Norderstedt. Sieben der acht Bewerber stellten sich im Plenarsaal erstmals den Bürgern vor. Das Interesse war groß, der Auftritt eher zahm.

Die Überraschung gab es, bevor der Schlagabtausch zwischen den OB-Kandidaten überhaupt begonnen hatte: Das Interesse der Norderstedter war so groß, dass die Veranstalter niemanden mehr in den Plenarsaal ließen, um die Sicherheit der Besucher nicht zu gefährden. Die Menschen drängten sich im großen Sitzungssaal des Norderstedter Rathauses, alle Stühle und die Empore waren besetzt, viele standen an den Wänden. Mehr als 400 wollten die Männer und Frauen sehen und hören, die die Stadtverwaltung mit 1200 Mitarbeitern leiten wollen; gewählt wird am 5.November.

„Mit einem solchen Andrang haben wir nicht gerechnet“, sagte Jürgen Peters vom Norderstedter Seniorenbeirat, der zusammen mit dem Kinder- und Jugendbeirat die Kandidaten eingeladen hatte – erstmals trafen die Bewerber aufeinander, stellten sich den Fragen von Moderatoren und Publikum. Sieben von acht waren gekommen; Christian Waldheim von der AfD ließ sich entschuldigen.

Die Akustik ist schlecht, nicht alle Aussagen kommen an

Der Beginn, für 18.30 Uhr terminiert, verzögerte sich. Stühle wurden hereingeschleppt, die Türen zum Flur geöffnet. Peters und Cedric Gräper vom Kinder- und Jugendbeirat, die den Abend moderierten, starteten mit dem Thema Wohnen, doch schon fordern Besucher in den hinteren Reihen: „Lauter!“ Peters weist auf die seit Jahren bestehenden Probleme mit der Mikroanlage hin, die Akustik bleibt trotz Mikrowechsel dumpf. Nicht alles, was die Kandidaten sagten, dürfte bei den Besuchern angekommen sein.

Die Bewerber stellen sich noch zweimal vor

Die Kandidaten für die OB-Wahl in Norderstedt werden sich an zwei weiteren Terminen den Bürgern vorstellen: Am heutigen Mittwoch werden die Bewerber zu Gast sein beim 1. SC Norderstedt. Eingeladen haben die fünf großen Norderstedter Sportvereine.

Ab 17.30 Uhr geht es im Tanzsaal des Vereinsheims am Scharpenmoor 55 um sportpolitische Themen. Am Sonntag, 15. Oktober, folgt die offizielle Präsentation der Stadt.

Ab 16.30 Uhr wird es in der „TriBühne“ eine Mischung aus Gespräch auf der Bühne und Gesprächen mit den Besuchern im Foyer geben. „Die Bürger sollen ein Gefühl dafür bekommen, wem sie das Amt zutrauen“, sagt Carsten Kock von RSH, der die Präsentation moderiert.

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Um es vorwegzunehmen: Es war eine zahmer, fast langweiliger Schlagabtausch. Angriffslust? Fehlanzeige. Die sieben blieben nett und friedlich, bezogen oft ähnliche Positionen, verloren sich gelegentlich im Allgemeinen, nach Ansicht vieler Besucher wusste niemand wirklich zu überzeugen.

Wohnungsbau unter Regie der Stadt ist umstritten

Wohnen also, bezahlbarer Wohnraum fehlt, eins der größten Probleme in Norderstedt. CDU-Kandidat David Hirsch und FDP-Konkurrent Sven Wojtkowiak lehnen eine städtische Wohnungsbaugesellschaft ab, für Sozialdezernentin Anette Reinders (Grüne) und Elke Christina Roeder (SPD) ist Wohnungsbau unter städtischer Regie nur ein Baustein in einem Gesamtkonzept, in das die Wohnungsbauunternehmen und die städtische Entwicklungsgesellschaft einbezogen werden müssten. Für Reimer Rathje (Wir in Norderstedt, WiN) kommt ein solches Projekt zu spät, für ihn wie auch für Wojtkowiak ist die Kernfrage: „Wie stark soll Norderstedt wachsen? Auf 85.000, 90.000 oder 95.000 Einwohner? Wenn wir das geklärt haben, können wir die anderen Themen anpacken.“ Die Stadt besitze im Vergleich zu anderen Städten und Gemeinden zu wenige Grundstücke, eine Ansicht, die Thomas Thedens (Freie Wähler) teilte.

