Kiel/Norderstedt. Betrugsopfer zahlten 3,6 Millionen Euro; Überweisungen versickerten vermutlich im Ausland.

War es der perfekte Millionenbetrug, oder kam der Mittfünfziger aus Norderstedt, der etwa ein Dutzend Investoren mit dem angeblichen Erbe eines wohlhabenden Londoner Ehepaares köderte, tatsächlich nie in den Genuss des großen Geldes? Am Montag im Kieler Landgericht rückte der Staatsanwalt vom zentralen Vorwurf ab, der Angeklagte habe die Geschädigten um insgesamt 3,6 Millionen Euro betrogen, und plädierte auf Bewährung. Die Verteidigung forderte Freispruch.

Aus Sicht von Staatsanwalt Lorenz Frahm sind dem kaufmännischen Angestellten und Medienberater nach viermonatiger Beweisaufnahme noch 27 Fälle des gewerbsmäßigen Betrugs nachzuweisen, die sich auf eine erschlichene Gesamtsumme von gerade einmal 110.600 Euro belaufen. Dieser Betrag sei aus seinem Vermögen einzuziehen. Der Angeklagte gilt als mittellos. Das Urteil soll am Donnerstag verkündet werden.

Fantasie-Renditen und gefälschte Dokumente

Der Löwenanteil der 3,6 Millionen Euro, die die Geldgeber als hoch verzinsliche Darlehen zu investieren glaubten, versickerte offenbar im Ausland. Die Empfänger der Überweisungen auf Konten in Zypern, London, Hongkong und China blieben im Dunkeln. Wahrscheinlich habe er auf Provisionen gehofft, sagte der Staatsanwalt. Es gebe jedoch keinen Hinweis auf die Hintermänner und somit auch keinen Beweis dafür, dass der Angeklagte in irgendeiner Form von den Zahlungen profitierte.

Lückenhaft und widersprüchlich seien seine Aussagen über die mysteriösen Erblasser und ihre angebliche Großzügigkeit gewesen, so der Staatsanwalt weiter. Den Investoren habe der Norderstedter Angeklagte immer wieder Rückzahlung mit Fantasie-Renditen versprochen und versucht, ihre Zweifel mithilfe gefälschter Dokumente zu zerstreuen.

Strafmildernd wertete der Ankläger die Leichtgläubigkeit der Opfer, die dem alkoholkranken Norderstedter „haarsträubende Geschichten“ abgenommen hätten.

„Gier macht blind“, zitierte Strafverteidiger Peter Meyer-Grage die Selbsteinschätzung mehrerer Geschädigter. „Immer verrückter, immer absurder“ seien die Begründungen des nicht vorbestraften Angeklagten geworden, der sein Elternhaus vor der Zwangsversteigerung retten wollte. Angeblich hätten immer wieder bürokratische Hindernisse den Weg zum angeblichen 22-Millionen-Dollar-Segen verstellt. Die leichtgläubigen Geschädigten – Geschäftsleute, Ärzte und Rechtsanwälte – hätten „sich die Augen zugehalten“ und könnten sich deshalb nicht auf den Schutz der Justiz berufen.