Tangstedt. Norbert Klemme, Bäckermeister vom Gut Wulksfelde, gewinnt mit einer Eigenkreation einen Bioland-Lebensmittelpreis.

Wenn die Kruste und das Krumenbild stimmen, ist er zufrieden. In der Wulksfelder Gutsbäckerei gibt es Bio-Brote, soweit das Auge reicht. Und Norbert Klemme ist mittendrin. Für den 60-Jährigen ist das Bäckereihandwerk mehr als ein Job, das merkt jeder Gesprächspartner, der nach der Geschichte hinter einem der Brote fragt. Gerade hat Klemme von renommierter Stelle eine Auszeichnung erhalten, die zwar auch andere Bäcker bekommen, die aber immerhin beweist, dass in Wulksfelde am Rande der Gemeinde Tangstedt eine Menge richtig gemacht wird. Ein Bioland-Prädikat in Gold gab es jetzt für das Kartoffelbrot, eine Kreation von Norbert Klemme. Dieses Urteil haben Lebensmittelsensoriker der Technischen Universität München getroffen.

Was das bedeutet? Klemme und sein Team hatten ihr Produkt zum Wettbewerb geschickt, um zu „hören, ob wir etwas verbessern können“. Der geneigte Kunde kann sich vermutlich gar nicht vorstellen, wie penibel so ein Laib seziert werden kann. Geschmack und Geruch können auch Laien bewerten, aber beim Aussehen, besagter Kruste und dem Krumenbild sowie der Struktur kommt es schon auf minimale Details an. „Es wird nach Kleinigkeiten geguckt“, sagt Bäckermeister Klemme. „Ist die Kruste dick genug, die Porungen, Feinheiten eben.“

Kartoffeln kommen vom hofeigenen Acker

Perfektion gewinnt. Zum Vergleich: Der Bäcker hatte auch sein „Friesenbrot“ nach München geschickt – und das gewann „nur“ Silber, weil doch tatsächlich die Körner nicht gleichmäßig verteilt waren. Man kann sich vorstellen, dass so etwas manuell, also ohne maschinelle Hilfe, nicht ganz so einfach ist. „Da gibt es einen Unterschied zwischen Handwerk und Industrie, wo es gleichmäßig mit Rüttelmaschinen gemacht wird.“

Aber zurück zum Kartoffelbrot. Jeden Monat entwickelt Norbert Klemme etwas Neues. Seine Gewinn-Idee: Die hofeigenen Biokartoffeln sollten in ein Weizenmischbrot eingearbeitet werden. Das heißt: Geerntet vom Acker, gekocht, bloß nicht geschält, dann grob zerkleinert und in den Teig gemischt. „Die Kartoffeln werden so verarbeitet, wie sie sind.“

Mit dem Messer werden die Teiglinge an der Oberfläche eingeschnitten
Mit dem Messer werden die Teiglinge an der Oberfläche eingeschnitten © HA | Andreas Burgmayer

Auf fünf Kilogramm Mehl kommen fünf Kilogramm Kartoffeln, der Anteil der Erdäpfel in den Broten liegt bei jeweils fast 50 Prozent. Klemme: „Und es ist Olivenöl mit drin. Das I-Tüpfelchen sind geröstete Reisflocken.“ Auf Anhieb ist der Meister mit seinen Kreationen übrigens keinesfalls schon zufrieden. „Das dauert so drei Wochen. Erst wird es zu Papier gebracht, dann durchkalkuliert, gebacken und zwei-, dreimal gekostet.“ Und zwar nicht nur von ihm und seinem Team, sondern auch von anderen Hofmitarbeitern. Wie es bei klassischen Bäckern eben so ist, brummt der Betrieb tief in der Nacht. Um 5 Uhr morgens werden die Laibe abgeholt. Mindestens 2400 sind es, montags und freitags sogar 3000 oder mehr. Nur teilweise landen die Brote im eigenen Wulksfelder Hofladen. Das Netzwerk ist weitaus größer, der Lieferservice hat 2000 Abnehmer – Privatpersonen, Reform- und Naturkostläden, Famila, Edeka, dazu Wochenmarkthändler. Bis nach Lübeck-Dänischburg gehen die Touren.

Die Zeiten haben sich geändert – zum Positiven für diejenigen Anbieter, die auf „Bio“ setzen. Klemme gehört seit 1982 dazu, Bäcker ist er seit 42 Jahren. „Ich habe als Bäckerjunge angefangen.“ Vor der Schule Brötchen austragen, das wäre für heutige Teenager wohl unvorstellbar. Klemme, der aus Lübeck stammt und dort auch heute noch lebt, durchlief die Lehre, machte sich später mit seinem Meisterbrief selbstständig. Und startete 1999 noch einmal neu, als er eine Anzeige des Guts Wulksfelde las – es wurde jemand gesucht, der eine Bäckerei aufbauen sollte. Der Rest ist Geschichte.

Aber fachliche Anerkennung und Zertifikate hin oder her – worum es eigentlich geht, wo die Prioritäten liegen, hat Norbert Klemme in vier Jahrzehnten Backstube nicht vergessen. „Hauptsache, die Kunden sagen, das Brot ist gut.“