Acht Oberbürgermeister-Kandidaten beantworten im Abendblatt Fragen zu den wichtigsten Themen. Heute geht es um die Stadtentwicklung.

Das sind die Fragen:

1. Wohnraum in Norderstedt ist teuer, günstige Wohnungen sind knapp. Aber sollte nicht jeder eine Wohnung finden und bezahlen können?

2. Die Gewerbesteuer-Quelle sprudelt mit Rekordleistung. Ist es nicht Zeit, den Rekord-Hebesatz in Norderstedt wieder zu senken?

3. Norderstedt wird kreisfreie Stadt, spart sich die horrende Kreisumlage und bekommt ein eigenes Nummernschild! Gute Idee?

4. Warten auf Behördengänge ist verlorene Lebenszeit: Geht Bürgerservice nicht auch komplett digital?

Und das sind die Antworten der OB-Kandidaten:

Sven Wojtkowiak

Norderstedt. Oberbürgermeister-Wahl 2017: Kandidat Sven Wojtkowiak (FDP).
Norderstedt. Oberbürgermeister-Wahl 2017: Kandidat Sven Wojtkowiak (FDP). © HA | FDP Norderstedt

Antwort 1: Norderstedt soll eine Stadt im Grünen bleiben und funktionierende Straßen, Schulen, Kindergärten und Sportanlagen bereithalten. Das setzt dem Wachstum Grenzen. Wir können nicht in Norderstedt das Wohnraumproblem für die gesamte Metropolregion lösen. Wir sollten uns darauf beschränken, weiterhin den Anteil an öffentlich gefördertem Wohnraum in den neu geplanten Wohnbaugebieten festzuschreiben. Für junge Familien, die Eigentum erwerben möchten, könnte die Stadt zum Beispiel Erbbaurechte ausgeben.

Antwort 2: Die Gewerbesteuer wurde in Zeiten knapper Finanzen erhöht; ich werde mit der Stadtvertretung, die darüber entscheidet, besprechen, ob wir sie im Interesse der kleinen und mittleren Betriebe wieder senken können.

Antwort 3 : …und kann wie die anderen kreisfreien Städte seine Aufgaben nicht mehr bezahlen. Dass dieses ständig wieder diskutiert wird, kann man als Ortsfremder natürlich nicht wissen. Im letzten Jahr haben wir rund 44 Millionen Euro an den Kreis gezahlt, übrigens auch weitere 20 Millionen an das Land einschließlich Gewerbesteuerumlage. Vom Kreis haben wir rund 20 Millionen Euro für Jugend und Soziales zurückerhalten. Der Kreis entlastet uns von vielen staatlichen Aufgaben, die wir allein nicht wirtschaftlich durchführen könnten.

Antwort 4: Digitalisierung soweit wie möglich; viele Behördengänge können wir uns in Norderstedt schon jetzt ersparen. Es wird aber immer Leistungen geben, die persönliches Erscheinen erfordern. Damit meine ich nicht nur die Eheschließung. Wichtig ist, dass solche Termine aber auch umfassend elektronisch vorbereitet werden können.

Thomas Thedens

Die Freien Wähler schicken ihren Landesgschäftsführer Thomas Thedens (50) ins Rennen, der als Fachwirt für Grundstücks- und Wohnungswirtschaft in Norderstedt-Glashütte lebt und sich bereits als Kandidat zur Landtagswahl versucht hat
Die Freien Wähler schicken ihren Landesgschäftsführer Thomas Thedens (50) ins Rennen, der als Fachwirt für Grundstücks- und Wohnungswirtschaft in Norderstedt-Glashütte lebt und sich bereits als Kandidat zur Landtagswahl versucht hat © HA | Andreas Burgmayer

Antwort 1: Ja, das ist absolut anstrebenswert. Aber der Platz in unserer Stadt ist auf natürliche Weise begrenzt und Baugrundstücke kaum noch vorhanden. Eine Lösung, um dauerhaft günstigen Wohnraum zu schaffen, ist die Zusammenarbeit mit Genossenschaften. Die Koordination und die Leitung der Bauprojekte könnte die EGNO übernehmen. Öffentlich geförderter Wohnungsbau ist leider nur eine Zwischenlösung auf Zeit. Nach Ablauf der Förderung geht dieser Wohnraum wieder in den freien Markt über. Mittel- bis langfristig gesehen, wird der „Hamburger Speckgürtel“ weit über Norderstedt hinausgehen. Deshalb macht es Sinn, Wohnraum und auch Verkehrskonzepte mit dem Umland gemeinsam zu gestalten und umzusetzen.

