Kreis Segeberg. Kreistag beschließt Kooperation. Ambulante Hilfe soll Zahl der Zwangseinweisungen senken. Noch sucht das Team Mitarbeiter.
Psychisch Kranke im Kreis Segeberg finden künftig rund um die Uhr Hilfe. Tagsüber werden Menschen, die unter Depressionen, Alkohol- oder Drogensucht, Panikattacken oder Verwirrtheit leiden und sich und andere gefährden können, von den Amtsärzten betreut. Nachts und an den Wochenenden werden die Betroffenen zurzeit vom Rettungsdienst und der Polizei in das Psychiatrische Krankenhaus Rickling gebracht, bevor ein Amtsrichter je nach Lage über eine stationäre Unterbringung entscheidet. 350 solcher Zwangseinweisungen gibt es durchschnittlich pro Jahr im Kreis Segeberg, 220 davon nachts oder am Wochenende.
Praxis entspricht nicht gesetzlichen Regelung
Um diese Zwangseinweisungen möglichst zu verhindern sowie schnell und kompetent helfen zu können, hat der Segeberger Kreistag einer Kooperation mit der Gesellschaft für Soziale Hilfen in Norddeutschland aus Kiel (GSHN) zugestimmt. Die Zusammenarbeit mit dem privaten Bereitschaftsdienst ist zunächst auf sechs Jahre ausgelegt, sie soll zum 1. März 2018 beginnen.
Hintergrund ist das Psychisch-Kranken-Gesetz (PsychKG) Schleswig-Holstein. „Der Kreis muss dafür sorgen, dass psychisch Kranken geholfen wird – besonders dann, wenn sie sich oder andere gefährden könnten“, sagt Sabrina Müller, Sprecherin der Kreisverwaltung. Die jetzige Praxis entspreche nicht mehr den gesetzlichen Vorgaben.
Die Mitarbeiter des GSHN Kiel sprechen mit den Patienten zu Hause oder auf einer Polizeiwache. Erst wenn sie nicht weiterkommen, wird ein psychiatrisch erfahrener Arzt hinzugezogen, um gegebenenfalls ein Gutachten wegen Eigen- oder Fremdgefährdung zu erstellen und beim Amtsgericht einen stationären Klinikaufenthalt zu beantragen. Erst dann wird der Patient mit Krankenwagen und Polizeibegleitung ins Psychiatrische Krankenhaus Rickling gebracht.
Krisendienst hat sich in anderen Kreisen bewährt
Die GSHN stelle jetzt das neue Team zusammen. Dafür würden Honorarkräfte aus dem Kreis Segeberg und Umgebung gesucht. „Alle Mitarbeiter erhalten regelmäßig Fortbildungen, in denen es beispielsweise um Deeskalationstechniken geht“, sagt Janina Jesse, pädagogische Leiterin der GSHN: „Wir sehen nicht nur das Individuum in der Krise, sondern das gesamte Umfeld. Wen können wir mit einbinden? Freund, Schwester, Nachbar?“
In anderen Landkreisen würden schon jetzt sozialpädagogische Teams vorausgeschickt, wenn ein Mensch in einer psychischen Krise steckt und Hilfe braucht. Dieses Vorgehen habe dort zu einem „rapiden Rückgang“ an Zwangseinweisungen geführt, sagt Dr. Sylvia Hakimpour-Zern, Leiterin des Sozialpsychiatrischen Dienstes im Kreis Segeberg.
Der neu eingerichtete Krisendienst wird wochentags von 16 Uhr bis 8 Uhr morgens sowie am Wochenende von 13 Uhr am Freitag bis 8 Uhr am Montagmorgen zuständig sein.