Norderstedt. Interessengemeinschaft für Fluglärmschutz erwartet vom neuen Oberbürgermeister Unterstützung im Kampf gegen Lärm und Dreck.

Er oder sie ist noch gar nicht gewählt, aber die Norderstedter Interessengemeinschaft für Fluglärmschutz (NIG) fordert den neuen Oberbürgermeister oder die neue Oberbürgermeisterin schon jetzt auf, „endlich Maßnahmen gegen den zunehmenden Fluglärm und Flugdreck zu ergreifen“ – eine Forderung, die die NIG auch gleich an das Land Schleswig-Holstein stellt. Die Landesregierung müsse Norderstedt, Henstedt-Ulzburg, Quickborn und Hasloh beim Kampf gegen die ungerechte Verteilung des Fluglärms unterstützen. „Wir brauchen ein starkes Signal gegen die Hamburger Ungerechtigkeiten, Norderstedt darf auch keine Großparkplätze für den Airport auf städtischem Gebiet mehr zur Verfügung stellen, solange das Umland nicht entlastet wird“, sagt der NIG-Vorsitzende Hans-Joachim Hartmann.

Denn: Statt leiser werde es immer lauter über den Dächern von Norderstedt. „Die Zahl der Flugbewegungen über die Stadt hinweg nimmt zum Leidwesen der Bürger weiterhin ständig zu“, kritisiert Hartmann. Alle Zusagen und Maßnahmen für weniger Fluglärm seien verpufft oder hätten sich ins Gegenteil verkehrt. So seien über die Norderstedter Bahn in diesem Jahr bisher 70,6 Prozent der Maschinen gestartet, Tendenz steigend. Im Vorjahr seien es 63 Prozent gewesen.

Die Pünktlichkeitsoffensive, mit der der Flughafen vor allem die Starts und Landungen nach 23 Uhr reduzieren wollte, habe nicht gegriffen. Von Januar bis September seien mit 831 Landungen nach 23 Uhr mehr Regelverstöße festgestellt worden als im gesamten Jahr 2016. Bei den Starts sei die Lage noch dramatischer: Im Juni/Juli 2017 seien die Jahresniveaus von 2014 bis 2016 schon überschritten worden.

Der Anteil der leisen Flugzeuge sei in den vergangenen zehn Jahren von 31 auf 16 Prozent gesunken. „Als Resultat war das Jahr 2016 das bisher lauteste und gesundheitlich gefährlichste Jahr für die von Fluglärm geplagten Norderstedter“, sagt der NIG-Chef. An der Messstelle 13 (Ohlenhoff) habe der Lärm im Vergleich zu 2013 um 13 Prozent zugenommen.

Initiativen aus dem Umland sind alle gescheitert

Basis der aktuellen Praxis seien die Bahnbenutzungsregeln aus dem Jahr 1971. „Die Stadt Hamburg hat zum Schutz ihrer Bürger und ohne jegliche Rücksicht auf die Norderstedter Bevölkerung festgelegt, dass alle Starts Richtung Norden (Norderstedt/Quickborn) erfolgen sollen, insbesondere auch in den sensiblen Tagesrandzeiten“, sagt Hartmann. Hamburg profitiere, die Norderstedter hätten den Lärm und den krank machenden Flugdreck, mehr als 60 Tonnen Ultrafeinstaub pro Jahr. „Wir wollen insbesondere unsere nächtliche Ruhe und plädieren für ein Nachtflugverbot von Montag bis Freitag von 22 Uhr bis 6 Uhr sowie sonnabends und sonntags von 22 Uhr bis 8 Uhr“, fordert der NIG-Chef.

Bisher sind alle Initiativen, die Umlandbewohner vom Fluglärm zu entlasten, gescheitert. Ein gemeinsamer Forderungskatalog der Umlandbürgermeister brachte ebenso wenig Erfolg wie die Norderstedter Gespräche mit Vertretern der betroffenen Städte und Gemeinden, des Flughafens und der Landesregierungen. Da amtiert jetzt die Jamaika-Koalition. Wie will sie die Schleswig-Holsteiner im Süden vor Fluglärm schützen?

„Der Lärmschutz rund um den Hamburger Flughafen bleibt für Schleswig-Holstein ein wichtiges Thema. Denn trotz einer Reihe von Maßnahmen zum Schutz der Anwohner ist die Situation noch nicht befriedigend“, sagt Jana Ohlhoff, Sprecherin des Umweltministeriums. Das gelte insbesondere bei verspäteten Flügen und nächtlichem Fluglärm.

Kiels Einfluss ist allerdings begrenzt und reicht kaum über Gespräche hinaus. Ohlhoff verweist auf die Fluglärmschutzkommission, in der Norderstedt, Quickborn und Hasloh, die Kreise Pinneberg, Segeberg und Stormarn sowie Vertreter des Umwelt- und Verkehrsministeriums mitarbeiten. Dort würden die Verspätungen diskutiert, zudem habe der Flughafen das Bußgeld für diese Verstöße erhöht. Die Fluglärmschutzbeauftragte prüfe weitere Maßnahmen, das Umweltministerium werde geeignete Vorschläge nach Kräften unterstützen.

„Neben der Lärmschutzkommission gibt es kein Gremium, das gesetzlich legitimiert Einfluss auf Flugrouten zum und vom Hamburger Flughafen ausüben kann“, sagt die Ministeriumssprecherin und verweist auf die Schallschutzmaßnahmen für die Betroffenen im nordwestlichen Hamburger Umland. „Der Flugverkehr muss leiser, sauberer und weniger werden“, fordert Jana Ohlhoff.

„Die Kommission kann nur Empfehlungen abgeben, und Hamburg ist dort stark vertreten“, sagt Bernhard Brummund, Bürgermeister von Hasloh, der zunehmenden Ärger der Bürger über den wachsenden Fluglärm regis­triert. Er unterstützt die Initiative des BUND Hamburg, der ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr erreichen will und 15.000 Unterschriften an den Flughafen übergeben hat. Demnächst werde es in Hamburg eine Anhörung zur Volkspetition im Umweltausschuss geben. Umlandbewohner können da allerdings nicht unterschreiben.

Daher fordert die NIG alle fluglärmgeplagten Bürger auf, sich vermehrt bei der Fluglärmschutzbeauftragten unter 040/428 40 23 80 zu beschweren. Das Beschwerdeformular gibt es unter www.nig-fluglaermschutz.de im Internet.