Bad Bramstedt. Neues Schild südlich von Bad Bramstedt erinnert auch an tödliche Schüsse auf einen KZ-Häftling im Jahr 1945. Weitere Gedenktafeln.

Der Platz ist ungünstig für eine Schweigeminute. An der B 4 südlich von Bad Bramstedt geben die Autofahrer Gas, sobald sie den Kreisel in Richtung Hamburg verlassen. Und dann kommt auch noch ein Radfahrer vorbei und klingelt. Der Radweg ist voll mit Menschen. Sie gedenken dem russischen KZ-Häftling Hamid Chamido, der an dieser Stelle am 13. April 1945 umgebracht wurde. Und sie gedenken der etwa 800 Menschen, die mit ihm zu Fuß vom 12. bis 15. April 1945 auf dem Todesmarsch, auch Evakuierungsmarsch genannt, von Hamburg-Fuhlsbüttel nach Kiel unterwegs waren.

Eine Tafel erinnert daran. „Es ist ein kleines Schild, aber es hat trotzdem einen großen Effekt“, sagte Bürgermeister Hans-Jürgen Kütbach bei der Enthüllung der Gedenktafel. Denn die dunklen Seiten gehörten auch zur Geschichte der historischen Altonaer Chaussee, an die in der Stadt seit Kurzem mit sieben weiteren Tafeln erinnert wird (das Abendblatt berichtete). Da der Platz an der B 4 keiner sei, an dem Besucher lange verweilen möchten und er zudem außerhalb der Stadt liegt, werde auch noch am Marktplatz eine Tafel aufgestellt. Gleichwohl sei es wichtig, an diesem Ort des Geschehens an das konkrete Opfer zu erinnern.

Erinnerung von Bürgern

Einen ganz engen Bezug zum Todesmarsch hat Fred Zimmak. Sein Vater Leonhard wurde 1945 mit nach Kiel getrieben. Auch seine Mutter sei im KZ gewesen, zuletzt in Ravensbrück. Beide wurden gerettet und Anfang Mai 1945 nach Schweden gebracht, wo sie heirateten und blieben. Als Jude wurde Leonard Zimmak 1941 von Hamburg nach Riga deportiert, wo seine erste Frau und ihr Baby ermordet wurden. Zimmak wurde wieder nach Hamburg gebracht, von wo aus er sich kurz vor Ende des Krieges auf den Weg nach Kiel machen musste. Für die Teilnehmer in schlechtem körperlichen Zustand und miserablem Schuhwerk war der Todesmarsch eine weitere grausame Erfahrung.

An der B4 südlich von Bad Bramstedt erinnert eine Gedenktafel an einen KZ-Häftling. Er wurde hier bei den Fischteichen, früher Mergelkuhlen, auf dem
An der B4 südlich von Bad Bramstedt erinnert eine Gedenktafel an einen KZ-Häftling. Er wurde hier bei den Fischteichen, früher Mergelkuhlen, auf dem "Todesmarsch" von Hamburg-Fulhsbüttel nach Kiel erschossen. © Helge Buttkereit

„Meine Eltern haben nie mit mir von dieser schlimmen Zeit gesprochen“, sagte Zimmak in seiner Rede bei der Enthüllung der Gedenktafel. „Alles was ich weiß, stammt aus Briefen und Dokumenten anderer Personen.“ Wenn der Vater doch einmal etwas aus der Erinnerung preisgab, dann habe er danach lange nicht schlafen können. Fred Zimmak hat sich einer kleinen Gruppe um Heinrich Kautzky angeschlossen, die sich mit der Biografie von Teilnehmern des Todesmarsches beschäftigt. Kautsky hat sich mit der Geschichte der Altonaer Chaussee befasst und die Aufstellung der Gedenktafel in Bad Bramstedt maßgeblich vorangetrieben.

200 Namen von Teilnehmern hat die Gruppe bereits zusammen, weitere werden gesucht. „Wir wollen am Ende ein Buch mit 20 bis 30 Biografien veröffentlichen“, sagt Kautzky.

Chamido ist nicht geflohen und wurde doch erschossen

Eine Biografie von Hamid Chamido, der im Alter von 23 Jahren ermordet wurde, wird vermutlich nicht dabei sein. Nur die Umstände seines Todes sind gut dokumentiert, Historiker Uwe Fentsahm hat sie aufgeschrieben. Laut Sterbeurkunde ist er „in Bad Bramstedt, Altonaerstrasse bei den Mergelkuhlen auf der Flucht erschossen worden“. Chamido aber ist nicht geflohen. Das zumindest legen die Aussagen seines mutmaßlichen Mörders nahe, des Transportführers Otto Schütte. Der sagte nach dem Krieg aus, dass nach der Übernachtung der Gruppe auf dem Marsch in Kaltenkirchen vier Männer fehlten. Einen hätten sie im Stroh versteckt gefunden.

„Er wurde auf dem Marsch von mir erschossen. Als ich ihn erschoss, machte er keinen Fluchtversuch.“ Schütte habe den Befehl des Lagerkommandanten von Fuhlsbüttel für richtig gehalten und deswegen den Gefangenen erschossen. „Ich hätte den Befehl auch verweigern können.“ Otto Schütte wurde zum Tode verurteilt und am 29. Januar 1948 hingerichtet.

Die Tafel südlich von Bad Bramstedt wird nicht die einzige bleiben, die im Kreis Segeberg an die Todesopfer des Todesmarsches erinnert. Am Neubau der Kaltenkirchener Bank an der Schützenstraße wird eine Tafel angebracht, hier wurden zwei Menschen ermordet. Eine weitere Tafel soll in Kisdorffeld auf Höhe der Autowerkstatt stehen, wo ein KZ-Häftling umgebracht wurde. Die Gemeinde Kisdorf ist einverstanden, es müssen noch die Modalitäten und die Übernahme der Kosten geklärt werden. „Daran wird es nicht scheitern“, sagt Heinrich Kautzky.

Gescheitert ist hingegen die Aufstellung in Mühbrook (Kreis Plön) am Veto der Gemeindevertreter. „Das steht jetzt in jedem Artikel“, meint Kautzky. „Vielleicht merkt die Gemeinde dadurch, was sie da für ein dummes Zeug verzapft hat.“ Eine Tafel steht in Neumünster-Einfeld, eine weitere in Neumünster-Wittorf folgt.