Bad Segeberg. Fremde Zugangsdaten, gehackte Konten, Cyberbetrug: 21-Jähriger gesteht und muss nun 100 Stunden gemeinnütziger Arbeit leisten.

Ob es Langeweile war, Unterforderung oder die Übertragung einer Computerspielsucht ins reale Leben? Das Jugendschöffengericht in Bad Segeberg konnte keine Antworten finden. Ein 21-jähriger Segeberger ist wegen Computerbetrugs angeklagt worden. Ein besonderer Fall von Internetkriminalität – mit einem überraschenden Ausgang.

Der Jugendliche hat in 14 Fällen zwischen August 2015 und Februar 2016 Privatpersonen und Versandhändler um Geld und Ware betrogen und diese teilweise weiterverkauft. „Gewerbsmäßiger Computerbetrug in besonders schwerem Ausmaß in Tateinheit mit Urkundenfälschung“ konstatierte das Gericht. Der 21-Jährige hatte sich zuvor im Dark­net Personaldaten beschafft, darunter unter anderem von gehackten Paypal- und DHL-Kundenkonten, um unter falschem Namen einzukaufen, Ware zu bezahlen und zu erhalten sowie anschließend weiterzuverkaufen. Er hat alle Taten gestanden und zur Aufklärung der Fälle beigetragen. Der entstandene Schaden liegt bei mehr als 8000 Euro. Das Urteil: Der Segeberger muss hundert Sozialstunden gemeinnütziger Arbeit ableisten.

Das Besondere: Der Angeklagte hatte die Ware weder gebraucht, noch das erhaltene Geld ausgegeben. Tausende Euro wurden bei der Durchsuchung seiner Wohnung beschlagnahmt. „Das Geld ist immer noch vorhanden und kann zur Wiedergutmachung verwendet werden. Das habe ich noch nie erlebt“, sagte der Vorsitzende Richter Martin Jochems.

Der Angeklagte verkaufte die Ware weiter – gegen Bargeld

Der Betrug verlief in der Regel so: Die Geschädigten hatten in Ebay-Kleinanzeigen iPhones zum Verkauf angeboten. Der Angeklagte nahm unter Verwendung fremder Personaldaten Kontakt auf und forderte die Geschädigten auf, die Ware zu einer Packstation in Bad Segeberg zu senden. Die DHL-Accounts anderer waren zuvor gehackt worden. Diese Daten hatte sich der Segeberger im Darknet beschafft, ebenso wie Zugänge zu Paypal-Konten, mittels welcher er die Bezahlung ausgelöst hatte. Als das Geld im Namen anderer überwiesen war, hatten die Opfer die Ware versandt. Zwar wurden sie von Paypal wenig später über die gehackten Konten informiert und die Zahlung storniert. Doch das Geld war zumeist weg – und die Ware auch. Teil–weise hatte der junge Mann sie weiterverkauft, bei Übergabe gegen Bargeld in Neumünster. Mehrfach war er von der Polizei auf frischer Tat ertappt und vorläufig festgenommen worden, als er die Pakete an der Packstation abholte.

Wie der Angeklagte dem Jugendschöffengericht erklärte, sei er durch Bekannte, übers Internet und durch Videos auf diese Art der Kriminalität aufmerksam geworden. Das Darknet sei eine andere Seite des Internets, das man mit einem speziellen Browser benutzen kann. „Es ist nicht schwer, da reinzukommen. Die Daten werden einem dort hinterhergeschmissen“, sagte er. Hacker würden diese anbieten, verkaufen und gar verschenken, weil sie zu viel davon haben. Daten eines gehackten Paypal-Kontos gibt es für drei, für eine DHL-Packstation für etwa 20 Euro. Bezahlt wird mit der virtuellen Währung Bitcoin.

Der 21-Jährige will nun sein Abitur nachholen

Der Grund für das alles? „Ich weiß es selbst nicht“, sagte K. und wiederholte mehrfach, dass er mit dieser Zeit abgeschlossen habe. Und das Gericht ging davon aus, dass das stimmt. Der junge Mann hat zwar viel Zeit vor dem Computer verbracht und zwei Jahre vor den Taten seine Mutter verloren. Das habe ihn in eine Krise gestürzt. Doch er wurde nicht weiter aus der Bahn geworfen, ganz im Gegenteil: Er hat seinen Realschulabschluss nachgeholt, ist dabei, seine Fachhochschulreife zu erlangen. Er will nach eigener Aussage sein Abitur nachholen und später etwas in Richtung Wirtschaft studieren.

Staatsanwältin, Verteidiger und Gericht waren sich im Strafmaß einig, zumal das Geld noch vorhanden ist. Unklar ist, um wie viel der Wert der noch vorhandenen Bitcoins gestiegen ist. Der Angeklagte will helfen, den Beamten Zugang zur Technik zu verschaffen.