Norderstedt. Für 135 Kinder gibt es keine Betreuungsplätze. Verwaltung von großer Nachfrage überrascht. Container sollen die Lage entschärfen.

135 Kinder haben zwar einen Anspruch auf einen Kita-Platz, nur die Stadt kann ihren Eltern keinen anbieten. Alle rund 2000 Plätze für Jungen und Mädchen zwischen drei und sechs Jahren in Norderstedt sind belegt. Das teilte die Verwaltung im Jugendhilfeausschuss mit. Bisher konnte die Stadt mit überdurchschnittlichen Versorgungsquoten glänzen, jetzt herrscht Kita-Notstand. „Wir sind nicht die einzige Stadt und Gemeinde, die mehr Kinder aufnehmen muss als vorhergesagt und von dieser Entwicklung überrascht wurde“, sagt Sozialdezernentin Anette Reinders.

Der Musische Jugendkreis muss sein Haus räumen

Besonders hart trifft es die Eltern und Kinder des Musischen Jugendkreises. Der Verein, der seit 50 Jahren Kinder in der Stadt betreut, muss nach einer Räumungsklage seine Einrichtung an der Ochsenzoller Straße 134 verlassen und ist insolvent. Die Folge: Mehr als 30 Kinder haben vom 27. Juli an keinen Betreuungsplatz mehr, weil das Haus abgerissen wird. Politiker und Verwaltung waren sich einig, dass die Kinder darunter nicht leiden dürfen. „Wir müssen einen geordneten Übergang hinbekommen“, sagte Sozialdezernentin Anette Reinders.

Doch das ist bisher nicht gelungen. 45 der 80 Jungen und Mädchen wechseln zwar nach den Sommerferien zur Grundschule. „Für die restlichen 35 gibt es aber bisher nur einzelne Lösungen“, sagt Andrea Riebau, Vorsitzende von „Zukunftskinder Norderstedt“ – so heißt der neue Verein, der die Nachfolge des Musischen Jugendkreises antritt und die Arbeit in neuen Räumen fortsetzen will. Sie habe den Eindruck gewonnen, dass die Stadt den Neustart eher behindere als fördere. „Und das obwohl wir ja dringend benötigte Plätze bieten“, sagt die 35-Jährige.

So stelle die Stadt keine Räume an Grundschulen zur Verfügung. Die braucht der Verein, um die vorschulische Arbeit mit den Kindern leisten zu können. Die Vorbereitung der Fünf- und Sechsjährigen ist der Schwerpunkt, mit dem sich der Musische Jugendkreis und jetzt der Nachfolgeverein von den klassischen Kitas unterscheide. Die Vorschulkinder werden in den Grundschulen betreut, lernen Gebäude, Pausenhof und den 45-Minuten-Rhythmus kennen, üben schwungvolle Bewegungen, die aufs Schreiben vorbereiten oder den Umgang mit der Schere. „Diese Ausrichtung kommt bei den Eltern gut an, wir haben eine Warteliste“, sagt die Vorsitzende. Bisher hätten die Grundschulen Niendorfer Straße und Falkenberg Räume zur Verfügung gestellt, doch das sei nicht mehr möglich, habe die Verwaltung mitgeteilt.

Mehr Familien als erwartet ziehen in die Stadt

„Wir brauchen die Räume für die Ganztagsbetreuung, die Schritt für Schritt weiter ausgebaut wird“, sagt die Dezernentin. Das habe die Verwaltung dem Musischen Jugendkreis schon vor Monaten mitgeteilt und ohnehin frühzeitig Gespräche und Hilfe angeboten. Möglicherweise habe der Verein immer noch darauf gesetzt, dass es doch weitergeht. Jetzt sei es schwierig, Räume zu finden, da ja auch noch 100 andere Kinder unversorgt seien.

Aktuell habe sie vorgeschlagen, dass zumindest ein Teil der Kinder in den Container auf dem Gelände des Waldorfkindergartens am Friedrichsgaber Weg ziehen könnte. Dort entsteht ein Kita-Neubau, der Container werde nicht mehr gebraucht. „Jetzt müssen beide Seiten Gespräche führen“, sagt Reinders.

Auch der Verein selbst hat ein Übergangsquartier an der Hand. „Das Haus wäre eine Notlösung, wenn die Kreisverwaltung dort einen Kita-Betrieb genehmigt“, sagt Andrea Riebau. Zum neuen Jahr könnten die Kinder dann in einem Haus spielen, essen und toben, das den Anforderungen in jedem Fall genügen würde. Der Eigentümer baue die Gewerbeimmobilie für die neue Nutzung auf seine Kosten um. „Die Miete ist zwar im üblichen Rahmen, doch für uns nicht zu finanzieren“, sagt die Vereinsvorsitzende. Allerdings sei das letzte Wort noch nicht gesprochen. Auch für ein anderes Problem zeichnet sich eine Lösung ab: Der Verein will das Inventar zwischenlagern, hat aber bisher keinen Raum gefunden. „Ich denke, da können wir helfen“, sagt Reinders.

Das Ende des Musischen Jugendkreises sei eine Ursache für die unerwartet hohe Kinderzahl. Zudem ziehen mehr Familien nach Norderstedt als vorhergesagt, Flüchtlinge holen ihre Familien nach, die Kitas in Hamburg seien ebenfalls belegt. „Wir suchen gemeinsam mit den Trägern nach Lösungen“, sagt die Dezernentin.

Der Verein, der das Spielhaus Kunterbunt von Hamburg nach Norderstedt verlegt, wolle 60 Kinder aufnehmen. Der Verein der Kinder wegen habe sich bereit erklärt, zwei temporäre Elementargruppen in Containern an der Lawaetzstraße als Außenstelle der Kita Frederikspark zu eröffnen. Diese Gruppen sollen dann eventuell in einer neuen Kita unterkommen. Das evangelische Kita-Werk Hamburg-West wolle beim Kreis Segeberg beantragen, einige Gruppen über 22 Kinder hinaus zu erweitern. Die städtische Kita Sternschnuppe soll um eine Elementargruppe in einem Container auf dem Grundstück der Grundschule Glashütte-Süd erweitert werden. Vorrangig will die Stadt die Container-Lösungen verfolgen, sie seien am schnellsten zu realisieren, „hoffentlich“, so Reinders, „ in drei bis vier Monaten“.