Norderstedt . Etwa 30.000 Besucher kamen am Wochenende zum Ulzburger Straßenfest – mit dem Fahrrad, zu Fuß und leider auch mit dem Auto.
Herrlich, dieses Gefühl. Mitten auf der Ulzburger Straße zu laufen – kein Auto, kein Lastwagen, kein Krach, kein Gestank. Stattdessen Musik, lachende Menschen und der Duft von frischgebackenen Crêpes, gebratenen Würstchen und Pommes.
Nun heißt das bunte Durcheinander auf der Ulzburger Straße am Sonntag ja „Auto freies Straßenfest“. Und tatsächlich kommen viele der geschätzten 30.000 Besucher an diesem überraschend sonnigen September-Sonntag mit dem Rad zum Feiern. Auch sind die Straßen voller Fußgänger. Aber wer in die Wohnstraßen links und rechts der Einkaufsmeile geht, der sieht argwöhnische Anwohner in ihren Vorgärten stehen, die darauf achten, dass Autofahrer ihnen nicht die Einfahrten zuparken. Kein Parkplatz ist mehr zu haben, jedes Fleckchen am Straßenrand wird genutzt, und auch Parkverbots-Schilder werden geflissentlich ignoriert. Die Rettungssanitäter werden zu Ordnungsamtsmitarbeitern und kämpfen um ihre ausreichend breiten Rettungswege. Viele Norderstedter sind Autofahrer – daran kann auch ein autofreies Straßenfest nichts verändern.
Aber zum Nachdenken bringt es sie schon. Wer als Fußgänger mal einen Sonntag lang eine Hauptstraße nur für sich hat, der fragt sich unweigerlich, warum das an 364 Tagen im Jahr eigentlich immer anders sein muss und warum das Auto, der Lastwagen und alles andere was knattert eigentlich grundsätzlich Vorfahrt auf den Straße hat in Deutschland. Die Gleichberechtigung der Verkehrsteilnehmer auf den Straßen ist ein Zukunftsthema, bei dem sich viele Fragen zum Stadtklima und Miteinander in der Stadtgesellschaft klären lassen. Aber das ist an diesem Sonntag nur der Hintergrund. Im Vordergrund stehen Glücksräder, Mitmachspiele, Band-Auftritte, Kinder-Belustigung und Biertisch. Und das ist auch gut so. Auffällig viele Menschen laufen an diesem Nachmittag mit Kärtchen, jeweils mit einem roten oder blauen Punkt versehen, die Meile auf und ab.
Das hat mit dem gemeinsamen Ziel der Stadt Norderstedt und den veranstaltenden Kaufleuten der Ulzburger Straße zu tun, die einen Weltrekord mit Hilfe der Norderstedter Partygäste aufstellen wollen. Symbolisch sollen die Norderstedter auf dem Fest so viel laufen, dass theoretisch die Strecke vom Nord- zum Südpol zurückgelegt wurde. Jeweils am Anfang und am Ende der Meile stehen Starttore. Wer hier durchgeht, bekommt ein rotes oder blaues Kärtchen. An den beiden Enden der Meile stehen Urnen – und zwar welche, die notariell beglaubigt versiegelt sind (und am nächsten Sonntag bei der Bundestagswahl erneut im Einsatz sein werden). In diese Urnen werfen die Leute nach dem Ablaufen der Meile ihre Karten. Die Stadt will die Karten am Montag auszählen und am Dienstag bekannt geben, ob der Weltrekord nach den Regeln des Rekord-Institutes für Deutschland (RID) erfüllt wurden. „Es sieht sehr gut aus. Manche haben die Strecke mehrfach gejoggt“, sagt Ina Streichert von der Stadt Norderstedt. Unter allen Teilnehmern wird ein Elektro-Bike verlost.
Traditioneller Höhepunkt des Festes am Sonntag ist der Movimento, Norderstedts Antwort auf die brasilianische Samba-Fröhlichkeit. In diesem Jahr fiel der Zug etwas kleiner aus als in vergangenen Jahren. Dafür hauten die Samba-Trommelgruppen umso mehr in die Felle, und die Tänzer ließen ihre farbenfrohen Kostüme umso mehr wirbeln. Samba-Flair und Ulzburger Straße – passt auf den ersten Blick irgendwie nicht zusammen. Aber die Leute am Straßenrand schert das kaum: Hüften kreisen im Takt, Hände klatschen mit – und alle kommen irgendwie besser drauf. Wäre da nur nicht diese fiese Gewitterwolke, die sich von Süden heraufschiebt – doch auch der Regen hielt sich bis zum Ende des Umzuges freundlicherweise zurück.