Wir haben die Leser um ihre Meinung gebeten, die Stimmung im Rathaus ausgelotet und auch bei Interessensvertretern nachgefragt.
Roeder oder Hirsch? Knapp eine Woche vor der Stichwahl um das Amt des Oberbürgermeisters der Stadt Norderstedt am Sonntag, 26. November, diskutieren die Norderstedter über die beiden Kandidaten Elke Christina Roeder, 50 (SPD), und David Hirsch, 44 (CDU). Wer ist geeigneter für den Chefsessel im Rathaus? Was wünschen sich die Wähler von einem/einer neuen OB? Wir lassen heute Vertreter aus allen Bereichen der Norderstedter Gesellschaft sprechen. Wir haben die Leser des Abendblatts um ihre Meinung gebeten, die Stimmung der Mitarbeiter im Rathaus ausgelotet und auch bei Wirtschaftsverbänden nachgefragt – ein umfangreiches Stimmungsbild in der entscheidenden Phase vor der Stichwahl um das wichtigste Amt der Stadt.
Im Rathaus
Viel dringt nicht nach außen von der Vorstellung der Kandidaten am Donnerstagabend vor den Mitarbeitern der Stadtverwaltung. „An diesem Abend ging es nicht allgemein um das Amt des Oberbürgermeisters, sondern um unseren künftigen Chef oder unsere künftige Chefin“, sagt Jürgen Hanika, Personalratsvorsitzender. Es gebe drei Lager: Kategorische Roeder- oder Hirsch-Fans und jene, die unentschieden sind. „Wir haben bei den Kandidaten genau hingeschaut“, sagt Hanika.
Unter Grote habe sich Unzufriedenheit aufgestaut. „Der kommunizierte weniger nach innen als nach außen.“ Das müsse deutlich besser werden. Entscheidend für die Mitarbeiter im Rathaus ist, wie die Arbeitsbedingungen sich entwickeln werden, ob es einen Anbau und mehr Platz geben wird, eine Kantine. Im Wahlkampf fühlten sich die Mitarbeiter von den Kandidaten nicht recht wahrgenommen, zu selten hätten Roeder und Hirsch bei den Themen auf die Expertise in den Fachabteilungen verwiesen. „Das kam nicht gut an“, sagt Hanika.
Die Kultur
Als Kampf der Gleichgewichte wird das Roeder-Hirsch-Duell in der Kulturszene gesehen. „Thematisch sind die eng beieinander“, sagt Manfred Thiel, Vorsitzender vom Kulturverein Malimu. Dass so gut wie keine Aussagen zum Thema Kultur von beiden kamen, bestürzt Thiel. „Beide müssen begreifen, dass für Kultur mehr gemacht werden muss in der Stadt. Wir brauchen ein eigenes Dezernat dafür im Rathaus.“
Michael Scharbert vom Theater Pur findet den Wahlkampf spannend und beide Kandidaten gut. „Aber es ist eine Black Box. Was wir bekommen, wissen wir erst, wenn einer von beiden im Amt ist. Ich bin unentschlossen.“ Aus kulturpolitischer Sicht sei das vergangene Jahr eine Katastrophe gewesen. „Es kann also nur besser werden.“
Der Sport
„Norderstedt ist die Stadt mit der größten Sportstättenunterdeckung in Schleswig-Holstein“. Darauf verweist Reenald Koch, Präsident von Eintracht Norderstedt. Dass trotzdem der Sport am vergangenen Montag in der „TriBühne“ überhaupt nicht erwähnt worden sei, „war erschütternd und stimmt bedenklich“. Anderen Beobachtern fiel auf, dass sich David Hirsch für den Erhalt des Lehrschwimmbeckens in Friedrichsgabe aussprach. Andrea Mordhorst, Vorsitzende von TuRa Harksheide, des größten Sportvereins in der Stadt, erinnert sich an die Talkrunde zum Thema Sportpolitik, die von der Interessengemeinschaft der großen Clubs initiiert worden war. „Da war das Resümee: Keiner der Kandidaten hatte sich vorbereitet.“ Sie sagt: „Es muss massiv etwas getan werden beim Sport und den Schulen. Herr Hirsch möchte ja eine Hochschule ansiedeln. Studenten treiben auch gerne Sport.“
Die Wirtschaft
Empfehlungen geben die Wirtschaftsverbände nicht, sie formulieren Wünsche und Erwartungen: „Es wäre schön, wenn sich die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen den Geschäftsleuten am Schmuggelstieg und der Stadt unter der neuen Verwaltungsleitung fortsetzen würde“, sagt Thomas Krönke von der Interessengemeinschaft Ochsenzoll. „Ich setze darauf, dass der oder die neue OB schnell Kontakt zur Wirtschaft sucht und sich der Probleme annimmt“, sagt Birgit Wieczorek, Vorsitzende im Bündnis der Selbstständigen (BDS). Die Gewerbegebiete an der Oststraße und am Gutenbergring müssten dringend wiederbelebt, Verkehrsstaus abgebaut, Straßenbauarbeiten besser abgestimmt und die Stadtteile gestärkt werden. „Die neue Verwaltungsleitung sollte sich zügig mit den Problemen an der Ulzburger Straße auseinandersetzen“, fordert Henning Schurbohm, Sprecher des Initiativkreises Ulzburger Straße.
