Norderstedt. CDU verliert nach der Kommunalwahl die Vorherrschaft in Norderstedt: Linke und rechte Bündnisse sind kaum möglich.
Seit Jahren schien die Macht in Norderstedt zementiert: Sie gehörte der CDU, die bei den Kommunalwahlen 2008 und 2013 mit gut 38 und gut 39 Prozent deutlich vor der SPD lag, beim letzten Wahlgang sogar 19 von 20 Direktmandaten holte. Doch nun ist es der SPD gelungen, die Dominanz zu brechen, wobei die Verwaltung betont, dass es sich um ein vorläufiges Ergebnis handelt. Endgültig beschließen wird der Gemeindewahlausschuss in öffentlicher Sitzung, die am heutigen Dienstag um 18 Uhr im Raum K212 im Rathaus beginnt.
Die Sozialdemokraten haben ihr Ziel, stärkste politische Kraft zu werden, nicht ganz erreicht – es fehlten 195 Stimmen –, zufrieden ist Ortschefin Katrin Fedrowitz dennoch: „Wir haben zehn Wahlkreise direkt gewonnen, acht mehr als bei der vorigen Kommunalwahl und einen mehr als die CDU.“ Die konnte allerdings prozentual mehr Stimmen auf sich vereinigen und bekommt zwei Überhangmandate, so dass sie mit elf Sitzen die meisten Stadtvertreter stellt.
Zwei Wahlkreise holte die SPD allerdings mit dem geringsten nur möglichen Vorsprung von einer Stimme. Das verleitete CDU-Ortschefin Katja Rathje-Hoffmann spontan und in erster Enttäuschung zu der Aussage, in diesen Wahllokalen nachzählen zu lassen. Doch nach genauerer Analyse nahm sie am gestrigen Montag davon Abstand. Auch ein noch so geringer Vorsprung reiche nicht für eine Überprüfung, da müssten schon Formfehler vorliegen.
Auch einen Tag nach der herben Wahlniederlage leckte die CDU noch ihre Wunden, hat sie doch 12,2 Prozent eingebüßt: „Das ist schon eine herbe Enttäuschung“, sagte Rathje-Hoffmann. Die Wahlverlierer wollen nun „in Ruhe und sorgfältig“ mögliche Ursachen erforschen. Weiter wollte sich die Ortsvorsitzende dazu nicht äußern, nur so viel: Es werde Konsequenzen geben.
Die Überflieger der Wahl haben den unerwarteten Erfolg gefeiert und wollen nun an die Arbeit gehen, ganz entspannt, wie der Vorsitzende und Fraktionschef der WiN, Reimer Rathje, sagt. Ihm war es gelungen, einen Wahlkreis direkt zu gewinnen. Dabei setzte sich Rathje immerhin gegen den prominenten CDU-Mann Uwe Matthes durch.
An der Wählergemeinschaft vorbei wird es kaum Mehrheiten geben. Mit fünf Sitzen sind sie gemeinsam mit den Grünen, die ebenfalls fünf Mandate gewonnen haben, drittstärkste politische Kraft im Rathaus. Um Anträge durchzusetzen, müssen sich CDU und SPD zusammenschließen – die „Große Koalition“, die es auf kommunaler Ebene offiziell allerdings nicht gibt, hat in der Vergangenheit schon mehrfach kooperiert, beispielsweise beim Ausbau der Sportstätten. Auch eine Jamaika-Koalition, wie sie CDU-Ministerpräsident Daniel Günther in Schleswig-Holstein erfolgreich führt, reicht in Norderstedt nicht für eine Mehrheit. Um ein konservatives Bündnis zu schmieden, müsste die CDU mit der WiN, der FDP und der AfD gemeinsame Sache machen – eine Kooperation, die es nicht geben wird: „Wir schließen eine Zusammenarbeit mit der AfD aus“, sagt Rathje-Hoffmann. Ein Kooperationsverbot mit den Rechtspopulisten schließt auch die SPD aus. „Nach den Aussagen und Anträgen der AfD auf Bundesebene können wir uns nur abgrenzen“, sagt Katrin Fedrowitz. Die Sitzverteilung lässt auch ein klassisches linkes Lager nicht zu. SPD, Grüne und Die Linke bringen es auf 17 Stimmen, bei insgesamt 39 Mandaten wären aber 21 nötig. „Gerade auf kommunaler Ebene ist ein Lagerdenken, wie es in der Bundes- und Landespolitik vorkommt, kaum vorhanden“, sagt die SPD-Ortschefin. Auch in der Vergangenheit hätten sich die Parteien in Norderstedt an der Sache orientiert und sich die nötigen Mehrheiten beschafft.
Das wird künftig erheblich schwieriger und aufwendiger: In der Stadtvertretung wird es deutlich bunter zugehen. Die AfD und die Freien Wähler schafften auf Anhieb den Einzug ins höchste Beschlussgremium, in dem künftig acht statt wie bisher sechs Parteien vertreten sein werden. Der Erfolg der Debütanten geht zu Lasten der etablierten Parteien. „Durch die Zersplitterung der politischen Landschaft haben die Wähler mehr Alternativen und die Möglichkeit, neue Kräfte eine Chance zu geben“, sagt Fedrowitz. Die Kehrseite der wachsenden Vielfalt formuliert Peter Holle, Spitzenkandidat der CDU: „Da braucht es viele Gespräche und viel Überzeugungsarbeit, um die eigenen Themen durchzusetzen.“ Als stärkste Partei wird die CDU wieder den Stadtpräsidenten oder die Stadtpräsidentin stellen. Sehr wahrscheinlich wird Kathrin Oehme das Amt auch weiterhin ausüben.
Als Einzelkämpfer muss Thomas Thedens, Spitzenkandidat der Freien Wähler, versuchen, das gesamte und nicht gerade kleine Spektrum der Stadtpolitik zu durchdringen. Es reichte für die Freien Wähler nicht zu den erhofften zwei Mandaten – die sind nötig, um Fraktionsstatus zu bekommen. Der ist unter anderem Voraussetzung, um Mitglieder in die Fachausschüsse zu schicken. Thedens hingegen kann nur Mitglied in einem Ausschuss werden, darf aber nicht abstimmen. „Das wird wohl der Hauptausschuss werden“, sagt er. Zusätzlich habe er das Recht, in jedem Ausschuss zu sprechen und Anträge zu stellen. „Dafür haben wir zwei Sitze im Kreistag“, sagt Thedens – einen davon besetzt er.