Antwort 2: Um Norderstedt für die Unternehmen attraktiv zu halten, wäre eine Senkung des Hebesatzes sicherlich sinnvoll. Auch hier ist natürlich zu prüfen, in welcher Höhe dies möglich ist.

Antwort 3: Nein. Als kreisfreie Stadt übernehmen wir auch die Aufgaben, die sonst der Landkreis durchführt. Ein Beispiel ist das Rettungswesen. Würden wir uns als kreisfreie Stadt aus der „Solidargemeinschaft“ ausklinken, würden wir dann vermutlich auch keine oder weniger gemeinsame Konzepte mit dem Umland umsetzen können.

Antwort 4: Auf gar keinen Fall. Der Mensch sollte im Mittelpunkt stehen. Deshalb soll jeder selber entscheiden dürfen, ob er seine Amtsangelegenheiten digital erledigen möchte, oder lieber mit einem „echten Menschen“ vor Ort sprechen möchte. Die Digitalisierung ist wichtig, als Werkzeug zur Unterstützung. Nicht aber, um Mitarbeiter zu ersetzen!

Anette Reinders

OB-Kandidatin von Anette Reinders
OB-Kandidatin von Anette Reinders © HA | Michael Schick

Antwort 1: Diese Frage wird wohl jeder mit „Ja“ beantworten. Nur wie kommt man dahin? Als Oberbürgermeisterin werde ich das Thema „Wohnungsbau“ zur Chefinnensache erklären. Wir brauchen einen abgestimmten Plan zur Schaffung von neuem Wohnraum. Und wir brauchen alle Akteure: die Wohnungswirtschaft, die Entwicklungsgesellschaft und auch Bürgerinnen und Bürgern, die mit eigenen Genossenschaften zum Wohnungsbau beitragen.

Antwort 2: Der Satz liegt in Norderstedt bei 440 Prozentpunkten und damit in etwa auf dem Niveau der kreisfreien Städte in Schleswig-Holstein (zwischen 410 und 450 Prozentpunkte). Eine Stadt in der Metropolregion muss attraktiv bleiben, deshalb muss weiterhin in die soziale und verkehrliche Infrastruktur investiert werden. Der Ausbau von Kitas und Schulen, der Bau neuer Radwege, aber auch die Verbesserung des Nahverkehrs erfordert finanzielle Spielräume, die nur durch eine gute Einnahmesituation vorhanden sein werden. Davon profitieren auch Firmen und Arbeitgeber.

Antwort 3: Abgesehen davon, dass das Land weitere kreisfreie Städte nicht zulassen will, werden mit der Loslösung weitere Kosten auf die Stadt zukommen. So zum Beispiel der gesamte Bereich der sozialen Sicherung, die Kosten der Eingliederungshilfe oder der Jugendhilfe, die wir bislang erstattet bekommen. Da sollte man also genau berechnen, ob man nicht am Ende draufzahlt.

Antwort 4: Ein komplett digitaler Bürgerservice ist wahrscheinlich nicht realistisch, aber mehr geht auf jeden Fall und ist auch in Arbeit. Beispielsweise bei der Kita-Anmeldung oder bei Ermäßigungsanträgen zur Sozialstaffel.

Reimer Rathje

Oberbürgermeister-Wahl 2017 Kandidat Reimer Rathje (Wir in Norderstedt).
Oberbürgermeister-Wahl 2017 Kandidat Reimer Rathje (Wir in Norderstedt). © HA | Christopher Herbst

Antwort 1: Jeder Mensch hat ein Recht auf bezahlbaren Wohnraum! Leider können wir nicht jeder/jedem auch eine Wohnung in unserer Stadt anbieten, da unsere Flächen begrenzt sind. Wir sollten auch großen Wert auf die Lebens- und Wohnqualität legen und genügend Grünflächen erhalten.

Antwort 2: Ich sehe den hohen Hebesatz sehr kritisch. Allerdings sind wir aufgrund unserer hohen Zahlungen bezüglich des Finanzausgleiches indirekt dazu gezwungen. Glücklicherweise können wir dennoch neue Gewerbeansiedlungen verzeichnen. Mit Blick auf die großen Investitionen im Schul- und Sportstättenbereich möchte ich den Hebesatz zum heutigen Zeitpunkt nicht senken.

