Kreis Segeberg. Der kostenlose Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung könnte die überlaufenden Notaufnahmen entlasten.
„Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung, guten Tag, sie sprechen mit Doktor Bartels.“ Über dem Schreibtisch des Allgemeinmediziners leuchtet eine rote Warnlampe, die signalisiert, dass ein Patienten-Gespräch geführt wird. Über das Headset fragt Torsten Bartels einige Eckdaten zum Befinden des Anrufers ab, entscheidet über das weitere Vorgehen.
Der 54-Jährige schiebt Bereitschaftsdienst. Ein- bis zweimal im Monat ist er der Telefonarzt – einer von bundesweit 1450 – für die unklaren Fälle, die aus der Bereitschaftszentrale durchgestellt werden. Die Leitstelle in der Oldesloer Straße in Bad Segeberg ist an diesem Tag mit zehn Mitarbeitern besetzt.
Alle kommen aus medizinischen Berufen: Krankenschwestern, Arzthelferinnen, Sanitäter, die hier in Vollzeit oder auf Minijob-Basis nebenbei arbeiten.
Der Senior, den starkes Unwohlsein quält, die besorgte Mutter, deren Kind einfach nicht aufhört zu husten und nun auch noch Fieber bekommen hat, das Altenheim, das eine wichtige Frage zur Medikamentengabe hat: Das ist Alltag in der Bereitschaftsstelle, deren Aufgabe es ist, außerhalb der Praxis-Sprechzeiten Hilfe anzubieten. Dazu gehört manchmal auch der Rat, zur nächsten Notfallpraxis zu fahren.
Sie organisieren Hausbesuche oder Fahrdienste und in akuten Fällen auch einen Notarzt. Fast eine viertel Million Patienten haben im vergangenen Jahr hier angerufen, Menschen, die sonst womöglich zur Notfallambulanz gegangen wären. „Dort binden sie Ressourcen, die für wirklich schwere Dinge gebraucht werden“, sagt der Mediziner und macht deutlich, dass der Bereitschaftsdienst im Netzwerk der medizinischen Versorgung der Bürger eine wichtige Rolle einnimmt. Bartels. „Das Konzept ist aus meine Sicht perfekt“, sagt er.
245.000 Anrufe
Doch die Rufnummer 116117, unter der die Hilfe bundesweit kostenlos zu bekommen ist, ist noch viel zu unbekannt: „Laut einer Studie kennen rund 70 Prozent der Bürger diese Nummer nicht“, bedauert der Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH), Marco Dethlefsen. Das müsse sich deutlich ändern. Um die Nummer zum Arzt bekannter zu machen, haben die Kassenärztlichen Vereinigungen Radiospots mit Werbung für die 116 117 geschaltet und Plakate an alle deutschen Arztpraxen verteilt. Auf den Plakaten werden die Patienten über die jeweiligen Anlaufstationen informiert: Erst ist der niedergelassene Arzt der Ansprechpartner. Ist er – zum Beispiel nachts oder am Wochenende – nicht zu erreichen, hilft der Bereitschaftsdienst unter 116 117. Bei einem Notfall sind die Notaufnahmen in den Krankenhäusern zuständig. „Die Magenverstimmung gehört dort nicht hin“, sagt Dethlefsen. Bei schweren Fällen sollte der Rettungsdienst über den Notruf 112 gewählt werden.
Der Bereitschaftsdienst in Bad Segeberg kann direkt per Standleitung die Rettungsleitstelle in Norderstedt informieren, wenn Patienten in akuter Not sind. Zum Beispiel, wenn sie von Symptomen berichten, die auf einen Herzinfarkt hinweisen. Umgekehrt verbindet die Leitstelle Norderstedt die Anrufer, die offensichtlich nicht so schwer erkrankt sind, dass Rettungswagen oder Notarzt kommen müssen.
Dethlefsen geht davon aus, dass ein größerer Bekanntheitsgrad der 116 117 die bundesweit chronisch überlaufenen Notaufnahmen der Krankenhäuser entlasten wird. „Das ist ein wichtiges Ziel“, sagt Dethlefsen.
Das Problem: Ist ein Patient erst einmal in der Notaufnahme angekommen, muss er dort auch behandelt werden. Ihn dort an einen niedergelassenen Arzt oder den Bereitschaftsdienst zurückzuverweisen, sei rechtlich nicht möglich, sagt Dethlefsen.
In der Paracelsus-Klinik Henstedt-Ulzburg mit seinen 20.000 Notfällen pro Jahr haben die Retter es leichter als in den meisten deutschen Krankenhäusern. Neben der Notaufnahme befindet sich eine Praxis mit Kassenärzten für die Nächte und Wochenenden. Die Zusammenarbeit solle weiter intensiviert werden, sagte eine Kliniksprecherin.
Auch sie hält es für sinnvoll, die 116 117 bekannter zu machen. Die Nummer könnte die häufig langen Wartezeiten in den Notaufnahmen verkürzen und dort mehr Kapazitäten schaffen, um sich intensiver um Notfälle zu kümmern.