Norderstedt. Detlef Lüdemann ist ein Technik-Tüftler und verwandelt altes Gerät in neue Gegenstände. Ihm gehörte der Hof des Feuerwehrmuseums
Wer bei den Lüdemanns in die Haustür kommt, wird mit fliegenden Walnussschalen begrüßt. Denn genau gegenüber der Tür steht Detlef Lüdemanns Wundermaschine, und der Technik-Tüftler hat großen Spaß, das Kuriositätenrad aus Eisen, Stahl, alten und neuen Fundstücken anzustellen – quasi als Ouvertüre zu Kaffee und Kuchen.
Kommt das Räderwerk in Schwung, mahlt als erstes Omas Kaffeemühle die Bohnen. Dann knackt eine Rohrzange die Walnüsse für die Kekse, bevor ein Tangoteufel-Puppenpärchen als Show-Einlage nach den Klängen einer alten Spieldose mit Feuerwehrauto auf dem Deckel eine heiße Sohle auf die Rohrzange legt, die es festhält, begleitet vom Gepingel einer Fahrradklingel.
Ein Bohnen-Schneidegerät und eine Apfelschäl-Maschine weisen darauf hin, was es zum Abendessen gibt, für das eine Lötlampe für Feuer sorgt. Ob allerdings in der Ölkanne Olivenöl für die Bohnen oder Schmieröl für die Wundermaschine steckt, die Frage lächelt Detlef Lüdemann charmant weg. Wer genau guckt, entdeckt in der Wundermaschine, die der Bastler in ein eisernes Wagenrad eingebaut hat, jede Menge Hufeisen, einen Autoscheibenwischermotor, der eine Handbohrmaschine antreibt, die wiederum die Spieluhren in Gang setzt. Dazwischen viele Gummiriemen und immer wieder – Hufeisen.
Diese Glücksbringer dominieren den Lüdemann-Hof, angefangen von der Hausnummer 100 über die Sonnenuhr auf dem Hof, Teewagen, Weinregal, Kaffeeuntersetzer bis zu Bilderrahmen. „Meine Hufeisen-Bilderrahmen gibt es auch im Fotogeschäft im Herold-Center zu kaufen“, sagt Detlef Lüdemann.
Auf dem Weg in seine Werkstatt setzt sich auf ein feuerrot lackiertes Dreirad. „Das habe ich zum Amtsabschied von Norderstedts Feuerwehrchef Joachim Seyferth gebaut“, sagt Detlef Lüdemann. Die Werkstatt des leidenschaftlichen Bastlers und Sammlers ist eine Fundgrube voll Bolzen, Schrauben und Nägeln, Schläuche aller Art, Radkappen, Schraubstöcke, -dreher, -zwingen und Schleifscheiben, aber auch Pütt un Pann’ aus Blech bis zu einer ausgedienten Gitarre, einer alten Nähmaschine, einer Langspielplatte und einer Lichtmaschine aus einem Panzer. Was für ein Panzer? Keine Ahnung. Sagt jedenfalls Detlef Lüdemann. Dafür stolz: „Die Werkbank war der zweite Preis, mit der die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft meinen Vater für seine Erfindung einer Kombi-Sämaschine ausgezeichnet hat.“
Überhaupt sein Vater. Henri Lüdemann. In Garstedt, Harksheide, Glashütte und Friedrichsgabe, den vier Norderstedter Ursprungsgemeinden, hieß er Maschinen-Henri und hat auch nicht nur Landwirtschaft betrieben. Damals, als der Lüdemannsche Hof noch am Friedrichsgaber Weg lag. Und in den 1980er-Jahren zum Schleswig-Holsteinischen Feuerwehrmuseum wurde.
