Norderstedt. Die 49-Jährige ist die einzige hauptberufliche Behindertenbeauftragte in Schleswig-Holstein. Sie setzt auf das Know-how der Betroffenen

In Schleswig-Holstein ist Norderstedt die einzige Stadt mit einer hauptamtlichen Behindertenbeauftragten. Seit einem Jahr ist Valentina Müller im Amt – das Abendblatt hat mit der 49-Jährigen über ihre Aufgaben gesprochen und warum sie sich nicht als „klassische Bürofrau“ versteht.

„Ich bin viel unterwegs“, sagt Valentina Müller. Ortsbegehungen und Treffen mit Vertretern von Selbsthilfegruppen, Unternehmen und Behindertenwerkstätten sind wichtige Punkte auf ihrer täglichen To-do-Liste. Und natürlich Begegnungen mit betroffenen Norderstedtern. Eine Erkenntnis, zu der sie im ersten Jahr ihrer Tätigkeit gekommen ist: „Wir haben in Norderstedt viele tolle Einrichtungen, sie sind den Menschen aber oft nicht bekannt.“

Wer im Büro der Behindertenbeauftragten sitzt, wird auch individuell beraten. „Manche Menschen kommen zu mir, weil sie einfach nicht wissen, wie es weitergehen soll. Oft reicht es zu zeigen, dass jemand da ist, der helfen kann.“

Im Vordergrund stehe dabei immer das Potenzial der betroffenen Person. „Darauf kann man aufbauen, das ist wichtiger als die Schwächen. Dafür muss man aber dieses Potenzial erkennen“, betont die studierte Sonderpädagogin, die vier Jahre lang an der Grundschule Heidberg Kinder mit Beeinträchtigungen begleitet hat.

Die Beauftragte setzt auf das Know-how der Betroffenen

Ein Wort, das Valentina Müller oft in den Mund nimmt, ist „Zusammenarbeit“. „Bei Ortsbegehungen lade ich beispielsweise Vertreter der Selbsthilfegruppen immer ein. Das sind Experten in eigener Sache. Sie haben vielleicht keine Fachausbildung, sind aber von der Behinderung selber betroffen. Ich lasse am liebsten die Bürger von Norderstedt entscheiden.“ An dieser Art der Zusammenarbeit macht sie ihre Arbeit fest. Es handele sich dabei nicht um Integration, die Anpassung von einer Gruppe an einer anderen, sondern um Inklusion. „Dabei gehen beide Gruppen aufeinander zu, lernen sich kennen und arbeiten Hand in Hand.“

Ein Beispiel von gelungener Inklusion seien die ausgelagerten Arbeitsplätze von Behindertenwerkstätten. Das Prinzip ist simpel – wer weniger Betreuung braucht, arbeitet direkt bei einem Unternehmen. „Zu Hause erzählen diese Menschen dann nicht, dass sie bei der Werkstatt arbeiten, sondern bei Lufthansa, Jungheinrich oder Hempels. Sie sind zu Recht stolz darauf, eine wichtige Arbeit in Norderstedt zu haben.“

Neulich ist Valentina Müller durch die Stadt spazieren gegangen – mit Marion Vierck, Leiterin des Norderstedter Blindenvereins. Vierck hat selbst eine Sehbehinderung. Erst in solchen Situationen verstehe man, wie vieles funktioniert, sagt Müller. „Zum Beispiel, wie wichtig taktile Streifen sind. Blinde fühlen sich verloren, wenn diese Wegweiser blockiert werden.“

Solche Einsichten sind für Müller wichtig. „Es gibt physische Barrieren wie Stufen, und es gibt solche, die in den Köpfen stattfinden.“ Erst durch die Barrieren werden Menschen mit Beeinträchtigungen zu solchen mit Behinderungen. „Wir machen sehr viel in der Kita, in der Schule, im Studium und auch in der Ausbildung. Aber wenn diese Phasen vorbei sind, gibt es noch viel zu tun. Diese Menschen müssen die Möglichkeit haben, einen Arbeitsplatz zu finden.“ Für Firmen seien Behinderte kein Hindernis, sondern eine Chance. Unternehmer in Norderstedt hätten viele Ideen und Anregungen. „Wenn sie damit zu mir kommen, können wir diese Projekte zusammen entwickeln“, betont die 49-Jährige.

Die Sprechzeiten der Behindertenbeauftragten: dienstags von 8.30 bis 12 Uhr, donnerstags von 14.30 bis 17 Uhr. Erreichbar ist Valentina Müller auch unter 040/53 59 55 35 und unter behindertenbeauftragte@norderstedt.de