Hasenmoor . Seit drei Jahren gibt es das Kvartier Minne-Colson in Hasenmoor – eine Kunst-, Kultur- und Wohnstätte für Menschen mit Behinderung.
Es ist eine Oase am Rande des Segeberger Forstes. Eine Oase für Künstler und für Menschen, die etwas anders sind. Menschen mit Anspruch auf Eingliederungshilfe, wie es im Amtsdeutsch heißt. Behinderte, wie sie gemeinhin genannt werden. Menschen also, die keiner Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt nachgehen können. Für sie, genauer gesagt für fünf von ihnen (ein Platz ist derzeit frei, Interessenten werden gesucht), bietet diese Oase ein Zuhause, einen Ort zum Leben, zum Arbeiten und für die Kreativität. Denn das Kvartier Minne-Colson versteht sich als Atelier für „bildende und bewegende Künste“, betreibt einen kleinen Verlag für Buchkunst und beherbergt zudem noch eine Tischlerei.
Vor 35 Jahren beginnt die Geschichte der Gemeinschaft
Die Geschichte dieses besonderen Ortes beginnt mit den Eltern von Ina Marie Weber. Sie haben das damals leer stehende Haus vor 35 Jahren gekauft und bis vor drei Jahren als inklusive Werkstatt und Wohngemeinschaft betrieben, vor allem als Tischlerei. Als sie sich vor drei Jahren in den Ruhestand verabschiedeten und in einen Seitentrakt des großen Hauses zogen, übernahm Ina Marie Weber gemeinsam mit Patrice Emanuele Landgrebe die inklusive Wohngemeinschaft. Die beiden teilen die Arbeit in Haus und Garten mit den anderen Bewohnern und setzen ansonsten auf die Kunst sowie die Tischlerei von Lutz Lambrecht aus Hartenholm, der als Einziger nicht im großen Wohnhaus lebt.
Während Barbara Wenzel gern in der Küche arbeitet und Serjoscha Curts im Garten, sind zwei der Bewohner viel in der Tischlerei. Der eine, Sascha Schulze, ist zum Beispiel auf den Medizinschrank im Esszimmer stolz, der bunt und in Wabenform dem Namen der Tischlerei „GebrauchsART“ gerecht wird. Er sieht gut aus und bewahrt die Medizin der Bewohner auf.
Der andere, Tim Alexander Voigt, ist fröhlich, lacht viel und zeigt ebenfalls gern, was er macht. Ob es die vielen bemalten Karten mit Fantasie-Tieren im Atelier sind oder jetzt die große hölzerne „6“ für das Mobile mit dem Vereinsnamen, die er vor der Tischlerei weiß streicht.
Tag der offenen Tür
Es soll am Tag der offenen Tür am Sonnabend, 8. Juli, (siehe Info-Kasten) am Rande des Grundstücks zwischen die Bäume gehängt werden. Seit Kurzem wird die Lebens- und Arbeitsgemeinschaft Kvartier Minne-Colson vom Verein K.206 e.V. getragen. Zuvor war sie offiziell in einen landwirtschaftlichen Betrieb eingegliedert, in die Hofgemeinschaft Weide-Hardebek.
Kontakte bestehen nach Köln, Berlin und Bremen
Mit dem neuen Verein wollen die Künstler in Hasenmoor nicht unter sich bleiben. So befindet sich neben Personen aus der Gemeinde und dem Kvartier selbst auch eine Künstlerin aus Hamburg unter den Gründungsmitgliedern. Kontakte bestehen nach Köln, Berlin und Bremen. Für das kommende Jahr ist ein Künstler-Symposium zum Thema Wald geplant. Die spannende Frage sei, so Ina Marie Weber, wie überregional eine inklusive Zusammenarbeit im Bereich Kunst realisiert werden kann.
In ihrem eigenen Atelier probieren sie dies bereits seit drei Jahren aus. Das können Weber und Landgrebe vor allem deshalb tun, weil ihre Arbeitszeit durch die Eingliederungshilfe bezahlt wird. Somit stehen die Projekte unter keinem Leistungsdruck. „Wir sind ein offener, langsamer Raum“, so Weber. Alle im Kvartier sollen mitkommen. Dabei gehe es nicht um eine Beschäftigungstherapie, sondern um Arbeit. „Ein Buch dauert dann schon einmal anderthalb Jahre, denn wir binden jedes selbst“, sagt sie. Die Auflage der Titel liegt zwischen 25 und 70 Stück, dafür können sie, wie beispielsweise die Ausgabe mit Briefen von Rosa Luxemburg, auch einmal Stück für Stück individuell gestaltet werden. „Das soll ausdrücken, dass jeder Leser das Buch ganz anders liest“, sagt sie. Neben der Buchkunst, für die es eine eigene kleine Setzerei gibt, wird im Atelier gemalt, gestaltet, und auch für gemeinsame „Körperarbeit“, wie es Patrice Emanuele Landgrebe ausdrückt, gibt es einen mit Matten ausgelegten Bereich. „Die können wir wegklappen, wenn andere Veranstaltungen stattfinden.“
Minne Colson ist der Name einer Romanfigur
Auf dem Grundstück gibt es mittlerweile eine kleine Sommerbühne, zwei Steinreihen dienen als Tribüne, auf der aktuell eine Tür steht. Sie gehört zum Stück „Dienen“, das das Kvartier Minne-Colson gemeinsam erarbeitet hat – alle Bewohner waren daran beteiligt. „Es ist wichtig, dass wir nicht selbst alles vorgeben“, sagt Landgrebe. Das Stück ist kein Sprechtheater, sondern eine Mischung aus Bewegungen, Tanz und Artistik. Das Thema „Dienen“ wird mit Formen und Aufstellungen im Raum visualisiert. „Der Fachbegriff lautet ,Physical Theater‘“, so Landgrebe. Und auch wenn diese Form für die normale Landbevölkerung vielleicht etwas ungewöhnlich ist, im Dorfhaus Hasenmoor ist das Kvartier Minne-Colson ein gern gesehener Gast.
Bleibt zum Schluss nur noch die Frage nach dem Namen. Minne Colson sei eine Romanfigur, erläutert Landgrebe. Und Kvartier? „Wir nennen es so, damit das darin vorkommt, was wir machen“, erläutert Landgrebe. Kunst, Verlag und Künstler, die vorübergehend im Bauwagen auf dem Gelände ihre Zelte aufschlagen („Artist in Residence“). Das ist auch noch etwas ungewöhnliches im Wald hinter dem Flugplatz Hartenholm.