Norderstedt. Der Rentner hatte mit seinem Pkw ein entgegenkommendes Auto gestreift und war unbeeindruckt weitergefahren. Verfahren eingestellt.

Sein ganzes Leben rollte Gerhard S. (Name von der Redaktion geändert) problemlos durchs Autoleben. Jetzt saß der 74-Jährige auf der Anklagebank des Amtsgerichtes Norderstedt und verstand die Welt nicht mehr. Dem Senior drohte der Verlust seines Führerscheins – für immer. Mühsam rang Gerhard S. vor Amtsrichter Matthias Lohmann um Fassung.

Ohne die kleine Plastikkarte ist der Rentner vor allem auf dem flachen Land aufgeschmissen. Es muss sich immer jemanden finden, der einen kutschiert. Das ist oft mühselig. Vor allem bedeutet es für den Betroffenen den Verlust der mobilen Freiheit. Damit geht nach Ansicht von Seniorenforschern für die Betroffenen ein großes Stück Lebensqualität unwiderruflich verloren.

Beschuldigte war unbeeindruckt weitergefahren

Laut Anklage war Gerhard S. mit seinem Wagen im vorigen November auf der Schleswig-Holstein-Straße Richtung Norden unterwegs. Mit Tempo 100 fuhr er deutlich zu schnell. Plötzlich sei er auf die andere Straßenseite gekommen und habe ein entgegenkommendes Auto gestreift. Bei dem Fast-Zusammenstoß wurden nach den staatsanwaltlichen Ermittlungen beide Seitenspiegel abgerissen. Der Beschuldigte sei unbeeindruckt weitergefahren, kurz danach stand schon die Polizei vor der Haustür. Die Anklage: Unfallflucht.

In der Anklageschrift hatte die Staatsanwaltschaft Gerhard S. „geistige und körperliche Mängel“ bescheinigt. Dies erboste den Senior vor Gericht. „So etwas ist eine bösartige Unterstellung“, grollte er. So könne er ein Attest seines Hausarztes vorlegen, das ihm seine Fahrtüchtigkeit bescheinige. Zum eigentlichen Tathergang konnte er wenig sagen. Er habe plötzlich ein lautes Geräusch gehört und dabei an einen Steinschlag gedacht. Als er nach links abbiegen wollte, habe er gemerkt, dass sein Seitenspiegel plötzlich weg war. Im Übrigen sei er damals deutlich langsamer gefahren als die ihm vorgeworfenen 100 Kilometer pro Stunde. In die Straßenmitte sei er auch nicht gekommen, korrigierte Gerhard S. den Tatvorwurf ein weiteres Mal.

Der Verteidiger übergab den Führerschein

Amtsrichter Lohmann hörte dem Angeklagten mit Engelsgeduld zu. Dann bot er dem Angeklagten an, das Verfahren einzustellen, wenn er seinen Führerschein abgeben würde. „Damit würden sie sich und andere schützen“, begründete der Richter seinen Vorschlag.

Nach kurzer Rücksprache mit seinem Verteidiger akzeptierte Gerhard S. das Angebot. Das Verfahren wegen Unfallflucht wurde gegen Zahlung einer Geldstrafe von 150 Euro eingestellt. Der Senior brachte es nicht übers Herz, nach dem Urteilsspruch die kleine Führerschein-Karte dem Norderstedter Amtsrichter zu übergeben. Das erledigte sein Verteidiger für ihn.