Norderstedt . Norderstedt kann es sich leisten: Die neue Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder will umstrittene Beiträge abschaffen.

Die Stadt baut die Straße vor der Tür hübsch aus – und die Anlieger zahlen bis zu 90 Prozent der Baukosten. So war das bisher auch in Norderstedt. Doch die Kieler Jamaika-Koalition stellt es den Städten und Gemeinden nun frei, ob sie Ausbaubeiträge beim Bürger eintreiben – eine Entscheidung, die bei Bürgermeistern und Politikern umstritten ist. Norderstedts neue Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder, die am 9. Januar vereidigt wird, will die Ausbaubeiträge abschaffen und die Bürger entlasten, ihre Kollegen in Kaltenkirchen und Bad Bramstedt sind auf die Einnahmen angewiesen. „Es wird eine meiner ersten Amtshandlungen sein, die Abschaffung der Ausbaubeiträge für Norderstedt zu erreichen“, sagte Roeder auf Anfrage des Abendblatts. Sie will eine Vorlage für die Politik erarbeiten lassen, über die zeitnah diskutiert und abgestimmt werden könne, denn: Das letzte Wort haben die Stadtvertreter.

Land schiebt Gemeinden und Städten Schwarzen Peter zu

Norderstedt als vergleichsweise reiche Stadt kann es sich leisten, die Beiträge abzuschaffen. Die Stadt müsste jährlich auf Einnahmen in Höhe von 100.000 bis 400.000 Euro verzichten. „Auch wenn ich weiß, dass die Landesregierung das nicht will – es wäre schön, wenn das Land für die Summen aufkommen würde“, sagt Roeder. „Die Politik in Kiel macht sich schon einen schlanken Fuß bei der Sache.“

Elke Christina Roeder, die am 9. Januar als Oberbürgermeisterin vereidigt wird: „Es wird eine meiner ersten Amtshandlungen sein, die Abschaffung der Ausbaubeiträge für Norderstedt zu erreichen.“
Elke Christina Roeder, die am 9. Januar als Oberbürgermeisterin vereidigt wird: „Es wird eine meiner ersten Amtshandlungen sein, die Abschaffung der Ausbaubeiträge für Norderstedt zu erreichen.“ © HA | Michael Schick

Faktisch werde den Städten und Kommunen mit dem Landesgesetz der Schwarze Peter zugeschoben. Klamme Dörfer und Städte müssen ihren Bürgern nun erklären, warum sie auf die Abgaben nicht verzichten. Es entstehe eine Ungleichheit zwischen armen und reichen Kommunen. Außerdem profitierten von der Abschaffung der Ausbaubeiträge lediglich die Grundstücksbesitzer, die Finanzierung durch Steuern belaste hingegen alle Bürger.

Die Landes-SPD hat bereits gefordert, dass die 40 bis 50 Millionen Euro an Ausbaubeiträgen in Schleswig-Holstein künftig vom Land übernommen werden sollen. Die Regierung schlägt vor, dass Kommunen, in denen die Abschaffung aus finanziellen Gründen nicht infrage kommt, die Kosten für den Straßenausbau über eine Erhöhung der Grundsteuer einspielen könnten.

„Der Verwaltungsaufwand für die Erhebung der Beiträge ist auch ein Kostenfaktor“, so Roeder. Bei der Abschaffung der Ausbaubeiträge würde er zu Refinanzierung der ausbleibenden Einnahmen beitragen. Roeder weiter: „Ob in Norderstedt andere Finanzierungsmodelle, etwa die Erhöhung der Grundsteuer, nötig sein werden, wird man dann sehen.“ Ein weiterer Streitpunkt: die Härtefälle. Roeder betont, dass die Ausbaubeiträge erst ab dem Tag der Rechtsgültigkeit wegfallen würden. Heißt: Wenn ein Grundeigentümer gerade mitten im Verfahren steckt, muss er noch zahlen.

