Tangstedt. Gemeindevertreter in Tangstedt hatten die im Norden einmalige Abgabe erst vor gut einem Monat beschlossen. Ministerium schreitet ein.
Die Pferdesteuer wird abgeschafft. Der Innenminister wird dazu zügig die notwendigen Schritte einleiten – zwei Sätze aus dem Arbeitsprogramm der neuen schleswig-holsteinischen Landesregierung, die ein Thema jäh beenden, das monatelang die Bewohner Tangstedts in zwei Lager gespalten, Pferdebesitzer und Reiter zu massivem Protest mobilisiert und die Gemeinde bundesweit in die Schlagzeilen gebracht hat. Ist sie doch die erste und einzige im Norden, die die Pferdesteuer eingeführt hat. Nur drei Orte in Hessen erheben eine vergleichbare Steuer, kassieren allerdings deutlich weniger als Tangstedt.
150 Euro muss jeder Halter pro Jahr für sein Pferd zahlen. Das haben die Gemeindevertreter am 14. Juni mit den zehn Stimmen von SPD und Bürgergemeinschaft (BGT) beschlossen. CDU und FDP stimmten dagegen. Zum 1. Juli ist die Abgabensatzung in Kraft getreten. „Solange es keine rechtssichere Regelung aus Kiel gibt, ist für mich der Beschluss der Gemeindevertretung geltendes Recht“, sagt Bürgermeister Norman Hübener (SPD).
Er sei sehr gespannt, wie Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU), der eine entsprechende Gesetzesinitiative angekündigt hat, ein Verbot der Pferdesteuer begründen will.
Die Reiter hatten wiederholt kritisiert, dass die Steuer gegen die in der Landesverfassung verankerte Förderung des Sports verstoße. „Würde dieses Argument angeführt, wäre das eine einseitige Sicht“, sagt der Bürgermeister. Denn: In der Konsequenz müssten die Besitzer von Huskies, die Schlittenhunderennen fahren, oder Männer und Frauen, die mit ihren Autos an Rennen teilnehmen, auch von entsprechenden Steuern befreit werden, weil sie Sport ausüben.
Minister Grote, der den Streit in Tangstedt noch als Oberbürgermeister von Norderstedt aus der Nähe mitverfolgt hatte, verweist auf das kommunale Abgabengesetz, das entsprechend geändert und den Städten und Gemeinden untersagen werde, eine Pferdesteuer zu erheben. „Die Gesetzesinitiative geht jetzt in die parlamentarische Abstimmung“, sagt Grote. Kabinett, Ausschüsse und der Landtag beraten und beschließen. Grote geht davon aus, dass die Pferdesteuer Ende des Jahres erledigt sein wird.
„Natürlich werden wir neue gesetzliche Regelungen auch umsetzen“, sagt der ehrenamtliche Verwaltungschef. Macht die „Jamaika“-Koalition ernst, fehlen der Gemeinde rund 100.000 Euro an jährlichen Einnahmen. Diese Summe hatte die Verwaltung errechnet. Sie geht von 700 steuerpflichtigen Pferden aus.
Mit diesem Betrag wollte die Gemeinde das Defizit von rund 900.000 Euro im Haushalt verringern. Die CDU, seit jeher Gegner der Pferdesteuer, sieht die geplante Abschaffung der Steuer als „Sieg der Vernunft“. Die von der Verwaltung errechneten Erträge seien zu hoch angesetzt. „Wir gehen davon aus, dass Reiter abwandern und Pferde mit einem Sonderstatus wie Therapiepferde von der Steuer ausgenommen sind“, sagt CDU-Fraktionschef Arne Müssig. Er schätzt die Zahl der steuerpflichtigen Pferde auf 400. Auf der anderen Seite hält er die Kosten für das Eintreiben der Abgabe für zu niedrig kalkuliert. „Statt 100.000 werden höchstens 30.000 Euro übrig bleiben, nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein, auf den wir auch verzichten können“, sagt er.
Die Sondersteuer gefährde die Reitställe in ihrer Existenz, der Verkauf von Reitsportartikeln gehe zurück, wenn weniger Reiter aus Hamburg kämen. Den Rückgang würden auch die Einkaufsmärkte spüren, ohnehin habe die Debatte um die Abgabe den Ruf Tangstedts beschädigt. Das Image könne nun wieder ins Positive gedreht werden. „Und ich lehne mich mal aus dem Fenster: Wenn die Pferdesteuer gekippt wird, wird die CDU auch die Hundesteuer abschaffen und das in ihr Programm für die Kommunalwahl 2018 schreiben“, sagt Müssig.
Lothar Metz, Fraktionschef der BGT und Befürworter der Pferdesteuer, bezeichnet es als erschreckend, wie „die Lobby einer Minderheit Einfluss auf die Politik in Kiel nehmen kann“. Er verweist auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das im Fall der hessischen Kommunen eine Pferdesteuer für zulässig erklärt habe.
Freude herrscht bei den Reitern: „Das ist doch mal eine tolle Nachricht“, sagt Dressur-Ausbilderin Anja Granlien, eine der Initiatorinnen des Widerstands. Sie will die Pferdesteuer mit einer Normenkontrollklage vor dem Oberverwaltungsgericht Schleswig zu Fall bringen. Die Steuersatzung diskriminiere das weibliche Geschlecht und stehe nicht im Einklang mit dem Sportfördergrundsatz der Landesverfassung. Bis die Klage entschieden ist, muss niemand Pferdesteuer zahlen.