„Mein Vater war ein Erfinder und seiner Zeit weit voraus. Das brachte ihm nicht nur Freunde ein“, sagt Sohn Detlef, der am Heiligabend diesen Jahres 80 Jahre alt wird. „In der Kriegszeit und danach hat er das Haus so gut mit Stolperdrähten und Stromkabel gegen ungebetene Gäste gesichert, dass manchmal die ganze Familie unter Strom stand, beispielsweise, wenn er den Plus-Draht in einer Wasserleitung verlegte. Man lebte gefährlich mit meinem Vater“, erinnert sich Detlef Lüdemann. Als sein Vater seine Windmühlen zur Stromgewinnung bis in die Schweiz verkaufte, handelte er sich sogar Ärger mit der Stromlobby ein.
Henri Lüdemann baute Windmühlen und Landmaschinen, beispielsweise einen Elf-PS-Schlepper, der beim Pflügen auch zeitgleich Pflanzgut wie Kartoffeln und Mais oder Saat in die Erde einbrachte. Die Ladegeräte für seine Windkrafträder holte er sich aus ausgedienten U-Booten. „Mein Vater betrieb Umweltschutz, als das Wort noch gar nicht bekannt war, beispielsweise mit Sonnenkollektoren auf seinem neu gebauten Edi-Haus neben dem heutigen Feuerwehrmuseum“, sagt Detlef Lüdemann. „Mein Vater erfand neue Maschinen und bestellte den Hof, meine Mutter Hertha sorgte dafür, dass die Kassenbücher stimmten“, erinnert sich der Sohn.
Seine Mutter musste den Hof lange Zeit allein führen, damals, als Ehemann Henri im Zweiten Weltkrieg in Norwegen stationiert war, und ihr Vater Johannes Hintz starb. Damals, als die Sonne nicht mehr aufging, weil der Rauch durch die Hamburger Bombennächte „Sodom und Gomorrha“ sie verdeckte.
„Der Friedrichsgaber Weg war schwarz vor Menschen, die aus dem brennenden Hamburg flohen, und wir nahmen sie auf“, erinnert sich der heute 79-Jährige. Der Großvater hatte gerade einen neuen Schweinefutterkessel gekauft: „Darin haben wir dann erst einmal Suppe für die Hamburger Flüchtlinge gekocht, die hatten ja gar nichts mehr.“ Hilfe bekam die Familie, weil ihnen das NS-Regime allen anderen Bauern Kriegsgefangene aus Italien, Frankreich, Ukraine und Polen als Zwangsarbeiter auf den Hof schickte.
Als die Hitler-Diktatur besiegt war, kamen die Flüchtlinge aus dem Osten, und es wurde eng auf dem Lüdemannschen Hof. Sieben Personen wohnten in einem Zimmer, die Lebensmittel wurden knapp. „Wir bekamen in der Schule Haferflockensuppe mit Pflaumen, das war köstlich“, erinnert sich Detlef Lüdemann. Die Mutter briet britischen Soldaten Eier, dafür erhielten Detlef und seine Schwester Vera Schokolade.
Detlef Lüdemann wuchs in die Landwirtschaft hinein, lernte das Schmiede-Handwerk und konnte endlich den elterlichen Hof pachten. Zehn Jahre betrieb er den Hof noch am Friedrichsgaber Weg, bis die Familie des Wohnungsbauunternehmens Plambeck, das Unternehmen Adlershorst und die Wobau Schleswig-Holstein den Hof kauften, um dort das Feuerwehrmuseum einzurichten. Am 22. Januar 1987 gründete sich der Förderverein des heutigen Feuerwehrmuseums Schleswig-Holstein.
Bereits 1982/83 baute Detlef Lüdemann mit seiner Ehefrau Ingrid am Lehmkuhlen einen neuen Hof, betrieb Rindermast und hatte 1000 Hühner im Stall. 1994 gab er die Landwirtschaft auf. Norderstedt war zum Pferde-Domizil geworden.
Er verpachtete den Hof an einen Reitstall und behielt das Wohnhaus. „Der Reiterhof liefert mir das Material für meine Tüfteleien, denn immer, wenn der Hufschmied kommt, bringt er mir einen Eimer ausgedienter Hufeisen, und ich mach was draus,“ sagt Detlef Lüdemann zufrieden.