Norderstedt. Politiker kritisieren: Pläne für das ökologisch ausgerichtete Neubaugebiet für rund 1300 Menschen müssen überarbeitet werden.
Die Parteien haben zum stark ökologisch ausgerichteten Konzept für das neue Wohnquartier Grüne Heyde, in dem rund 1300 Menschen leben sollen, Stellung genommen. Grundsätzlich begrüßen die Politiker die innovative Ausrichtung, lehnen aber einzelne Bausteine ab. Wie berichtet, soll das Neubaugebiet Grüne Heyde zwischen Mühlenweg, Harckesheyde, Schulweg und dem Gewebegebiet an der Oststraße in Norderstedt ein bundesweites Musterprojekt für Nachhaltigkeit werden.
Mehr Wohnraum schaffen, statt Grauwasser zu nutzen
Einkaufen im Wohngebiet, keine Busse im Viertel, Mehrgenerationen- und gesundes Wohnen mit Holzarchitektur, Lehm und Ökofarben, Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern, um die Sonnenenergie zu nutzen. Regenwasser wird aufgefangen, wenig verschmutztes Brauchwasser aus Waschmaschinen, Dusche und Küchen, das sogenannte Grauwasser, durch Pflanzen geklärt und wieder verwendet – das sind wesentliche Bestandteile des Konzeptes, für das die Stadt das Gütesiegel der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen anstrebt.
Die Nutzung von Grauwasser lehnen die Parteien mehrheitlich ab. Die Klärteiche verbrauchten zu viel Fläche, die sollte eher genutzt werden, um weiteren Wohnraum zu schaffen: „Ein ökologisches Versuchsprojekt hat sicherlich einen gewissen Charme für das Ansehen der Stadt, rechtfertigt jedoch nicht den Verbrauch von 10.000 Quadratmetern für potenziellen Wohnungsbau“, schreibt Stadtvertreter Peter Holle für die CDU. Zudem seien, wie die SPD anmerkt, die Kosten für die technische Ausstattung der Gebäude sowie für den Betrieb der Anlage hoch. Dadurch würden Baukosten und Mieten verteuert. Nur die Grünen halten die Grauwassernutzung für richtig, da Wasser zunehmend zu einem knappen und teuren Gut werde.
Auf Kritik bei den Politikern stoßen auch die knapp bemessenen Parkplätze und das Mobilitätskonzept. Ein halber Stellplatz pro Wohnung beziehungsweise Haus – das schlagen die Planer für das gesamte Wohnviertel vor. Die CDU hält das für unrealistisch und plädiert für ein Verhältnis von eins zu eins. Auch die FDP spricht von einem „weltfremden Stellplatzschlüssel“. Die Grünen finden die Zielvorgabe richtig, sehen aber die Bewohner der Geschosswohnungen im Nachteil, da dort nur ein Parkplatz für drei Wohnungen geplant ist.
Die Linke lehnt Stellplätze für die Wohnblocks komplett ab, noch radikaler formuliert die SPD ihr Ziel: überhaupt keine Parkplätze im gesamten Wohngebiet: „Das wäre ein eindeutiges Signal an die künftigen Bewohner und ein größerer Beitrag zum Ziel, Norderstedt bis 2040 klimaneutral zu machen“, schreibt SPD-Fraktionschef Nicolai Steinhau-Kühl, zugleich Vorsitzender des Ausschusses für Stadtentwicklung und Verkehr. Voraussetzung wären ein gutes Carsharing-Angebot, die Busse müssten häufiger fahren als jetzt, vor allem zwischen 22 und 6 Uhr.
„Das Mobilitätskonzept darf so nicht umgesetzt werden“, heißt es im Positionspapier von Wir in Norderstedt (WiN). Der zusätzliche Verkehr und die Suche nach Parkplätzen dürften die umliegenden Gebiete nicht belasten. Zudem müsse eine Buslinie das Viertel durchqueren – das hat die Verwaltung abgelehnt, da sich das nicht mit den Zertifizierungsrichtlinien der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen vereinbaren lasse.
Auch die anderen Parteien halten das bisherige Konzept für den öffentlichen Nahverkehr für „wenig zukunftsweisend“ und „veraltet“. CDU, Die Linke und Grüne sprechen sich für Kleinbusse aus, dann müsste auch der Mühlenweg nicht ausgebaut werden.
Dort ist die Verkehrsbelastung „vergleichsweise gering“. Aber: Viele Autofahrer ignorieren das Tempo-30-Gebot und fahren zum Teil deutlich schneller über die wichtige Querverbindung zwischen Ulzburger und Oststraße. Das sind Ergebnisse der Verkehrsanalyse, die sich teilweise mit den Aussagen der Anwohner decken. Die Anlieger haben wiederholt gegen die Raser protestiert, zuletzt im Sommer, als bekannt wurde, dass die schmale Straße ausgebaut werden soll, um den Verkehr aus dem Neubaugebiet Grüne Heyde aufzunehmen.
Verkehr auf dem Mühlenweg ist vergleichsweise gering
Die Verwaltung hat vom 12. bis 16. Oktober gemessen, wie viele Fahrzeuge mit welchem Ziel auf dem Mühlenweg unterwegs sind und die Ergebnisse den Politikern im Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr vorgestellt. Im Schnitt aller Analysetage einschließlich des Wochenendes haben 2300 Fahrzeuge die beiden Messstellen im westlichen und östlichen Straßenabschnitt passiert – ein Ergebnis, das die Verwaltung als gering im Vergleich mit ähnlichen Straßen bewertet. Auf den ebenfalls gut frequentierten Ost-West-Verbindungen Steindamm und Buchen-weg, seien täglich 4200 beziehungs-weise 3900 Fahrzeuge unterwegs.
Allerdings hat die Erhebung auch ergeben, dass mehr als die Hälfte aller Autofahrer auf dem Mühlenweg, für den Tempo 30 gilt, schneller als 50 fahren, 64 Fahrzeuge wurden mit 60 km/h und mehr gemessen, die Spitzengeschwindigkeit lag bei 106 km/h. Ursachen seien der gerade Straßenverlauf, der geringe Gegenverkehr, wodurch die Autofahrer an den verengten Punkten nicht warten müssten, und dass es in Richtung Osten kaum das Gebot rechts vor links gebe, weil dort nur wenige Straßen einmünden. Die Stadt sieht „Handlungsbedarf“ und will die Autofahrer stärker auf das Tempo-30-Gebot hinweisen, ohne bisher konkrete Maßnahmen zu formulieren.