Norbert Bansel vom Seniorenbeirat zwang die Bewerber per Laptop, sich kurz zu fassen
Norbert Bansel vom Seniorenbeirat zwang die Bewerber per Laptop, sich kurz zu fassen © HA | Michael Schick

Die Stadt müsse stärker mit Tangstedt, Bönningstedt oder Hasloh zusammenarbeiten. „Wo wollen wir künftig leben, wo arbeiten?“, fragte auch Wojtkowiak. „Wir haben in den vergangenen Jahren 500 neue Sozialwohnungen geschaffen und mit der Flüchtlingsunterkunft an der Segeberger Chaussee ein Modellhaus, das später mit geringem Aufwand zur günstigen Wohnung umgebaut werden kann.“ Hirsch und Roeder wollen den Wohnungsbau zur Chefsache machen. Auch Moderator Peters nahm Stellung, warf dem Ex-OB Grote und den Politikern vor, eine städtische Wohnungsbaugesellschaft verhindert zu haben, und stahl den Kandidaten und Besuchern wertvolle Redezeit – ein Lapsus, der ihm immer wieder unterlief.

Schnell abgehandelt war das Thema Sicherheit. Mehr Polizisten auf der Straße wären gut, darin waren sich die Kandidaten einig, aber: Dafür ist das Land zuständig. „Unser ehemaliger Oberbürgermeister ist nun Innenminister, da gibt es doch einen kurzen Draht für den künftigen Verwaltungschef“, sagte Jens Kahlsdorf, der als parteiloser Einzelkandidat ins Rennen geht. Ex-Stadtvertreter Franz-Heinrich Höpcker hatte die Lacher auf seiner Seite, als er eine polizeiliche Reiterstaffel forderte.

Der Plenarsaal war überfüllt, auch auf dem Flur hörten die Besucher zu
Der Plenarsaal war überfüllt, auch auf dem Flur hörten die Besucher zu © HA | Michael Schick

Kahlsdorf sprach sich für kostenlose Kitas wie in Hamburg aus und forderte, Erzieherinnen und Erzieher in Norderstedt besser zu bezahlen. Die Runde war beim Thema Schule und Bildung angekommen. „Die Schulen und Sporthallen müssen dringend saniert werden. Wir haben ein Spielplatzmobil, aber keinen regelmäßigen Kontroll- und Wartungsdienst für die Schulen und Sportstätten“, sagte Wojtkowiak. Für eine moderne Ausstattung wollen sich Roeder und Hirsch einsetzen und waren beim Thema Digitale Schule. „Wilhelm.tel muss sein Know-how einbringen“, forderte Hirsch, Konkurrentin Roeder will, wie auch Wojtkowiak, einen Spezialisten aus dem Rathaus als IT-Administrator einstellen. Kahlsdorf verwies auf Schweden, wo jedes Kind zur Einschulung einen Laptop bekomme.

„Bildung und Schule liegen mir sehr am Herzen“, sagte Reinders. Die Stadt investiere hier kräftig, baue die Grund- zu Ganztagsschulen um, saniere und erweitere das Schulzentrum Nord und baue das Schulzentrum Süd komplett neu. Auch bei den Sporthallen werde die Stadt „noch etwas tun müssen“.

Bei der Digitalisierung in den Schulen sei Norderstedt vorgeprescht, denn ein Landeskonzept gebe es noch nicht. In der Praxis müssten viele Fragen beantwortet und Probleme wie die Datensicherheit geklärt werden. Es nütze ja auch nichts, die Schulen mit moderner Technologie auszustatten, wenn die Lehrer nicht entsprechend geschult seien. „In den Unternehmen gibt es seit 20 Jahren eine funktionierende IT-Struktur. Es ist mir unverständlich, warum das in den Schulen so lange dauert“, kritisierte Wojtkowiak.

Schlussrunde. Welche Visionen die Bewerber haben, wollten die Moderatoren wissen. Auch da herrschte viel Einvernehmen: Hirsch, Roeder, Kahlsdorf und Thedens wollen die Zukunft Norderstedts gemeinsam mit den Menschen in der Stadt gestalten, „das kann man nur im bürgerschaftlichen Miteinander“, sagte Hirsch, Roeder will „Stadtentwicklung neu denken“. Rathje kehrte zu seiner Kernfrage, dem Wachstum Norderstedts, zurück: „Erst wenn wir da Klarheit haben, können wir aktiv gestalten und laufen nicht mehr hinterher.“ Wojtkowiak: „Ich wohnen gerne hier und möchte, dass auch meine Kinder noch gern hier leben.“ Reinders empfindet Norderstedt als „tolle Stadt, in der ich gerne lebe“. Ihr liegt eine nachhaltige Entwicklung am Herzen.