Bad Segeberg. Ob im Bus oder auf Facebook – fremdenfeindliche Äußerungen sind salonfähig geworden. Im Kreishaus wurden Gegenstrategien aufgezeigt.
„Die Ausländer nehmen uns alles weg“, „In 20 Jahren gibt es ja keine Deutsche mehr im Land“ und „Die Flüchtlinge sind alle kriminell“: Stammtischparolen sind salonfähig geworden. Ob am Abendbrotstisch, im Bus oder auf Facebook – fremdenfeindliche Äußerungen sind leicht ausgesprochen, gute Antworten darauf hingegen schwer zu finden. Tim Gijsemans von dem Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus in Schleswig-Holstein weiß, wie die platten Sprüche funktionieren. In einer kostenfreien Fortbildung im Kreishaus Bad Segeberg vermittelte er Gegenstrategien.
„Vorurteile finden sich nicht nur an den rechten Rändern der Gesellschaft, sondern auch in der breiten Mitte“, sagt der 33 Jahre alte Referent. Mehr als 15 Prozent der Bevölkerung gibt bei einer Befragung der Friedrich-Ebert-Stiftung von 2016 an, dass Muslimen die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden sollte. Weniger als ein Drittel der Befragten findet, dass der Staat bei der Prüfung von Asylanträgen großzügig sein darf. Gijsemans zitiert einige Zahlen, die Botschaft ist eindeutig: Rassismus ist in Deutschland für viele heute Alltag.
Die etwa 20 Teilnehmer müssen bei fast jeder Zahl tief seufzen. Viele von ihnen engagieren sich ehrenamtlich oder haben beruflich mit den Themen Migration und Flucht zu tun. Für die meisten sind die Zahlen aus der Studie neu, doch sie alle kennen die dahintersteckenden Ressentiments. „Das Niveau ist stark gesunken“, berichtet einer der Teilnehmer, der seit zwölf Jahren im Ehrenamt ist. „Neulich wurde ich auf der Straße beschimpft mit den Worten ,Warum sitzt du neben einem Nigger?’“ Eine Teilnehmerin bekam Hass-Mails wegen ihres Engagements für Flüchtlinge. Mehrere der Anwesenden verzweifeln an rassistischen Sprüchen von Verwandten am Abendbrotstisch.
Anonyme Beratung
Was die Teilnehmer eint, ist dass sie sich eine bessere Antwort darauf wünschen. Zunächst zeigt Gijsemans auf, welche gemeinsamen Muster hinter Stammtischparolen stecken. „Sie funktionieren oft über Dualismus – eine simple Aufteilung in ,wir’ und ,die anderen.’“ Diese Verallgemeinerung solle man auflösen. Zum Beispiel indem man fragt, wer etwa bei dem Satz „Die Ausländer bekommen alles vom Staat“ gemeint sei. Sind es die dänischen Nachbarn oder der italienische Restaurantbesitzer? Durch Konkretisieren können die pauschalen Sätze entkräftet werden.
Stammtischparolen kann man auch mit Humor begegnen
Auch Humor gehöre zu den bewährten Mitteln gegen fremdenfeindliche Sprüche. „Was oft hilft, ist der Perspektivenwechsel: ,Die Bayern oder die Belgier nehmen uns alles weg!’“ Diese Strategie zeige die Absurdität allgemeiner Sprüche auf und erzeuge Lacher. „Mit Humor kann man unbeteiligte Dritte auf seine Seite ziehen“, so Gijsemans.
Stammtischparolen eint auch, dass sie meistens auf einer emotionalen Ebene funktionieren. „Es wird oft mit Ängsten hantiert. In so einer Diskussion helfen Fakten und Zahlen leider nur selten“, sagt Gijsemans. Wer etwas ohne Argumente glaubt, lässt sich auch nicht durch Argumente überzeugen. Eine bessere Strategie sei es, empathisch darauf zu reagieren.
Wenn nichts hilft, solle man aber klare Grenzen ziehen. „Es ist kein Zeichen der Schwäche, das Gespräch abzubrechen“, so der 33-Jährige. Vielmehr könne es ein starkes Statement sein. „Das Weihnachtsessen wird häufig zum Stammtisch gemacht. Wenn ein Familienmitglied meint, sich zu Weihnachten fremdenfeindlich äußern zu müssen, soll man klar zeigen, dass das nicht der Ort für solche Diskussionen ist.“
Nach Ende der Veranstaltung geben die Teilnehmer eine Bewertung ab – die überwiegende Mehrheit ist zufrieden. Auch wenn sie die perfekte Antwort auf die platten Sprüche wohl nie finden werden. Dafür sind Stammtischparolen zu pauschal, zu irrational. Doch es tut gut zu wissen, dass man nicht alleine dagegen steht.