In Henstedt-Ulzburg ist das künftige Beitragskonzept noch unklar. Die FDP will die Abschaffung der Beiträge beantragen. Politik und Verwaltung werden schon bald handeln müssen, denn die viel befahrene Wilstedter Straße im Ortsteil Rhen – Zubringer zur Paracelsus-Klinik – dürfte ein Präzedenzfall werden. Der Ausbau ist wegen der maroden Fahrbahn nötig. Normalerweise wären Anliegerbeiträge fällig. „Baulastträger ist der Wege-Zweckverband. Das Thema wird im ersten Quartal auf den Tisch kommen“, sagt Horst Ostwald (SPD), Vorsitzender des Umwelt- und Planungsausschusses. Er selbst befürworte es, „die Bürger zu entlasten“, fordert aber auch Unterstützung vom Land.

Für den Haushalt 2018 wird mit Ausbaubeiträgen in Höhe von 546.000 Euro kalkuliert. Allein 330.000 Euro müssen Anlieger der Theodor-Storm-Straße zahlen, die 2015 für eine Million Euro ausgebaut wurde.

Kisdorf versucht es mit wiederkehrenden Beiträgen. „Wir haben jedes Grundstück bewertet, Neubaugebiete wurden herausgenommen. Es ist die gerechteste Ausgestaltung“, sagt Bürgermeister Reimer Wisch (CDU).

Ganz ohne Ausbaubeiträge können gerade die Dörfer kaum auskommen. „Das würde ich keiner Gemeinde empfehlen“, sagt Manuel Plöger, Kämmerer im Amt Itzstedt und zuständig für Tangstedt mit einem Haushaltsminus von fast einer Million Euro. Seit 2011 erhielt die Gemeinde von ihren Bürgern mehr als eine Million Euro an Ausbaubeiträgen. Ohne dieses Geld wären diverse Maßnahmen wohl nicht umgesetzt worden – und könnten es auch in Zukunft nicht.

„Das ist ein Luxusproblem in Norderstedt“, sagt Hanno Krause, Bürgermeister von Kaltenkirchen über den Plan der künftigen Oberbürgermeisterin, auf Ausbaubeiträge zu verzichten: „Wir brauchen die Beiträge für eine kontinuierliche Sanierung.“ Die Bürger hätten ein Recht auf funktionierende Straßen. Fallen die Ausbaubeiträge weg, müsse die Stadt auf den Ausbau verzichten oder beispielsweise mit höheren Steuern die Einnahmen erhöhen.

Kosten müssen gerechter auf die Bürger verteilt werden

Reformbedarf sieht der Bürgermeister bei der Verteilung der Kosten. Damit einzelne Anlieger nicht hoch belastet werden, will Krause die Stadt in Quartiere aufteilen und die Kosten für Sanierungen auf alle Bewohner im jeweiligen Gebiet umlegen. Allenfalls in zehn bis 15 Jahren könnten die Beiträge gestrichen werden – vorausgesetzt, die Stadt entwickele sich weiter stabil.

Der Bürgermeister von Bad Bramstedt, Hans-Jürgen Kütbach, fürchtet eine Zwei-Klassen-Wirtschaft. Städte und Gemeinden mit leeren Kassen müssten weiterhin Ausbaubeiträge verlangen. „In jedem Fall sollte die Belastung der Anlieger nicht von der Zufälligkeit des Wohnorts abhängen“, schrieb Bürgermeister Hans-Jürgen Kütbach an den Innen- und Rechtsausschuss des Landtags.

Außerdem sieht Verwaltungschef Kütbach diverse rechtliche Unklarheiten und fordert präzise Erlasse zum neuen Gesetz. So sei beispielsweise nicht geregelt, wie finanzschwache Kommunen verfahren müssen, die Zuschüsse zum Haushalt erhalten und deshalb verpflichtet sind, alle Einnahmequellen auszuschöpfen.