Kreis Segeberg. Viele Sozialdemokraten aus der Region sind der Meinung, dass das Sondierungsergebnis für eine Regierung zu wenig ist.
Bei der letzten GroKo, da habe man sich als Genosse wenigstens an der Einführung des Mindestlohns festhalten können, um das ungeliebte Regierungsbündnis mit CDU und CSU vor sich und der sozialdemokratischen Gesinnung zu verantworten. „Aber dieses Mal ist es deutlich schwieriger – besonders mit diesem Ergebnis aus den Sondierungen“, sagt Katrin Fedrowitz, Ortsvorsitzende der SPD in Norderstedt.
Am Sonntag, 21. Januar, stimmt der SPD-Sonderparteitag in Bonn darüber ab, ob die SPD in Koalitionsverhandlungen mit Merkel und Seehofer geht oder nicht. Und alle blicken nun auf die Basis der SPD, um zu orakeln, ob Deutschland in absehbarer Zeit eine Koalitionsregierung bekommt – oder doch eher eine Minderheitsregierung, oder ob Neuwahlen am Ende unausweichlich sind.
Wichtige soziale Fragen könnten ungelöst bleiben
Fedrowitz rechnet mit grünem Licht für die Koalitionsverhandlungen am Sonntag. „Den großen Strich durch die Rechnung der Befürworter der Großen Koalition könnte es bei der Befragung der Mitglieder zu einem möglichen Koalitionsvertrag geben.“ Fedrowitz sieht die Gefahr, dass alle sozialpolitisch wichtigen Fragen in einer Großen Koalition unbeantwortet bleiben. „Da wird es immer nur Notlösungen geben. Beim Thema Bürgerversicherung können die Wähler jetzt erleben, wie weit die Parteien in manchen Themen auseinanderliegen.“
Jürgen Lange, langjähriger Fraktionschef der SPD in Norderstedt und Genosse, seit er denken kann, spricht Klartext: „Dieses Sondierungsergebnis ist nicht ausreichend, um in Koalitionsverhandlungen einzutreten.“ Die SPD habe zu wenig Druck auf CDU/CSU ausgeübt, habe nur Kleinkram geregelt und zu viele Zugständnisse gemacht. „Und so skandalös CSU-Politiker nun mit der SPD umgehen, zeigt: Mit diesen Leuten kann man nicht gemeinsam regieren.“ Plan B ist für Lange die Minderheitsregierung: „Und da ist es egal, ob das der Kanzlerin Merkel passt oder nicht. Das muss sie dann machen, Neuwahlen sind keine Option.“
SPD-Stadtvertreter Thomas Jäger fragt sich, was angesichts der festgezurrten Themen im Sondierungsergebnis in einer Koalitionsverhandlung überhaupt noch diskutiert werden soll. „So kann man das der Basis nicht verkaufen, da braucht es keinen Parteitag.“ Dass die SPD bei der Bildung einer Großen Koalition in vielen Themenfeldern zurückstecken muss, damit hat Jäger kein Problem. „Aber dass die Bürgerversicherung aufgegeben wurde, kann ich nicht verstehen.“
20 SPD-Politiker aus Schleswig-Holstein werden am Sonntag zum Parteitag nach Bonn fahren und abstimmen. Der Delegierte Alexander Wagner aus dem Kreis Segeberg wird allerdings am Sonntag auf dem Neujahrsempfang der Kreis-SPD in Bad Bramstedt Hände schütteln und nicht in Bonn große Politik machen. „Leicht habe ich mir die Entscheidung nicht gemacht“, sagt Wagner, der es bei der Bundestagswahl nicht geschafft hatte, das Erbe des langjährigen Segeberger SPD-Bundestagsabgeordneten Franz Thönnes anzutreten. „Beim Neujahrsempfang bin ich als stellvertretender Kreisvorsitzender nicht ersetzbar. In Bonn schon.“ Ein Lübecker Genosse werde für ihn als Delegierter nachrücken. „Als SPD-Mitglied fühle ich mich dem Votum des Landesvorstandes und auch meinen Aussagen im Wahlkampf verpflichtet: Wir wollen einen Politikwechsel. Und den erreichen wir nicht in einer Großen Koalition.“ Wagner wünscht sich den Gang in die Opposition. „Die SPD ist nicht gezwungen, zu regieren. Sie sollte in erster Linie für ihre Themen stehen. Frau Merkel hingegen muss sich mal fragen, warum niemand mit ihr koalieren möchte.“
Horst Ostwald vermisst die Bürgerversicherung
Mit Melanie Sabine Klein, der Ortsvorsitzenden in Henstedt-Ulzburg, fährt immerhin eine Segeberger Sozialdemokratin nach Bonn. Einer der bekanntesten SPD-Politiker aus dem Ort, Fraktionschef Horst Ostwald, ist äußerst unzufrieden mit dem, was in den Sondierungen erreicht wurde. „Das reicht aus meiner Sicht nicht, um in eine GroKo zu gehen. Eine Bürgerversicherung fehlt, und irgendwie steht dort doch eine Obergrenze für Flüchtlinge. Ein Pluspunkt ist die Aufhebung des Kooperationsverbots. Aber mir hat es am Wahlabend gefallen, als gesagt wurde, wir gehen in die Opposition.“ Dazu sei die Vorstellung „furchtbar“, dass bei einer Großen Koalition die AfD die Opposition führen würde.
Stefan Weber, Vorsitzender der Kreis-SPD und Landtagsabgeordneter, spricht von einer „vertrackten Lage“. Das Programm habe ihn trotz guter Ansätze nicht überzeugt. „Das liest sich wie 2013. So wird es beim Mitgliedervotum definitiv nichts.“ Was ihm gefällt, sind die Vereinbarungen zu den Kinderrechten und zum Arbeitsmarkt. Auch er vermisst dafür eine Bürgerversicherung oder zumindest einen konkreten Hinweis auf eine Reform des Gesundheitssystems. Und eine Absicherung des Rentenniveaus auf 48 Prozent sei ein falsches Signal. „Wir müssen darüber nachdenken, das schrittweise zu erhöhen.“