, Joachim Horst, ein ganz anderer Typ. Auf der Bühne spielt er einen ebenso durchtriebenen Fiesling wie seine Schauspiel-Kollegin – und das macht er wirklich großartig. Nach der Premiere aber sitzt er zurückgezogen und kaum beachtet inmitten seiner Kollegen. Sein Sohn und Ehefrau Tina sind bei ihm und freuen sich still über den Erfolg der Premiere. Dieser Mann bringt eine große Aura auf die Bühne, privat aber fällt er nicht mehr auf als der Handelsvertreter von nebenan. Große Schauspieler müssen also nicht immer im Mittelpunkt stehen.
Joshy Peters ist ein Meister der Improvisation. Als vor einigen Jahren während der Premiere das Rad einer Kutsche zerbrach, verblüffte er das Publikum mit dem trockenen Spruch „Augen auf beim Kutschenkauf“, bei der Premiere am Sonnabend erlöst er die Zuschauer von einem kurzfristigen Schock: „Deutschland hat gerade den Ausgleich geschossen“, verkündet Old Shatterhand kurz und schmerzlos beim Einritt in die Hazienda am oberen rechten Bühnenrand. Das Endergebnis wird dann in der Pause gegen 22 Uhr verkündet – allerdings nicht von Joshy Peters, sondern von Produktionsleiter Stefan Tietgen aus dem Regieturm.
Daniel Günther kennt die Karl-May-Spiele sehr gut: Als Kind und Jugendlicher war er Stammgast, als Ministerpräsident ist er zum ersten Mal dabei. Er gibt den Startschuss für die Karl-May-Saison 2018 und klärt die Zuschauer auf, dass er angesichts der Regierungskrise in Berlin am liebsten eine Friedenspfeife gekauft hätte, weit und breit aber keine entdecken konnte. „Aber an den Ständen da oben gibt es ja leider nur Kriegsbeile.“ Und die habe er angesichts der politischen Lage lieber nicht kaufen wollen. Das Publikum quittiert diese Aussage mit Beifall.
Der Kieler Regierungschef ist von der Premiere angetan und spricht nach der Aufführung mit Kabinettsmitgliedern im VIP-Zelt: Innenminister Hans-Joachim Grote und Finanzministerin Monika Heinold, die sich allerdings frühzeitig verabschiedet, sitzen mit am „Regierungstisch“, an dem weiter hinten auch Segebergs Bürgervorsteherin und Bürgermeister Platz genommen haben. Hans-Joachim Grote und Ehefrau Doris sind übrigens Stammgäste in Bad Segeberg: Auch während der Norderstedter Bürgermeisterzeit haben beide kaum eine Premiere ausgelassen. Claus-Peter Dieck, der frisch gewählte Kreispräsident, nimmt als Gast an der Premiere und der Premierenfeier teil, obwohl er Geburtstag hat. So viel Disziplin muss sein. Bereut hat er es offenbar nicht: „Das hat heute Spaß gemacht.“
Winnetou-Darsteller Jan Sosniok hat wie immer Ehefrau Nadine an seiner Seite. Er verlässt das Partyzelt vorübergehend, um zum Saloon zu schlendern, wo Kollegin Christine Neubauer mit ihrer Geburtstagsgesellschaft inzwischen friedlich und unbehelligt sitzt. Als er ihr gratuliert, bleibt das allerdings nicht unbemerkt: Sofort stürzen sämtliche Fotografen herbei, um dieses „Ereignis“ festzuhalten.
Erst als der Manager von Christine Neubauer ein „Reserviert“-Schild vor die Köpfe der beiden Schauspieler hält, machen die Fotografen Pause, die private Feier kann weitergehen. Im VIP-Zelt, wo alle anderen Darsteller, Regisseur Norbert Schultze jr. und sonstigen prominenten Gäste sitzen, lässt sich Christine Neubauer in dieser Nacht übrigens nicht sehen. Ihre eigene Geburtstagsfeier geht vor.