Antwort 3: Norderstedt wird mit seinen hohen Steuereinnahmen immer Begehrlichkeiten wecken, wenn nicht von einem Kreis, dann vom Land Schleswig-Holstein. Nebenbei wird der Status ‚kreisfreie Stadt‘ andere Investitionen nach sich ziehen, sodass ich ein höheres Finanzvolumen bezweifele.

Antwort 4: Die Digitalisierung ist zukünftig der nächste große Schritt in der Norderstedter Verwaltung. Die ersten Maßnahmen wurden bereits eingeleitet. Wir müssen jedoch den Fortschritt mit Augenmaß weiterführen und die MitarbeiterInnen und Bürger umfangreich einbeziehen.

Christian Waldheim

Kandidat Christian Waldheim (Alternative für Deutschland).
Kandidat Christian Waldheim (Alternative für Deutschland). © HA | AfD

Antwort 1: Ja. Die Einführung der 30-Prozent-Quote bei Wohnungsneubauten halte ich daher für eine erste sinnvolle Maßnahme. Aber nicht nur Wohnraum für den 1. oder 2. Förderweg muss geschaffen werden, sondern generell „bezahlbarer“ Wohnraum für den Durchschnittsverdiener, wobei die ältere Generation nicht vergessen werden darf. Hier gilt es, neue Wohnkonzepte zu entwickeln, auch um die gesellschaftlichen Veränderungen abzubilden.


Antwort 2:
Ja, denn der Hebesatz ist für Unternehmen ein entscheidender Standortfaktor. In Norderstedt gab es seit Anfang der 2000er-Jahre nur einen Weg – stets nach oben (Ausnahme 2006 bis 2010). Bei mittlerweile 440 Prozent ist der Unterschied zu Hamburg (470) nicht mehr groß, wohl aber zu den Nachbargemeinden Quickborn (320) und Henstedt-Ulzburg (322). Hier besteht dringender Handlungsbedarf, um die Wirtschaftskraft Norderstedts mittel- und langfristig dauerhaft zu erhalten.


Antwort 3:
Ideen sind grundsätzlich immer gut und begrüßenswert. Bevor eine Idee aber umgesetzt wird, bedarf es einer Abwägung des Für und Wider. Und bei der Idee der kreisfreien Stadt sehe ich persönlich für Norderstedt keine nennenswerten Vorteile.


Antwort 4:
Nur Menschen können Menschen auch menschlich beraten. Somit ist in einigen Bereichen des direkten Kontaktes zwischen Amt und Bürgern aus meiner Sicht keine hundertprozentige Digitalisierung möglich. Eine Vielzahl aber von einfachen verwaltungstechnischen Angelegenheiten sollte wesentlich stärker als bisher digitalisiert werden. Hier ist das Angebot aus meiner Sicht stark optimierungsfähig.

Jens Kahlsdorf

Jens Kahlsdorf will Chef im Norderstedter Rathaus werden
Jens Kahlsdorf will Chef im Norderstedter Rathaus werden © HA | Michael Schick

Antwort 1: Auch zukünftig muss es möglich sein, dass Rentner mit kleiner Rente und Personen mit durchschnittlichem Einkommen in Norderstedt eine Bleibe finden. Gleichwohl profitieren wir von der Lagegunst zu Hamburg, sodass die Preise steigen. Das alte Rezept „Sozialer Wohnungsbau“ muss allerdings „neu gedacht“ werden, da normales Baugeld durch die Nullzinspolitik günstiger ist als die Förderkredite des sozialen Wohnungsbaus. Ich freue mich über den Beschluss der Gremien, dass 30 Prozent sozialer Wohnungsbau festgeschrieben ist. Wir werden hier Lösungen erarbeiten, sei es mit einem Wirtschaftsbündnis und/oder auch über die EGNO.


Antwort 2: Hier stellt sich die Frage, was man will. Die Vorteile zu Hamburg für Firmenansiedlungen sind längst abgeschmolzen. Ich möchte Norderstedt sozialverträglich wirtschaftsfreundlicher gestalten. Die Gewerbesteuer ist da nur ein Mosaikstein. Zahlreiche weitere Nebenkosten spielen eine weitere Rolle.


Antwort 3: Im Sinne einer sozialen Marktwirtschaft eine ganz schlechte Idee. Langfristig zielführender ist es, die Nachbargemeinden mitzunehmen und dadurch zu stärken, ohne die eigenen Ziele aus den Augen zu verlieren und durch deren Leistungssteigerung die hohe Kreisumlage zu senken. Das würde Norderstedt auch vom Image her in der Außendarstellung gut bekommen.


