Sie sind „U30“, gewannen auf Anhieb ihre Wahlkreise: Vier Nachwuchspolitiker aus Norderstedt und Henstedt-Ulzburg stellen sich vor.
Es ist ja irgendwie paradox. Überspitzt gesagt, vertreten Patrick Pender (21) und Lasse Jürs (23) aus Norderstedt sowie die Henstedt-Ulzburgerinnen Jasmin Krause (20) und Annika Ahrens-Glismann (28) eine Altersgruppe, die sich bei Kommunalwahlen nur sehr spärlich beteiligt. Sie sind „U30“, jünger als 30 Jahre alt, hätten mit Studium und Beruf eigentlich genug zu tun, um ausgelastet zu sein. Trotzdem stellten sich die Vier am 6. Mai erstmals zur Wahl – und gewannen prompt ihre Wahlkreise direkt. Das Hamburger Abendblatt hat mit den Newcomern über ihren politischen Werdegang gesprochen und darüber, welche Ziele sie sich gesetzt haben.
CDU-Talent Patrick Pender war einst bei den Jusos
Patrick Pender gibt es sofort zu. „Ich habe eine rote Vergangenheit.“ Er war gerade einmal 14 Jahre alt, da nahm ihn Tobias Schloo – heute ein SPD-Stadtvertreter – mit zu den Jusos. Eine Junge Union, also die Nachwuchsorganisation der CDU, war seinerzeit in Norderstedt nicht aktiv. Als sich das änderte, wechselte Pender als 18-Jähriger die Seiten. „Ich möchte pragmatische Politik machen. Politik am Bürger und mit dem Bürger.“ Und das könne eben die CDU am besten. „Sie ist sehr offen für die Meinungen von jüngeren Mitgliedern.“
Er bezeichnet sich als „wertekonservativ, nicht strukturkonservativ“. Familie, Schule, Bildung, eine Leistungsgesellschaft, das ist ihm wichtig. Nach seinem Abitur am Gymnasium Harksheide ging er an die Nordakademie in Elmshorn, absolviert dort ein duales Studium – also mit Berufspraxis, und zwar beim Weltkonzern BP.
Im Wahlkampf hat er, so ist zumindest sein Gefühl, mit Offenheit gepunktet. „Wer Politik machen will, muss den Willen haben, zum Bürger zu gehen. Die Leute haben dann Nachfragen gestellt und mich verbal gepackt.“ Er versprach den Menschen in Glashütte, wo er antrat und gewann, ihre Anliegen nicht zu vergessen, sondern im Rathaus einzubringen. „Ich hoffe, meine eigenen Forderungen, aber auch die aus meinem Wahlkreis umsetzen zu können und Mehrheiten zu finden.“
Dort sieht er den Sinn der Lokalpolitik. Denn: „Die Verwaltung steuert und managt – die Politiker müssen gestalten. Wenn ein Bürger ein Anliegen hat, dann gibt es die Möglichkeit, dass eine Partei, ein Stadtvertreter dieses aufnimmt.“
Und deswegen will er gleich die dicksten Bretter bohren – er möchte in zwei Ausschüsse gewählt werden: Stadtentwicklung und Verkehr sowie Schule und Sport. Es sind die Gremien, in denen die Zukunft Norderstedts auf der Tagesordnung steht. „Ich freue mich auf die Debatten“, sagt Patrick Pender.
Lasse Jürs kommt aus einem SPD-Elternhaus
„Wir sind als Wahlkampfmotor bekannt“, sagt Lasse Jürs und meint damit die Jusos, also die Nachwuchsorganisation der SPD in Norderstedt. Davon profitierte im letzten Jahr schon die neue Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder – zur Kommunalwahl half sich Jürs dann selbst. Er wohnt in Garstedt, Marommer Straße, also in einem Stadtteil mit hohem Siedlungsdruck. „Ich wurde dort viel auf den Wohnungsbau angesprochen, auf günstigere Mieten. Aber das ist ja stadtweit Thema.“
In welche Richtung sein politischer Kompass ausschlagen würde, zeichnete sich früh ab. „Meine Eltern sind schon immer ein sozialdemokratischer Haushalt gewesen. Mit meinem Vater habe ich mich immer über politische Themen unterhalten.“ Konkreter wurde das Interesse 2013, dem Jahr der vorletzten Bundestagswahl. Jürs trat als 17-Jähriger den Jusos bei – später war er auch zwei Jahre ihr Vorsitzender. „Ich kann mich mit dem Programm und den Grundwerten der SPD identifizieren. Ich teile die meisten Meinungen der Partei und möchte mithelfen.“
Im Falle von Norderstedt heißt das: „Wohnungen bauen, die jeder Bürger bezahlen kann. Wir müssen das Gleichgewicht halten, ein Konzept entwickeln, wie Norderstedt für unsere Enkel aussehen soll.“
Das betrifft auch die Sportstätten. Jürs hat lange Zeit beim Glashütter SV Fußball spielt, sich früher immer darüber geärgert, warum die Planung für eine n neuen Kunstrasen stockte. Sein Heimatverein bekam erst 2017 einen modernen Platz. „Wir müssen mehr machen.“ Wie Patrick Pender will auch Lasse Jürs im Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr arbeiten. „Die Belastung wird größer. Dieser Ausschuss hat die dicksten Akten und die längsten Sitzungen.“ Helfen soll ihm sein Beruf. Er ist Verwaltungsfachangestellter, arbeitet beim Bezirksamt Wandsbek, Fachbereich Elterngeld.