„Bisher hat die Stadt ihre Zukunft selbst in die Hand genommen und damit attraktive Bedingungen für Unternehmen und Bürger geschaffen: Glasfasernetz, Stadtpark und Lösung von Verkehrsproblemen. Wichtig ist, dass diese Dynamik in der Stadt und der Region anhält“, sagt Lars Schöning, Hauptgeschäftsführer der IHK Lübeck. Der neue Bürgermeister, die neue Bürgermeisterin sollte die drängenden Probleme anpacken: den Fachkräftemangel bekämpfen, Konzepte gegen Staus entwickeln und vor allem ausreichend Flächen für Unternehmen ausweisen. Im Umfeld der großen Unternehmen solle die Stadt attraktive Rahmenbedingungen für Existenzgründer und kleinere Unternehmen schaffen.
Die Abendblatt-Leser
„Für mich ist David Hirsch der bessere OB, weil er sich bei den Politikern und im Rathaus Gehör verschaffen wird. Er ist ein Mann mit klaren Strukturen und mit Ecken und Kanten“, sagt Leser Bruno Lorenzen. Die bei der ersten Wahl nur drittplatzierte Anette Reinders hätte hingegen Leser Günther Müller gerne bei der Stichwahl dabei gehabt. „Roeder und Hirsch machen auf mich nicht den Eindruck, dass sie viel mehr machen, als die Stadt künftig zu verwalten. Ihnen mangelt es an Kenntnis der lokalen Verhältnisse für die richtige Auswahl vorrangiger Probleme.“
Udo Heidemann setzt auf Elke Christina Roeder. In einem Rathaus mit 1200 Mitarbeitern und drei Dezernaten brauche es Erfahrung und Kompetenz in einem Bürgermeisteramt. „Insofern können wir Norderstedter uns freuen, dass sich eine sympathische Kandidatin mit diesem Hintergrund um das Amt des Oberbürgermeisters bewirbt.“
Nur 11.566 von 24.572 Stimmen für Roeder und Hirsch im ersten Wahlgang: „Wir Norderstedter sollen nun in der Stichwahl Kandidaten zum OB machen, die wir mehrheitlich nicht wollen“, folgert Leser Hannes Westphal. „Wenn es den beiden Kandidaten wirklich um Norderstedt und um uns Bürgerinnen und Bürger gehen würde, hätte ich großen Respekt, wenn beide ihre Kandidatur zurückziehen würden.
Überzeugt von den Kandidaten ist Leserin Ona Bosse nicht. „Wahlentscheidender Grund für mich ist die (erahnte) Persönlichkeit und auch die Vorgeschichte der Kandidaten. Führung, Kooperationsvermögen und Durchsetzungskraft seien erforderlich. „Ich favorisiere Frau Roeder“.
Peter Talakerer fragt sich, ob die beiden Kandidaten wirklich qualifiziert sind, dieses Amt zu übernehmen. „Ich hoffe, dass die beiden Parteien die Bewerber sorgfältig ausgewählt haben. Die anspruchsvollen Verwaltungsaufgaben sind das eine, aber bisher konnten wir stolz auf die positive Entwicklung der Stadt sein.“
Michael Blaeser wird bei der Stichwahl nicht wählen. Er will keine „ortsfremden Zugereisten“ als OB. „Bei dieser Wahlbeteiligung hat die/der OB keinen Rückhalt aus der Bevölkerung, aber zumindest einen guten Posten.“ Leserin Renate Bondke schreibt: „Bürger, die nicht wählen, haben später nicht das Recht, Kritik zu äußern.“