Quickborn. Der Professor Hans-Jürgen Mest rechnet in seinem Buch mit „pseudowissenschaftlichen Heilsversprechen im Umfeld der Medizin“ ab.

Schon der Titel des dünnen Büchleins ist die blanke Provokation: „Pseudowissenschaftliche Heilsversprechen im Umfeld der Medizin“. Untertitel: „Wie lange lassen wir uns noch in die Irre führen?“

Ob Nahrungsergänzungsmittel, Wundersalben, Multivitaminsaft, Globuli oder Cholesterinsenker – vor allem die damit einhergehenden Versprechungen von Ärzten und Industrie sind dem ehemaligen Pharmakologie- und Toxikologie-Professor Hans-Jürgen Mest aus Quickborn ein Dorn im Auge. Taugt alles nichts – zu diesem Urteil kommt er sehr oft und kann das auch begründen. Neun Fragen an den 74-Jährigen, der rund 300 Publikationen herausgebracht hat. Und seine mitunter einigermaßen unkonventionellen Antworten darauf, die er auch alle in seinem Buch niedergeschrieben hat.

1. Welchen Sinn machen Nahrungsergänzungsmittel?

Kaum einen, sagt Hans-Jürgen Mest. Und er geht noch einen Schritt weiter, indem er meint: Sie könnten sogar schaden. Mest erklärt: Der Organismus nehme sich das, was er brauche. „Da gilt nicht: Viel hilft viel.“ Ganz im Gegenteil. Wenn jemand genügend Mineralien und Spurenelemente im Blut habe, sollte er auf keinen Fall zusätzlich noch Mineralien zu sich nehmen. „Die werden nur wieder über die Nieren ausgeschieden, weil der Körper sich selbst entgiften muss.“

Eine Überdosis von Kalzium, das eigentlich die Knochen stärken soll, könne sogar zu Nieren- und Gallensteinen führen und das Herzinfarktrisiko erhöhen. Und eine sogenannte Hypermagnesiämie durch zu viel Magnesium, das Sportler gern gegen ihre Krämpfe einnehmen, sei unter Umständen sogar lebensbedrohlich, so Mest. „Das kann zu Atemlähmung, Schock und Koma bis hin zum Herzversagen führen.“ Eine einfache Blutuntersuchung beim Arzt gebe Aufschluss, ob ein Mangel vorherrsche. Und nur dann sollte der beseitigt werden.
2. Welche Salbe hilft am besten gegen Arthrose?

Keine, sagt Mest. Oft werde älteren Patienten, die an schlimmen Knieschmerzen leiden, eingeredet, sie bräuchten nur eine Art Wundergel zu nehmen, und schon gingen die Schmerzen weg. Doch Salben könnten nur oberflächlich wirken. „Es ist medizinisch nachgewiesen, dass sie nie das Gewebe, Gelenk, schon gar nicht das Innere des Knies erreichen“, erklärt der Professor. „Nur wenn der Patient das Medikament, meist mit dem Wirkstoff Diclofenac, oral einnimmt, kann es funktionieren.“

3. Wie viel Vitamin C hilft dem Menschen?

Zu viele Vitamine könnten, wie überhaupt alle Präparate, die zusammen eingenommen werden, sehr gefährliche Wechselwirkungen auslösen, sagt Mest. Zu viel Vitamin A könne sogar zu einer krankhaften Hypervitaminose führen. „Der Chemiker und Nobelpreisträger Linus Pauling, der die tägliche Einnahme von Vitamin-C-Präparaten sogar als Krebsheilmittel propagierte, lag da völlig falsch“, sagt Mest. Im Übrigen sei der dann selbst an Krebs gestorben. Und wer glaube, mit Vitamin-D-Präparaten könnte er Osteoporose stoppen, solle lieber 20 Minuten in die Sonne gehen. „Das hilft mehr.“

4. Welche Wirkung entfalten homöopathische Mittel?

Vom Grundsatz her nicht mehr als einen Placeboeffekt, meint der Quickborner. Viele Ärzte ließen sich heutzutage zusätzlich für den Einsatz homöopathische Mittel ausbilden. Für den Professor ist das alles „nichts als Quacksalberei“: „Wir wissen überhaupt nicht, was da passiert.“ In den allermeisten Fällen rede sich der Patient nur ein, dass ein Mittel helfe.

Globuli der Potenz D78 (eins zu einer Tredezillion) etwa seien laut Angaben so stark verdünnt, dass es einem Tropfen Wirkstoff im gesamten Weltall entspreche. Also völlig unmöglich, urteilt Mest.

5. Hilft Kochsalzlösung gegen starke Schmerzen?

Ja, das habe er selbst bei einer Patientin mit schlimmen Schmerzen erlebt, bei der kein Medikament mehr wirkte, berichtet Mest. Ihr habe er eine harmlose Kochsalzlösung verabreicht, die er als einen ganz starken, noch nicht auf dem Markt befindlichen Wirkstoff anpries. „Und siehe da, der Schmerz war weg. Sie war aber keine Simulantin, sondern die Endorphine in unserem Körper können diese schmerzstillende Wirkung erzielen.“ Auch die Psychologie spiele bei Schmerzen immer eine Rolle. Das habe er selbst erlebt, als er wegen starker Schmerzen bei Nierensteinen Morphium habe nehmen müssen. „Ich spürte: Der Schmerz ist noch da. Aber er störte mich weniger.“

6. Was ist bei einem zu hohen Cholesterinwert zu tun?

Wer sich gesund ernähre, nicht rauche, Sport treibe und kein Übergewicht habe, könne mit einem zu hohen Cholesterinwert (LDL) leben, meint Mest. Erst recht, wenn er einen hohen Wert des guten HDL-Cholesterins habe, was oft für Sportler gelte. So habe er selbst die angeblich niedrigste Dosis von zehn Milligramm des Cholesterinsenkers Statin auf ein Viertel reduziert und denselben LDL-Wert behalten.

7. Und was ist von Bachblütentherapie zu halten?

Die vom britischen Arzt Edward Bach propagierte Theorie, dass alle Krankheiten auf Gleichgewichtsstörungen zurückgingen, die sich mithilfe von Blüten und Pflanzen wieder ins Lot bringen ließen, ist für Mest „der gleiche Humbug wie Homöopathie und andere nicht wissenschaftlich fundierte Methoden“.

8. Hilft der Hinweis „Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“?

Für Mest ist die Arzneimittelwerbung meist irreführend. So heiße es oft, der Patient möge seinen Arzt oder Apotheker fragen. Das würde für den Arzt noch gelten. Für den Apotheker sei das „völliger Blödsinn“, so Mest. „Der kennt doch gar nicht die Diagnose des Patienten. Wie soll der ihn dann vernünftig beraten können?“

9. Wer heilt besser: der Arzt oder die Natur?

Überhaupt meint der Professor, der jahrzehntelang angehende Mediziner in Hamburg und Halle ausbildete, dass die Ärzte ihre Möglichkeiten nicht überschätzen sollten. „Ich habe meinen Studenten immer gesagt: Ärzte können nur ein bisschen kurieren. Heilen kann nur die Natur. Medicus curat, natura sanat.“

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Das Buch ist im Karin-Fischer-Verlag mit Sitz in Aachen erschienen, kostet 7,90 Euro und wird im Buchhandlungen verkauft.