Norderstedt. Nach dem Tod einer Fahrradfahrerin fordert der ADFC Radfahrstreifen auf der Ulzburger Straße. Stadt unterstützt Forderung.

Bei manchen Leuten aus der Nachbarschaft weicht der Schock über den tödlichen Unfall nun der Wut auf den Verkehr.

Ein Anwohner aus dem Steindamm steht am Montag an der Ulzburger Straße, neben den Blumen und den Kerzen, die Trauernde in Gedenken an die am letzten Mittwoch, 2. August, getötete Radfahrerin (54) abgestellt haben. „Vielleicht hätte man hier längst einen Fahrradstreifen auf der Straße bauen müssen. Vielleicht hätte das den Unfall verhindert.“

Eine Forderung, mit der er nicht alleine dasteht. Joachim Brunkhorst, Radverkehrsbeauftragter des Kreises Segeberg und Aktiver des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs Norderstedt und Umgebung (ADFC): „Wir fordern, aus diesem Ereignis baldmöglichst die Konsequenzen zu ziehen und auf der gesamten Ulzburger Straße sichere Verkehrsbedingungen zu schaffen.“ Auch Brunkhorst ist sich sicher: Fahrradstreifen auf der Ulzburger Straße hätten den Unfall vielleicht verhindert.

Lkw-Fahrer erfasst Radfahrerin

Es war 12.40 Uhr am 2. August, als ein 55 Jahre alter Lastwagenfahrer die Ulzburger Straße in Richtung Norderstedt-Mitte befuhr. Auf Höhe Steindamm will er nach rechts auf die Baustelle des ehemaligen Gartencenters Lüdemann abbiegen. Die Polizei berichtet, er habe die in gleicher Richtung fahrende 54-jährige Norderstedterin auf dem kombinierten Rad- und Gehweg übersehen. Der Lkw-Fahrer bog von der Straße ab, erfasste die Frau und überfuhr sie. Ihren schweren Verletzungen erlag die Radfahrerin noch am Unfallort. Der Lkw-Fahrer und mehrere Unfallzeugen erlitten Schocks.

Joachim Brunkhorst, ADFC Norderstedt: „Vermutlich wäre es nicht zur Kollision gekommen, wenn der Radverkehr für alle sichtbar auf der Fahrbahn geführt würde.“
Joachim Brunkhorst, ADFC Norderstedt: „Vermutlich wäre es nicht zur Kollision gekommen, wenn der Radverkehr für alle sichtbar auf der Fahrbahn geführt würde.“ © Michael Schick | Michael Schick

„Die Schuldfrage scheint bei diesem Unfall sehr klar zu sein“, sagt Nico Möller, Sprecher der Polizeidirektion Segeberg. „Vielleicht war die Radfahrerin im toten Winkel. Vielleicht war der Fahrer des Lastwagens abgelenkt. Ein Gutachter des Dekra überprüft für uns derzeit noch den Fall.“ Aus Möllers Sicht handle es sich um einen Fall menschlichen Versagens. „Und die Radfahrerin war dann zur falschen Zeit am falschen Ort.“

Seiner Einschätzung nach lassen sich derartige Unfälle kaum verhindern. „Das kann auf jeder Straße zu jedem Zeitpunkt geschehen, egal ob mit oder ohne Radstreifen.“ Dem widerspricht Joachim Brunkhorst. Er argumentiert grundsätzlich. „Nach Paragraf 1 der Straßenverkehrsordnung erfordert die Teilnahme am Straßenverkehr ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht. Doch wie sollen die am Straßenverkehr Teilnehmenden diese Forderung einlösen, wenn sie einander nicht sehen?“

Abbiegen bleibt Gefahrenbrennpunkt

Zu den meisten Kollisionen von Radfahrenden mit motorisierten Verkehrsteilnehmern käme es bei Abbiegevorgängen. Moderne Verkehrsplanung reagiere darauf, indem sie die Radfahrenden in den Blick der motorisierten Verkehrsteilnehmer rücke. „Also müssen durchgezogene Radfahrstreifen auf die Fahrbahn aufgebracht werden oder gestrichelte Schutzstreifen, wenn die Fahrbahnbreite dies nicht zulässt“, sagt der Radbeauftragte. „Vermutlich wäre es nicht zu dieser Kollision gekommen, wenn auf der Ulzburger Straße der Radverkehr für alle sichtbar auf der Fahrbahn geführt würde.“

Polizeioberkommissar Nico Möller, Sprecher der Polizeidirektion Bad Segeberg
Polizeioberkommissar Nico Möller, Sprecher der Polizeidirektion Bad Segeberg © Polizei Segeberg | Polizei Segeberg

Bei der Stadt Norderstedt läuft Brunkhorst mit seiner Forderungen offenen Türen ein. Thomas Bosse, Baudezernent der Stadt, unterstützt die ADFC-These uneingeschränkt, wie er sagt. „Radfahrer sind auf einem Radstreifen stärker im Aufmerksamkeitsfeld des Autofahrers. Insofern helfen diese dabei, solche Unfälle zu vermeiden – auch wenn es keine absolute Sicherheit gibt.“ In der weiteren Umbauplanung für die Ulzburger Straße sind Radstreifen auf Höhe des Unfallortes vorgesehen.

Der Schock über den tödlichen Rad-Unfall sitzt bei den Radfahrern der Stadt tief. „Als die Meldung durch die Nachrichten ging, hat so manch eine Norderstedterin einen Anruf bekommen, ob alles in Ordnung sei. Die Betroffenheit ist sehr groß“, schreibt die aktive Radlerin Katrin Kiesel, die an jedem Freitag Teil der Critical Mass Norderstedt ist, einem losen Verbund von Radfahrern, die sich mit gemeinsamen Ausfahrten für mehr Rechte für den Radfahrer einsetzen.

Auch Kiesel fragt sich, ob der Unfall nicht geschehen wäre, wenn die Radfahrerin auf der Straße gefahren und so nicht im toten Winkel des Lastwagenfahrers gewesen wäre. „Wir sind in Gedanken bei den Angehörigen der verstorbenen Radfahrerin sind.“ Um ihr Mitgefühl auszudrücken, haben die Critical-Mass-Radler am Freitag Kerzen und Blumen am Unfallort abgelegt.