Antwort 4:
Skandinavien lebt es uns bereits vor. In Schweden können Sie sogar Kfz via Internet zulassen und abmelden. Sie benötigen keine Plaketten. In Norderstedt ist manches schon da, vieles kann man auch noch optimieren. Ein Thema, das nicht nur Norderstedt, sondern auch Kreis, Land und Bund betrifft.

Elke Christina Roeder

Elke Christina Roeder Kandiatin (SPD)
Elke Christina Roeder Kandiatin (SPD) © HA | Michael Schick

Antwort 1:Kommunen können das Wohnungsangebot i.d.R. nicht selbst vergrößern und diversifizieren. Sie können aber als Impulsgeber und Moderator wirken. Dazu sollte ein kommunales „Handlungskonzept Wohnen“ erarbeitet werden, das u. a. Aussagen dazu enthält, wie die soziale Wohnraumversorgung verbessert, die Erhaltung und Aufwertung der Bestände gesichert und die nachhaltige Stadtentwicklung vorangetrieben werden können – beispielsweise Projekte im Rahmen des Programms „Soziale Stadt“. Als Instrument zur Entwicklung der wohnungspolitischen Ziele bietet sich auch ein „Lokales Bündnis für Wohnen“ an, in dem die Wohnungsmarktakteure verbindlich zusammenarbeiten. Die Führung bei der Entwicklung und Steuerung des Handlungskonzepts muss Chefsache sein.

Antwort 2: Die Höhe der Gewerbesteuer halte ich für angemessen, würde aber eine weitere Erhöhung ablehnen. Dass die Gewerbesteuer nicht zu hoch bemessen ist, kann ich auch daraus entnehmen, dass trotz des Hebesatzes immer neue Unternehmen ihren Sitz nach Norderstedt verlegen.

Antwort 3: Für die Kreisfreiheit wären zunächst erhebliche Investitionen, z.B. in ein Krankenhaus etc., erforderlich. Hier habe ich erhebliche Bedenken bezüglich einer Finanzierung. Dieses Geld sollten wir lieber in die örtliche Infrastruktur stecken, zumal der einzelne Bürger von einer Kreisfreiheit keine spürbaren Vorteile haben würde.

Antwort 4: Das Thema der Digitalisierung liegt mir sehr am Herzen. Ich würde mich dafür einsetzen, dass zeitnah die Umstellung auf einen Online-Bürgerservice abgeschlossen wird.

David Hirsch

David Hirsch
David Hirsch © HA | Michael Schick

Antwort 1: Natürlich muss Wohnraum, insbesondere für die Norderstedter/innen bezahlbar bleiben oder wieder werden. Gleichzeitig auch für Menschen, die in Norderstedt arbeiten und sich deshalb hier niederlassen wollen. Da die Dynamiken des Marktes diesen Zustand nicht ermöglichen, muss die Kommunalpolitik lenkend eingreifen. Ich möchte eine Schulterschlussstrategie mit den Unternehmen der Wohnungswirtschaft, der städtischen Gesellschaft EGNO sowie den Mieter- und Sozialverbänden erreichen. Eine zusätzliche, städtische Wohnungsbaugesellschaft braucht Norderstedt nicht.


Antwort 2:
Nein. Die Nachfrage von Unternehmen, sich in Norderstedt ansiedeln zu wollen, ist weiterhin groß. Die Unternehmen verlangen von der Stadt als Gewerbesteuerempfängerin eine gute Infrastruktur sowie attraktive Einrichtungen – auch für die Beschäftigten. All das muss bezahlt werden.


Antwort 3:
Wenn das so wäre, wäre es eine gute Idee. Die horrende Kreisumlage müsste auf der anderen Seite dann aber in die Finanzierung der Leistungen gesteckt werden, die momentan – auch für die Stadt Norderstedt – vom Landkreis Segeberg bezahlt werden. Ein eigenes Nummernschild wäre sicher Identitätsfördernd. Trotzdem halte ich die Kreisfreiheit Norderstedts momentan nicht für erforderlich, vielmehr ist eine engere Kooperation mit den Umlandgemeinden notwendig bis hin zur ggf. eines Tages Vergrößerung des Stadtgebietes durch freiwillige Gemeindefusionen.


Antwort 4:
Die Stadt Norderstedt ist bei der Digitalisierung führend. Deshalb wird der digitale Bürgerservice eines Tages auch komplett Einzug halten.