Norderstedt. Jan Schröter beschäftigt sich in dieser Woche mit einer Norderstedter Posse. Der Kolumnist sieht jedoch auch die guten Seiten.
Am Tucheler Weg in Norderstedt stehen Reihenhäuser – und das seit 51 Jahren. Nun entdeckte die Stadtverwaltung, dass die Vorgartenfläche dieser Häuser städtisches Eigentum ist und erhebt eine jährliche Pachtsumme von 48 Euro. Die betroffenen Anwohner vom Tucheler Weg sind, verständlicherweise, nicht besonders begeistert.
Alle anderen dagegen schon. Denn dieser Vorfall liefert uns endlich die wissenschaftlich exakte Reaktionszeitspanne von Behörden auf eine vorliegende Faktenlage: 51 Jahre.
Eigentlich sollten sich die Anwohner am Tucheler Weg freuen, denn sie haben flotte 2448 Euro gespart. Das wäre nämlich die Vorgarten-Pachtsumme der letzten 51 Jahre gewesen. Und es braucht auch niemand zu befürchten, dass diese Summe jetzt nachträglich eingetrieben wird. Denn bis die Stadtverwaltung darauf kommt, vergehen ja wieder 51 Jahre.
Was auf den ersten Blick wie unfassbare Trödelei oder gar Faulheit aussieht, entpuppt sich als Akt von großer Weisheit, wenn man länger darüber nachdenkt (ich musste sehr lange darüber nachdenken). Diese enorme Verzögerung bricht die Härte jeglicher Anordnung und versöhnt die Bürger mit ihrer Obrigkeit. Jedenfalls, sofern sich wirklich jede Behörde konsequent an die nunmehr festgelegte Reaktionszeit von 51 Jahren hält.
Ordnungsgeldbescheid kommt erst 2068
Zum Beispiel bin ich gerade auf der Schleswig-Holstein-Straße geblitzt worden, weil dort mittlerweile mehr Kamerasäulen stehen als normale Begrenzungspfähle. Früher hätte mich das aufgeregt. Nun erwarte ich den Ordnungs-geldbescheid ganz gelassen, weil er erst im Jahr 2068 zugestellt wird. Wir gießen das gleich mal in eine griffige Formel: B + RZ = LM. B (Behörde) ist Platzhalter für Amtsstuben aller Art, RZ (Reaktionszeit) ist eine Konstante und beträgt stets 51 Jahre. LM (lecko mio) kennzeichnet die Haltung betroffener Bürgerinnen und Bürger und ist auch eine Konstante, irgendwie.
Gemäß dieser Formel ließe sich jede Menge unangenehmer Entscheidungen auf künftige Generationen abwälzen. Und das, mal ehrlich, können wir doch alle ganz gut.