Jasmin Krause führt die Junge Union im Kreis
Jüngere Menschen können sich kaum erinnern. Deutschland wurde nicht immer von einer Bundesregierung unter der Führung von Angela Merkel regiert. „Ich kenne fast nur sie als Kanzlerin“, sagt Jasmin Krause. So etwas prägt. Sie ist mit Abstand die jüngste neue Gemeindevertreterin in Henstedt-Ulzburg, parallel auch Kreisvorsitzende der Jungen Union. Eine Hoffnungsträgerin also. Wie es zu ihrer Direktkandidatur kam? „Ich wurde angerufen und gefragt, ob ich nicht Lust hätte.“ Absolut. Aber: „Für sich selbst Wahlkampf zu machen, ist etwas anderes.“
Krause studiert an der Nordakademie Wirtschaftsinformatik und wohnt auf dem Rhen. „Dort kenne ich jeden Stein. Ein Thema dort ist die Wilstedter Straße. Und der Rhen ist der grüne Teil von Henstedt-Ulzburg mit der Alsterquelle und dem Naturschutzgebiet.“ Viele Menschen in der Großgemeinde haben hohe Ansprüche an die Ortspolitik. Und sprachen Jasmin Krause ihr Vertrauen aus. „Ich habe zum Beispiel eine Mail bekommen, wie schön es sei, dass junge Kandidaten antreten. Aber junge Leute trifft man am Marktstand nicht.“ Es gab zwar vor der Wahl eine Veranstaltung im Alstergymnasium. Aber wie viele der dort anwesenden Erstwähler dann auch wählen gingen, kann sie nicht abschätzen.
Was ungewohnt sein könnte: In den letzten Jahren war die Gemeindepolitik oftmals Schauplatz harter Debatten – inhaltlich, aber manchmal auch persönlich. „Ich gehe davon aus, dass sich alle Fraktionen fair auseinandersetzen“, sagt Jasmin Krause. Sie will sich um Themen wie Digitalisierung, Infrastruktur, die Wilstedter Straße und die Jugend im Ort kümmern. „Wir müssen uns direkt reinfuchsen. Aber man lernt unheimlich viel.“
Annika Ahrens-Glismann bewarb sich früh
Eine Anfängerin ist Annika Ahrens-Glismann eigentlich nicht. Sie war vielmehr schon einmal Gemeindevertreterin – allerdings in Tangstedt, und zwar jenem im Kreis Pinneberg. „Ich komme aus einem landwirtschaftlichen Großbetrieb. Mein Vater ist seit Jahrzehnten Gemeindepolitiker.“ CDU-Mitglied ist die gelernte Bankkauffrau, die anschließend BWL studierte, seit elf Jahren. „Man hat dort die gleichen Interessen, die gleichen Gesprächsthemen.“ Dann kam der Umzug nach Henstedt-Ulzburg. „Dann habe ich mir mal eine Fraktionssitzung angeschaut. Und ich habe relativ früh gesagt, dass ich gern direkt kandidieren würde bei der Kommunalwahl. Und als junge Frau wird man ja nicht rausgeschmissen.“
Genauso wie Jasmin Krause gehört sie einer neuen Generation an. Viele in der Gemeinde sagen: Das ist auch nötig. Die Wähler verpassten der CDU am 6. Mai zwei blaue Augen, sie ist nicht mehr die stärkste Fraktion. „Wir haben am Wahlabend relativ früh gemerkt, dass es nicht so läuft. Mein Wahlkreis in Henstedt war dann der vorletzte, ich habe lange gezittert“, sagt Ahrens-Glismann, die übrigens mit dem CDU-Landtagsabgeordneten Ole-Christopher Plambeck verlobt ist. „Und dann hat es ein paar Tage gedauert, bis das Ergebnis gesackt war. Aber jetzt gehen wir mit neuem Mut ran – gerade wir, die frisch sind.“
Henstedt-Ulzburg ist kompliziert, manchmal auch gespalten, selbst routinierte Politiker verzweifeln hier und da. „Die einen wollen mehr Einfamilienhäuser, die anderen Wohnungen – und wieder andere dann das Grüne erhalten.“ Annika Ahrens-Glismann ist jedoch unbelastet. „In der Gemeindevertretung sind viele neue Charaktere dabei.“ Als elementar für die Zukunft sieht die Henstedterin das derzeit laufende IGEK, das Integrierte Gemeinde-Entwicklungskonzept. „Da werden die Bürger eingebunden. Mal sehen, was für die Ortsteile herauskommt.“ Dort, wo sie schon in der letzten Wahlperiode bürgerliches Mitglied war – dem Finanzausschuss –, wird sie nun weiter arbeiten. Ihre CDU-Fraktion hat sie darüber hinaus gleich zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Annika Ahrens-Glismann sitzt also schon jetzt in der ersten Reihe.