Norderstedt. Jens-Walter Bohnenkamp hält einen gelegentlichen Einsatz für vertretbar, Bio-Bauer Rolf Winter lehnt das Mittel rigoros ab.
Glyphosat – der chemische Unkrautbekämpfer ist seit Jahren umstritten. Verbieten oder reduzieren, krebserregend oder nicht? Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) sieht ein Verbot des Herbizids kritisch, will sich dafür einsetzen, dass der Wirkstoff weniger intensiv eingesetzt wird als bisher. „Das Ackergift trägt maßgeblich zum Artensterben in der Agrarlandschaft bei“, kritisiert der BUND und fordert ein Verbot von Glyphosat. Das Mittel sei ein Breitband- oder Totalherbizid, das alle Pflanzen im Einsatzgebiet vernichte und nicht einzelne von der Vernichtung ausnehme. Wie halten es die Landwirte in der Region? Wir haben nachgefragt und ein bedingtes Pro sowie ein klares Contra entdeckt.
„Ich halte einen gelegentlichen Einsatz von Glyphosat für sinnvoll und gerechtfertigt“, sagt Jens-Walter Bohnenkamp, der in Norderstedt Schweine züchtet und Getreide anbaut. Der Vorsitzende des Segeberger Kreisbauernverbandes will die Diskussion um das Mittel, das der US-Konzern Monsanto in der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre unter dem Namen „Roundup“ auf den Markt gebracht hat, versachlichen. Ein Selbstversuch sollte Klarheit und Argumente bringen.
Rolf Winter, der Bio-Bauer, bezieht klar Stellung gegen den Einsatz von Glyphosat: „Als Unternehmen im biologischen Landbau müssen wir auf jegliche Chemie verzichten und befolgen diese Auflage natürlich auch“, sagt der Geschäftsführer des Gutes Wulksfelde. Sein Team rückt dem Unkraut ausschließlich mechanisch zu Leibe. Mit sogenannten Striegeln, die zwölf Meter breit sind und hinter den Trecker gespannt werden, wird entfernt, was den Wuchs der Kulturpflanzen stört. Die biegsamen Zinken wirken wie ein Kamm und ziehen Windhalm oder Gänsefuß, die Hafer, Roggen, Weizen, Erdbeeren und Kartoffeln am Wachsen hindern, aus dem Boden. „Gerade Kartoffeln sind anfangs sehr empfindlich und haben es schwer, sich gegen die Konkurrenz durchzusetzen“, sagt Winter.
Erträge im Bio-Landbau sind um 50 Prozent niedriger
Zweite Abwehrmaßnahme sei die Fruchtfolge: Auf den Feldern rund um das Gut an der Grenze zu Hamburg wechseln die Pflanzen; in einem Jahr gedeihen auf der Fläche Erdbeeren im nächsten Kartoffeln, danach Getreide. Dieser traditionelle Anbau mache den Störern zu schaffen. „Wenn wir den Acker im Frühjahr vorbereiten und Licht und Luft in die Erde lassen, bestärkt das das Frühjahrsunkraut im Wachstum. Pflügen wir im nächsten Jahr aber erst im Spätsommer oder Herbst, verkümmern diese Unkrautpflanzen“, sagt Winter.
Aber: Wer Unkraut wie die Mitarbeiter auf dem Gut Wulksfelde ausschließlich mechanisch bekämpft, müsse Einbußen beim Ertrag hinnehmen, denn: Auch bei intensivem Bearbeiten des Bodens überlebe ein Teil des Unkrauts, die Kulturpflanzen könnten sich nicht so entwickeln wie auf unkrautfreien Flächen. Der Bio-Bauer geht davon aus, dass die Erträge im Öko-Landbau um bis zu 50 Prozent unter denen im konventionellen Anbau liegen. Dabei seien Glyphosat und Co aber nur ein Baustein, Dünger und intensivere Nutzung der Flächen brächten höhere Erträge. Winters Fazit: „Wer auf Chemie verzichtet, muss was tun und sich Gedanken machen.“
Er sorgt sich auch um die Biodiversität, die Artenvielfalt in der konventionellen Landwirtschaft: „Da wird nur Raps, Mais und Weizen angebaut, und das so dicht, dass dazwischen nichts mehr wachsen kann.“ Insekten fänden keine Nahrung, das Bienensterben ist seit Monaten ein großes Thema. Das sieht auch Landwirt Bohnenkamp: Da müssten und wollten er und seine Kollegen gegensteuern und sehen, wie sie beispielsweise mit Blühstreifen an den Feldrändern mehr Nahrungsquellen schaffen können.
