Norderstedt. Die Partnerschaft der Gewerbetreibenden steckt in der Krise: Wie ein gescheiterter Weihnachtsmarkt für ein Zerwürfnis sorgte.
Eigentlich ging es nur darum, für drei Wochen einen schönen, stimmungsvollen und wertigen Adventsmarkt vor der Post in Norderstedt-Mitte zu veranstalten. Doch die gute Idee barg ein ungeahntes Frust-Potenzial – und wurde schließlich zum Fiasko für den PACT Norderstedt-Mitte, jenen Zusammenschluss von Grundeigentümern und Kaufleuten des Quartiers rund um die Rathausallee. Deren Quartiersmanager Christian Behrendt hat jetzt gekündigt, sich bis auf Weiteres krankgemeldet und den PACT in die Krise gestürzt. Und selbstredend können die Norderstedter leider den kleinen, feinen Adventsmarkt vor der Post für dieses Jahr vergessen. Aber von vorn.
Seit 2014 gibt es den PACT. Das steht für die Partnerschaft der Gewerbetreibenden eines Quartiers zur Attraktivierung von City-, Dienstleistungs- und Tourismusbereichen. Ein lokales Wirtschaftsförder-Vehikel also. An der Rathausallee zahlen bis 2020 alle Grundeigentümer insgesamt etwa 480.000 Euro in einen Pott ein. Damit wurde unter anderem Christian Behrendt bezahlt. Der sollte sich 20 Stunden in der Woche um alles kümmern. Neues Logo, Internet-Auftritt, einheitliche Öffnungszeiten, Kinder-Aktionen, Umsonst-Yoga, Open-Air-Kino und Musik-Meile – alles, was das Quartier bekannter und beliebter bei den potenziellen Kunden für die Einzelhändler im Quartier machen könnte.
Behrendt machte und tat, beschwerte sich aber bald schon über zu viele unbezahlte Überstunden und mangelnde Unterstützungsbereitschaft bei der Stadtverwaltung. Mit seiner Kritik stieß er manchem vor den Kopf. Die Adventsmarkt-Arie schließlich brachte das Fass für Behrendt zum Überlaufen.
Eigentlich geht die Idee auf Heiko Bartsch, den Arbeitgeber Behrendts, zurück. Bartsch, Geschäftsführer der Immobilien Service Norderstedt GmbH (ISN), wurde mit der Umsetzung des PACT betraut. Er lebt in Hamburg-Eppendorf und liebt den jährlichen Adventsmarkt vor einer Kirche dort. „So einen wollte ich auch für Norderstedt.“ Quartiersmanager Behrendt nimmt Kontakt zum Veranstalter des Marktes auf, der renommierten Bergmann-Gruppe (BJP). Und Projektmanager Michael Reh sieht tatsächlich Potenzial für einen solchen Markt. „Gut Lage, direkt an der U-Bahn, viel Wohnbebauung und Büros, viele Familien.“ Vier hübsche Buden, ein Karussell und fertig wäre die vorweihnachtliche Bescherung. „Doch das Quartiersmanagement war ein wenig spät dran mit der Idee. Und irgendwie kam da kein eindeutiges Go“, sagt Reh.
Tatsächlich räumt Bartsch ein, dass sich die PACT-Lenkungsgruppe der Kaufleute erst Mitte September so richtig für den Markt entschied. Schließlich gibt es 40.000 Euro Gesamtkosten und einen Anteil von 14.000 Euro für die PACT-Gemeinschaft.
Und dann das: Quartiersmanager Behrendt erfährt beim Ordnungsamt, dass 5700 Euro Sondernutzungsgebühr für die zwölf mal zwölf Meter große Fläche vor der Post fällig werden für den Markt. Gerechnet hatten er und BJP mit vielleicht einem Zehntel davon. So wie in Eppendorf, wo die Standgebühr laut Michael Reh bei 600 Euro lag. Doch mit ein wenig Recherche hätten sich beide schon vorher schlau machen können: Die Sondernutzungssatzung besteht seit 2002 in Norderstedt, die Gebühren sind detailreich im Internet nachzulesen.
Stadträtin Anette Reinders hört sich Behrendts Klagen an und kommt ihm für die Auftaktveranstaltung sogar entgegen. Die Standgebühr wird ausnahmsweise auf 1500 Euro reduziert. „Aber in den Folgejahren würde das nicht mehr gehen. Da gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz“, sagt Reinders. Schließlich müssen alle Veranstalter auf allen städtischen Flächen die gleichen Abgaben erwarten können. „Die Sache mit dem Adventsmarkt war doch etwas kurzfristig. Ich würde mir wünschen, dass man über ein solches Projekt in aller Ruhe redet. Dann lassen sich Lösungen finden“, sagt Reinders.
Doch daran hat Behrendt kein Interesse mehr. Er kündigte und verlässt Norderstedt nun frustriert. „Ich habe alles versucht, um Norderstedt-Mitte attraktiver zu machen“, sagt Behrendt. Aber die Stadt wolle lieber Standgebühren kassieren. „Das wirft einige Fragen auf.“
Heiko Bartsch sieht die Lage weniger dramatisch: „Von der Sondernutzungssatzung der Stadt kann man halten, was man will. Aber sie ist nun mal da. Aber daran scheiterte das Projekt Adventsmarkt nicht. Wir waren mit der Idee einfach zu spät dran.“ Der Abgang Behrendts sei bedauerlich. „Aber wir werden jetzt zeitnah einen neuen Quartiersmanager suchen und weiterarbeiten.“ Der Adventsmarkt sei auf das nächste Jahr verschoben. „Neben der Bergmann-Gruppe holen wir jetzt auch noch Angebote von zwei anderen Anbietern ein und dann entscheiden wir in aller Ruhe.“ Dabei soll natürlich auch die Stadt mit im Boot sitzen.
Der PACT wolle nicht nachlassen in seinen Bemühungen, das Quartier zu unterstützen. „Wir kämpfen wie alle deutschen Innenstädte mit dem Internet-Handel. Das Marktumfeld wird immer schwieriger für den Einzelhandel“, sagt Bartsch. Im Bemühen, den Branchen-Mix an der Rathausallee vielfältig zu erhalten, helfe es nicht gerade, wenn die Besitzer der Häuser in München oder Karlsruhe sitzen und jeden Mieter akzeptieren, der pünktlich die Miete überweist, ganz egal ob Billigfrisör, Casino- oder Fitness-Club-Betreiber.
Was die Standgebühren und die Sondernutzungssatzung angeht, so müsste sich die Kommunalpolitik mal Gedanken machen, ob es nicht ein Widerspruch ist, wenn man städtische Gebühren auf öffentliche Flächen in Gebieten erhebt, die Grundeigentümer und Gewerbetreibende mit viel Geld und Mühe vor dem Veröden zu bewahren versuchen.
Ach ja: Glühwein schlürfen und Bratäpfel kauen können die Norderstedter dann wie jedes Jahr auf dem Rathausmarkt – aber nur an einem Wochenende und nicht ganz so stimmungsvoll wie in Eppendorf.