Norderstedt. 800 Besucher verfolgen die Vorstellungsrunde der acht Bewerber für das vakante Amt des Norderstedter Oberbürgermeisters.

Was wäre Reimer Rathje, wenn er ein Werkzeug wäre? „Ein Hammer, der hat Macht!“ Und Anette Reinders als Tier? „Ein Arbeitstier.“ Elke Christina Roeder als Auto? „Mein BMW X6, der hat mir das Leben gerettet bei einem Verkehrsunfall.“ Auch solche teils schlagfertigen, teils persönlichen Statements gehören dazu bei der offiziellen Vorstellung der acht Oberbürgermeisterkandidaten in der „TriBühne“.

Wer künftig Norderstedt als Rathauschef vertreten wird, das ist auch nach der Veranstaltung noch längst nicht absehbar, in vielen Punkten trennen die Bewerber inhaltlich nur Nuancen, oft gleichen sich die Auffassungen. Und doch gelingt es auch dank der kurzweiligen Moderation von Carsten Kock (R.SH) und eines ungewohnten Konzepts, die von der Persönlichkeit so unterschiedlichen Kandidaten den rund 800 Besuchern nahezubringen.

Erst eine kurze Vorstellung, dann zwei Fragen, die alle beantworten, gefolgt von einer „Halbzeitpause“ im Foyer, wo an den jeweiligen Ständen persönlich geworben wird. Die Gäste, also die Wähler, können zudem Fragezettel ausfüllen. Und einige dieser Themen werden im zweiten Teil der Runde durchgenommen. Den Abschluss macht eine kurze Bewerbungsrede.

Reimer Rathje überrascht mit Schlagfertigkeit

Versprechen gibt es zwar keine. Wohl aber haben alle acht verinnerlicht, um was es übergeordnet geht: „Wann ist Norderstedt groß genug?“, fragt Carsten Kock. Klar, denn alle Probleme – Verkehrsinfarkt, Wohnungssuche, fehlende Kitaplätze – hängen hiermit zusammen. „Man sollte das nicht an der Einwohnerzahl messen, das wäre unseriös“, befindet David Hirsch (CDU). Thomas Thedens von den Freien Wählern geht davon aus, dass es sich auf „natürliche Weise“ regelt. „Wenn keine Grundstücke mehr da sind, sind wir voll.“

Der parteilose Kandidat Jens Kahlsdorf bemängelt mit Blick auf die Bauplanung: „Problematisch ist, dass Ziel- und Quellverkehre in keinster Weise berücksichtigt werden.“ Laut Elke Christina Roeder (SPD) müsse die „Infrastruktur mitwachsen“, Grünzüge wollen alle erhalten. Sven Wojtkowiak stellt klar: „Ich möchte auch Einfamilienhäuser, nicht nur Geschossbau.“ Konkreter wird Reimer Rathje: „Als nächste Baugebiete haben wir die Grüne Heyde und den Glashütter Damm. Dann sind wir bei 85.000 Bewohnern. Dieses Ziel möchte ich erreichen.“ Mehr aber nicht, das betont er.

Überhaupt: Rathje hat sich etwas vorgenommen, tritt selbstbewusst auf. Und punktet fleißig mit knackigen Aussagen, was ihm den meisten Applaus einbringt. Auch im Foyer gehört sein Stand zu denen, die am besten besucht sind. Anette Reinders, amtierende Sozialdezernentin und selbsternannte „Powerfrau“ („klein, aber oho“), spielt ganz die Karte „Erfahrung“, sagt: „Viele aus der Stadt werden mich kennen. Ich möchte die Entwicklung in führender Position fortführen. Was ich in 30 Jahren aufgebaut habe, möchte ich mit Ihnen weiterführen.“

Erstmals bekommen die Bürger auch Christian Waldheim zu sehen, der für die AfD (Alternative für Deutschland) antritt, auch wenn diese noch keinen Ortsverband hat. Er tritt bürgerlich auf, eckt nicht an. „Ich will eine Politik, die den Bürgerwillen stärker berücksichtigt, in Planungen einbindet und umsetzt.“ Und das „ohne ideologische Grundsätze“. Höflichen Beifall gibt es auch dafür, die Norderstedter sind respektvoll, auch wenn nur wenige AfD-Freunde vor Ort sind – Waldheims Stand ist spärlich frequentiert.

Neue Ideen gibt es einige. So wie diese von Elke Christina Roeder (SPD). „Ich will mehr Flair für Norderstedt, einen runden Tisch mit Künstlern, Architekten, Umweltverbänden, Einzelhändlern.“ Was das genau bedeutet, dürften sich allerdings zunächst viele gefragt haben.

Jens Kahlsdorf will den Fluglärm bekämpfen

Auch David Hirsch (CDU), der zweite auswärtige Kandidat – wenn auch mit einer Norderstedterin verheiratet –, denkt groß. „Mein Lieblingsthema ist, in Norderstedt eine private Hochschule anzusiedeln.“ Er habe den gleichen Abschluss in Verwaltungs-BWL wie Hans-Joachim Grote, der Ex-OB, der sich die Runde übrigens ebenso anschaut. Passend dazu bekennt Hirsch: „Ich will die erfolgreiche Politik von Hans-Joachim Grote fortsetzen.“

Jens Kahlsdorf setzt da auf eine andere Trumpfkarte: „Ich finde, ein OB sollte keiner Partei angehören.“ Dafür sei er ein „Netzwerker aus Leidenschaft. Zahlreiche Bürger vertreten die Auffassung, dass ich der beste OB wäre“. Er verspricht sogar, sofort tätig zu werden. „Ich wurde zum Thema Fluglärm sensibilisiert. Da gibt es Veränderungen in den Flugbewegungen, die vielleicht gegen Bundesgesetze verstoßen.“ Also sagt er, gleich am Montag keinen Geringeren als Michael Eggenschwiler, Chef des Hamburger Airports, anzurufen.

Das wird mit Humor aufgenommen. Elke Christina Roeder verweist wohl auch darauf in ihrem Statement zum Ende: „Von der Ausbildung her wäre ich die Richtige. Auch wenn ich nicht so dick aufgetragen habe wie die Männer.“

Wer die oder der Richtige ist, da waren sich die meisten Anwesenden nach der Vorstellung immer noch nicht sicher. Manch einer sagt, seine bisherige Wahl sei ins Schwanken geraten. Die Entscheidung wird also vermutlich auf den Marktplätzen und am Herold-Center fallen, wo die acht potenziellen Stadtoberhäupter bis zur Wahl am 5. November Stammgäste sein werden.