„Die Diskussion um Glyphosat verläuft sehr emotional, die Krebs-Angst ist ein starker Trumpf in den Händen der Glyphosat-Gegner“, sagt Bohnenkamp, der ein Feld in zwei aufeinander folgenden Jahren einmal mechanisch und einmal mit Glyphosat bearbeitet hat. Vom 10. August bis 21. September 2016 rückte er der Quecke ausschließlich mechanisch zu Leibe. „Die macht uns auf unseren Böden hier am meisten zu schaffen. Sie vermehrt sich unterirdisch über ihre Wurzelausläufer, die Rhizome“, sagt der Landwirt. Fünfmal hängte er einen Grubber hinter den Trecker, pflügte den Acker, der im Wasserschutzgebiet liegt, um und förderte beachtliche Mengen des Getreide-Feindes an die Oberfläche, wo der Schädling vertrocknete.
Die metallenen Zinken hatten den Boden aufgelockert und belüftet. Was gut klingt, wandelte sich zum Nachteil: „Der Sickstoffanteil stieg, in bis zu 90 Zentimeter Tiefe haben die Experten, die für das Wasserschutzgebiet zuständig sind, 130 Kilo pro Hektar gemessen und damit doppelt so viel wie üblich“, sagt Bohnenkamp. Das erhöhte Vorkommen von Stickstoff führe auch zu einer stärkeren Belastung des Grundwassers. Und der mechanische Kampf gegen die Quecke hatte nur zu einem Teilerfolg geführt. Als er das Getreide aussäte, hatte das Unkraut die Ackerfläche schon wieder erobert. „Da kann der Weizen nicht wachsen, die Quecke nimmt ihm Nährstoffe und Wasser“, sagt Bohnenkamp.
Im vorigen Jahr spritzte der Landwirt Glyphosat, vorschriftsmäßig drei Liter, verdünnt mit 300 Liter Wasser, pro Hektar, und gesundheitlich unbedenklich, wie er sagt. Das Ergebnis: 40 Kilogramm Stickstoff pro Hektar. Keine Quecke, trotzdem Leben im Boden. „Glyphosat geht in die Rhizome und tötet die Quecke komplett ab“, sagt Bohnenkamp, buddelt mit der Hand und zeigt gleich zwei Regenwürmer. Nebenan wächst ein Ackerstiefmütterchen, Moos sowieso.
Roboter, die Unkraut erkennen und wieder in die Erde drücken
Nun kann das Getreide ausgesät werden. Sind Weizen, Mais oder Raps groß und kräftig genug, habe die Quecke keine Chance mehr. Der Landwirt ist dennoch weit entfernt davon, Glyphosat zu glorifizieren: „Natürlich ist das ein Eingriff in die Natur, und es reicht, wenn wir die Böden alle paar Jahre damit behandeln. Schließlich wollen ja alle qualitativ gute Lebensmittel zu günstigen Preisen.“
In den nächsten Jahren könnte sich der Streit um Glyphosat durch technischen Fortschritt erledigen. In der Industrie wird an Robotern gearbeitet, die über die Felder gehen, Unkraut erkennen und gleich in die Erde zurückdrücken. Möglicherweise wird auch elektronisch gesteuerte Zugmaschinen geben, die das Striegeln übernehmen. Die Frage wird dann sein, wer sich die modernen Unkrautbekämpfer leisten kann.