Sülfeld. Das Forschungszentrum Borstel erhält 2,8 Millionen Euro Fördergeld vom Bund für den Kampf gegen die Infektionskrankheit.

Das Ziel der Weltgesundheitsorganisation WHO ist ehrgeizig: Bis 2030 soll Tuberkulose (TBC) weltweit ausgerottet sein, so steht es in den Zielen für nachhaltige Entwicklung. In Deutschland gab es nach Angaben des Robert-Koch-Instituts im vergangenen Jahr 5915 Erkrankte, ein Jahr vorher waren es 5828. Auffällig ist: Im Kreis Segeberg haben sich die Tuberkulose-Fälle von 2014 (sieben) auf 2016 (21) verdreifacht.

Für den Kampf gegen die Lungenkrankheit haben sich renommierte Forschungszentren weltweit vernetzt, auch in Deutschland gibt es einen Forschungsverbund „ANTI-TB“. Und eine zentrale Rolle als Koordinator der sechs Einrichtungen nimmt ein Institut aus der Gemeinde Sülfeld im Kreis Segeberg ein: Das Forschungszentrum Borstel, das sich im gleichnamigen Ortsteil der Gemeinde befindet.

2,8 Millionen Euro, verteilt auf die nächsten drei Jahre, hat der Zusammenschluss nun als Fördersumme vom Bundesministerium für Bildung und Forschung erhalten. Das Geld soll dort eingesetzt werden, wo bisher die größten Hürden bestehen. Denn die Bekämpfung wird erheblich erschwert durch therapieresistente Erregerstämme. „Patienten mit einer multiresistenten oder einer extensiv resistenten Tuberkulose müssen bis zu 24 Monate lang Medikamente mit teilweise hohen Nebenwirkungen einnehmen“, sagt Professor Ulrich Schaible, Direktor des Programmbereichs Infektionen im Forschungszentrum Borstel. Ungefähr ein Drittel der Weltbevölkerung trägt den Tuberkulose-Erreger im Körper. Statistisch gibt es ein Risiko von etwa zehn Prozent, dass die Krankheit ausbricht. Dieser Faktor steigt bei Menschen mit Immunschwächen. Wer HIV-positiv ist und an TBC erkrankt, stirbt fast immer, auch Infizierte mit Unterernährung, Diabetiker oder starke Raucher sind ganz besonders gefährdet.

Das Forschungszentrum wurde 1947 gegründet

Als Tuberkulose-Institut wurde das Forschungszentrum Borstel 1947 gegründet, damals unterstützt durch das Land Schleswig-Holstein und den Kreis Segeberg. Stifter waren damals unter anderen auch die Hansestädte Hamburg und Bremen.

Seit 2003 gehört die Einrichtung zur Leibniz-Gemeinschaft, einem Zusammenschluss von 91 Forschungsstandorten in Deutschland.

Thematischer Schwerpunkt ist die Gesundheitsforschung in der Pneumologie – also dem Bereich der Inneren Medizin, der sich mit Lungenerkrankungen befasst.

Zum Zentrum gehört seit 1947 eine Spezialklinik. Der Jahresetat für das vergangene Jahr betrug 20,6 Millionen Euro, die durch Mittel des Bundes und der Länder getragen werden.

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Zwar stimmt es, dass Asien und Afrika als Regionen am meisten betroffen sind – 60 Prozent der Fälle treten in Indien, Indonesien, China, Nigeria, Pakistan und Südafrika auf. Dass aber auch in Deutschland wieder mehr Fälle registriert werden, hängt unmittelbar mit dem gestiegenen Flüchtlingsaufkommen zusammen. Der Grund: Das Infektionsschutzgesetz schreibt vor, dass Asylbewerber grundsätzlich untersucht werden müssen. Wird eine schwere Tuberkulose diagnostiziert, kommen die Betroffenen sogar oftmals nach Borstel, wo es auch eine Lungenklinik gibt. Der Standort ist zudem nationales Referenzzentrum für Tuberkulosebakterien.

Chemiker, Pharmazeuten und Biologen arbeiten zusammen

Ein neuer Ansatz des Verbundes „ANTI-TB“ soll nun die Therapie von Tuberkulose verbessern und die Entwicklung von Resistenzen vermindern – ein erheblicher Grund, warum weltweit gerade in Entwicklungs- und Schwellenländern immer noch so viele Menschen an der Krankheit sterben. Die Nanomedizin könnte das ändern. Kleinste Träger, beladen mit Antibiotika, sollen Infektionsherde in der Lunge zielgerichtet erreichen. „Ziel ist es, die Antibiotika-Nanoträger bis zur Schwelle der klinischen Testung zu entwickeln“, sagt Ulrich Schaible. Dann soll mittels einer Inhalationstherapie die Wirkstoffkonzentration erhöht, die Therapie verkürzt und weniger belastend gestaltet werden.

Ähnliche Verfahren gibt es bereits in der Tumormedizin. Bei Antibiotika stehen die Forscher erst am Anfang. Damit das Konzept auch bei anderen Krankheiten angewendet werden könnte, arbeiten im Verbund Chemiker, Pharmazeuten und Mikrobiologen zusammen.